Herbert Leuninger

ARCHIV FAMILIE
2005

WIR SIND DAS VOLK GOTTES
Demokratisierung der Kirche


Die 1. Auflage erschien 1992 im Verlag Josef Knecht in Frankfurt am Main
ISBN 3-7820-0641-0
Die 2. ergänzte Auflage erschien 2005 als CD
im Ketteler-Verlag GmbH Köln



Inhalt

Vorwort 5

1. Vom inneren Widerspruch eines demokratischen Katholiken. 6

1.1. Zur Demokratisierung unserer Gesellschaft 6

1.2 Vom Untertan zum freien Bürger 7

1.3. Die Erfahrungen mit der Mitsprache in der Kirche. 9

1.4. Lösungswege. 10

2. Die Wurzeln des Konfliktes. 11

2.1. Die grundsätzliche Haltung der Kirche zur Demokratie. 11

2.2. Der päpstliche Primat oder absolute Herrschaft?. 13

2.2.1. Die alte Synodalverfassung und die Mitwirkung des Volkes bei Wahlen. 13

2.2.2. Auf dem Weg zur Definition des Primates. 14

2.2.3. Die Autorität des Papstes. 17

2.3. Anfragen an das Erste Vatikanische Konzil 18

3. Die Auslegung des biblischen Freiheitsbegriffes in die moderne Freiheitsgeschichte. 19

3.1. Zur Frage nach der Freiheit 19

3.2. Der biblische Freiheitsbegriff. 19

3.3. Der Freiheitsbegriff der Antike. 20

3.4. Der Freiheitsbegriff im Verlaufe der Kirchengeschichte. 21

3.5. Die neuere Freiheitsgeschichte der Menschen. 22

3.6. Die Erneuerung des Freiheitsbegriffes durch das Zweite Vatikanische Konzil 23

3.7. Mutig nach außen, zaghaft nach innen. 25

4. Die Kirche als Volk Gottes. 27

4.1. Kirchenbegriffe und Ihre Auswirkung auf die kirchliche Praxis. 27

4.2. Das Konzil erneuert das Bild von der Kirche. 27

4.3. Das wandernde Gottesvolk. 28

4.3.1. Ein biblisches Bild führt eine Wende im Kirchenverständnis herbei 28

4.3.2. Die Bibel wird zur Quelle der Erneuerung der Kirche. 29

4.4. Vom Stand der Laien. 30

4.4.1. Sind Laien ein Stand?. 30

4.4.2. Die Ausfaltung des vierten Kapitels der Kirchenkonstitution im Dekret über das Apostolat der Laien&xnbsp; 32

4.4.3. Die Bibel kennt den »Laien« nicht 34

4.4.4. Die schwierige Geschichte im Verhältnis von Laie und Amt 34

4.4.5. Einladung auf einen Weg, wenn auch mit Schwierigkeiten. 37

4.5. Kirche ist Gemeinschaft 37

4.5.1. Ein neuer Akzent im Kirchenverständnis. 37

4.5.2. »Brüderlichkeit« (Geschwisterlichkeit) als Ansatz des Neuen Testamentes. 39

4.5.3. Erneuerung der Herzen und der Strukturen. 40

5. Demokratie als „alle Gewalt geht vom Volk aus“. 41

5.1. Die Ansätze der Demokratie. 41

5.2. Die moderne Demokratie hat Geschichte. 41

5.3. Unterschiedliche Demokratiebegriffe. 43

5.3.1. Eine kurze Theoriediskussion. 43

5.3.2. Eher konservative Auffassungen. 43

5.3.3. Realistische Demokratie. 43

5.3.4 Identitätstheorien von Demokratie. 44

5.4. Elemente einer demokratischen Ordnung. 45

5.4.1. Grundlegend ist die Anerkennung der Menschenwürde. 45

5.4.2. Alle Gewalt geht vom Volke aus. 45

5.4.3. Gewaltenteilung. 46

5.4.4. Rechtsstaat und Sozialstaat 46

5.4.5. Wertkonsens und Wertpluralismus. 47

6. Demokratie in der Kirche – ein spannungsreicher Prozess. 49

6.1. Dagegen und Dafür 49

6.1.1 Was ist bisher geschehen. 49

6.1.2. Was spricht eher gegen mehr Demokratie in der Kirche?. 49

6.1.3. Was spricht eher für mehr Demokratie in der Kirche?. 49

6.2. Der Verlauf der Diskussion. 55

6.2.1. Ende oder Anfang eines Änderungsprozesses. 55

6.2.2. Es kommt auf den Stil des Umgehens an. 55

6.2.3. Es bedarf der Änderung. 56

6.2.4. Autorität bedarf der Demokratisierung. 58

6.2.5. Linien der Diskussion - Fazit 59

6.3. Zur bisherigen Rezeption. 60

6.3.1. Die Entwicklung von Mitverantwortungsstrukturen. 60

6.3.2. Die Vermögensverwaltung. 60

6.3.3. Die synodalen Gremien. 61

6.3.4. Der Prozess der Demokratisierung am Beispiel des Bistums Limburg. 62

6.3.5. Die Forderung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit 64

6.3.6. Mitwirkung bei der Bestellung von Amtsträgern. 64

6.3.7. Das private Vereinsrecht in der Kirche. 65

6.4. Noch wenig Ergebnisse. 66

7. Gemeinde der Zukunft als Netzwerk. 67

7.0 Es geht um eine demokratische Erneuerung der Kirche. 67

7.1 Frühe Einsichten. 67

7.2 Volkskirche oder kleine Herde?. 67

7.3. Ermöglichungspastoral 68

7.4 Gemeinde als Netzwerk. 69

7.4. Verbände im Netzwerk Gemeinde z.B. die KAB (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung) 70

7.4.1. Kirchliche Aussagen. 70

7.4.2 Selbstverständnis der KAB.. 71

7.4.3. KAB im Netzwerk Gemeinde. 72

8. Thesen zur Demokratie in der Kirche. 73

8.1. Erste Abgrenzungen. 73

8.3. »Wir sind das Volk Gottes«. 76

8.4. Die Gewaltenteilung. 80

8.5. Ernsthafte Synodalität ist gefragt 81

8.6. Wandel der Strukturen durch Wandel im Bewusstsein. 83

9. Statt eines Schlusswortes: Machen wir uns auf den Weg. 86

Anhang. 88

Abkürzungen. 88

Quellen und Literatur 89

 


 


Vorwort

Thomas von Aquin meinte, dass Gott der Kirche die beste Verfassung gegeben habe, die es gebe, und dies sei die Monarchie. Papst Johannes Paul II. rief auf, diktatorische Systeme durch demokratische Ordnungen zu ersetzen, weil diese ein hohes Maß an Teilhabe ermöglichen. Muss deshalb die Kirche nicht demokratischer sein? Kardinal Ratzinger (Benedikt XVI.) schrieb 1970: „Auch gerade das Zeitalter der Demokratie ist ein Anruf an sie, dem sie sich kritisch und offen zugleich zu stellen hat.“

Diesen Fragestellungen möchten diese Ausführungen nachgehen zumal der Eindruck entstehen kann, dass in Deutschland manche Bischöfe wieder das Wenige an Teilhabe des Gottesvolkes in ihren Bistümern zurück fahren.

Die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils wollten ein Kirchenbild entwerfen, das Kirche nicht nur verständlich machen sollte, sondern auch liebenswürdiger. Das war ihnen damals gelungen. Eine neue Freude an der Kirche breitete sich aus.

Sie wiesen aber auch auf eine andere Wahrheit hin. Auch die Kirche hat Flecken und Runzeln, sie muss sich ständig erneuern. Das erfahren wir heute wieder. Trotzdem muss sie liebenswürdig bleiben. Dem wollen die folgenden Ausführungen dienen, wohl wissend, dass viele Züge die Liebenswürdigkeit der Kirche ausmachen.

Kirche ist das Volk Gottes unterwegs durch die Zeit. Alle sind mit ihm unterwegs. Was aber hat das Volk Gottes zu sagen? Die Deutschen sind inzwischen gute Demokraten geworden. Sie wissen, dass sie das Volk sind. Aber in der Kirche können sie sich nicht als solche erfahren. Das schafft wachsenden Missmut. Deshalb soll darüber nachgedacht werden, wie Kirche demokratisiert werden kann. Für Christen gilt: »Wir sind das Volk Gottes!«

Kirche ist eine sakramentale Größe, insofern sind vor allem Dogmatiker für Aussagen über die Kirche zuständig. Sie ist aber auch eine gesellschaftliche Größe. Dies fällt in das Aufgabengebiet der Sozialethiker. Sicher lässt sich beides nicht trennen. Der Hauptakzent dieses Buches liegt auf der gesellschaftlichen Verfasstheit der Kirche. Fordern Evangelium und das erneuerte Verständnis von Menschenwürde nicht heraus, sich Gedanken über die gesellschaftlichen Strukturen der Kirche zu machen, damit sie ihrer Aufgabe auch im kommenden Jahrhundert gerecht werden kann?

Nachdenken und Forschen über Demokratie in der Kirche hat der Kirchenhistoriker M. Liebmann als ein Gebot der Stunde bezeichnet. Für ihn wird es deutlich, dass das demokratische Prinzip der biblischen Idee von Kirche als dem Volk Gottes eher gemäß ist, als ein hierarchischer Patriachalismus mit feudalem und absolutistischem Grundmuster[1]. Zu diesem Nachdenken wollen die folgenden Ausführungen beitragen.

Dieses Buch ist ein Dank an alle, die sich im Bistum Limburg um die Einführung der Synodalordnung[2] verdient gemacht haben. Besonderer Dank gilt den Bischöfen Kempf und Kampe und Laien wie Dr. Paul Riffel, Präsident der Katholischen Aktion, und dem ersten Präsidenten der Diözesanversammlung, Hans Safran[3]. Es will Mut machen, an dem stetigen Erneuerungsprozess der Kirche weiter mitzuarbeiten.


1. Vom inneren Widerspruch eines demokratischen Katholiken

1.1. Zur Demokratisierung unserer Gesellschaft

In Deutschland sind die Menschen gute Demokraten geworden. Demokratische Strukturen in der Politik sind hierzulande in­zwischen eine Selbstverständlichkeit.

Der Bereich der katholischen Kirche ist dabei aber nahezu völlig ausgeblendet. Es haben sich zwar Formen der Mit­sprache entwickelt, aber sie bleiben doch in Theorie und Pra­xis weit hinter dem zurück, was Menschen unter Demokratie verstehen. Engagiert sich ein qualifizierter Kommunalpoliti­ker einmal in einem Pfarrgemeinderat, dann wird er bald zur Einsicht kommen, dass er hier nichts zu sagen hat. In der Regel wird er diesen Ort »demokratischer Spielerei« - wie er ihn sieht - bald anderen überlassen, wenn sich auf Dauer überhaupt noch welche finden. Katholische Kirche wird mehr und mehr als ein Hort vergangener Herrschaftsformen verstanden. Das wird zu einer wichtigen Frage für die Zu­kunft der Kirche, weil dieser Zwiespalt zwischen Demokratie in der Politik und Demokratie in der Kirche für viele nicht mehr nachvollziehbar ist. Die Konsequenz wird das weitere Auswandern aus der Kirche sein, zumal es den Anschein hat, dass die katholische Kirche auf diese Fragestellung eher autoritär als kommunikativ antwortet. Lösungswege werden hier nicht gesehen.

Wie aber hat sich die Entwicklung zur Demokratie bei uns vollzogen? Andere europäische Länder haben in dieser Hin­sicht eine längere Tradition. Es sei hier nur auf die Schweiz Großbritannien und Frankreich verwiesen. In diesen Län­dern ist Demokratie schon lange politischer Alltag.

In Deutschland lief die Entwicklung viel gebrochener. Die Wellen der Demokratisierung, ausgehend von der Französi­schen Revolution, konnten sich in Deutschland nicht durch­setzen. Die Revolution von 1848 zerbrach an den unter­schiedlichen Zielvorstellungen der Beteiligten und der noch zu großen Macht der Herrscher.

Im 19. Jahrhundert hatten die Katholiken die demokrati­schen Formen in ihrem Vereinsleben eingeübt und auch po­litisch angewandt. So lernten sie die »sozialen und politi­schen Techniken der modernen Demokratie«[4].

Eine konstitutionelle Form der Monarchie gab es im Kai­serreich. Die demokratische Regierungsform nach dem Er­sten Weltkrieg in der Weimarer Republik scheiterte an der mangelnden Akzeptanz in der Bevölkerung, verstärkt durch die erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Aber schon damals erwiesen sich die Katholiken mit ihren Parteien als gute Demokraten, die die Republik von Anfang an stützten und neben weiten Kreisen der sozialdemokrati­schen Arbeiterbewegung versuchten, die Demokratie zu ret­ten. Katholik sein hieß damals in der Regel schon zur demo­kratischen Republik zu stehen. Sie wählten ihre Parteien, die Bayerische Volkspartei und das Zentrum, das die »eigentli­che Regierungspartei« der Weimarer Zeit war[5].

Die Diktatur des Dritten Reiches zerbrach erneut die demo­kratische Entwicklung. Dabei spielte die katholische Bevölkerung überwiegend eine Rolle der Ablehnung dieses diktatorischen Systems. Nicht nur der politische Bereich, son­dern möglichst alle Lebensbereiche sollten dem Führerprin­zip untergeordnet werden. Das Gegenteil einer Entwicklung zur Demokratie war gewollt und wurde auch weithin durchge­setzt. Wie weit die innere Annahme dieser Diktatur in der Be­völkerung ging, ist schwer auszumachen, sie dürfte sich im Verlaufe des Dritten Reiches eher verschlechtert haben. Nach dem militärischen und politischen Zusammenbruch von 1945 wurde in den westlichen Besatzungszonen die De­mokratie verordnet. Sie traf aber auch auf die Bereitschaft, es neu zu versuchen. Die Politiker setzten bei den Erfahrungen der Weimarer Zeit an. Wichtig war den Gründern der Bun­desrepublik insbesondere, die Fehler der damaligen Zeit zu vermeiden. Das gelang weithin, nicht zuletzt auch deshalb, weil die wirtschaftliche Entwicklung im Wesentlichen positiv verlief. Die Demokratie des Grundgesetzes hat ihre Bewäh­rungsprobe bestanden. Sie ist sicher noch verbesserungsbe­dürftig und es kommen neue Herausforderungen, die verar­beitet werden müssen, aber sie hat in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz.

Neue Herausforderungen sind vor allem durch die deut­sche Vereinigung gegeben. In den östlichen Bundesländern musste der Prozess der Demokratisierung in der Politik nachge­holt werden. Deutschland wird sich neuen Aufgaben in Eu­ropa und in der Welt zu stellen haben. Dies alles erfordert erhebliche politische Auseinandersetzungen und Diskurse in der Gesellschaft, die ja selbst in wichtigen Bereichen noch nicht demokratisiert ist. Dazu gehören die Wirtschaft und die katholische Kirche. Wird diese Kirche in einer gesellschaftli­chen Entwicklung, die auf mehr Demokratie hin geht, ihre Chancen wahren können?

1.2 Vom Untertan zum freien Bürger

Die in den 60er Jahren während der Studentenunruhen oft zu hörende These, Katholiken seien in ihrer Mehrheit fa­schistoid, lässt sich aus der Geschichte, wie oben gesehen, nicht belegen. Katholiken haben sogar schon länger ein po­sitives Verhältnis zur Demokratie in unserem Land als die evangelischen Christen. Dies ist aber nicht ein besonderes Verdienst oder in der Mentalität der Katholiken begründet, sondern ein Ergebnis der deutschen Geschichte seit 1815. Damals wurde das mittelalterliche Herrschaftssystem end­gültig abgeschafft, die ehemals geistlichen Herrschaften auf­gelöst und die Katholiken sehr oft evangelischen Regenten unterstellt. Hinzu kam noch, dass sie im neuen deutschen Kaiserreich ab 1871 eine Minderheit darstellten, die in viel­facher Weise benachteiligt war. Wirtschaftlich waren sie unbedeutender als die evangelischen Christen, das katholi­sche Bildungsdefizit wurde fast zu einem Begriff, in Schalt­stellen von Verwaltung und Militär waren sie unterrepräsentiert.[6].

Die besondere Situation der Katholiken in Deutschland war durch den Umsturz der Machtverhältnisse nach der Sä­kularisation geschaffen worden. Sicher resultierte manches Defizit auch aus der nicht bewältigten Aufklärung, aber die Verteilung der Machtstrukturen im Kaiserreich wirkte sich auf die Katholiken letztlich nahezu in einer Trotzreaktion belebend aus. Für sie war der Fürst nicht auch das geistliche Oberhaupt, obwohl manche Fürsten versuchten, dies zu wer­den, wie sie es zumeist in den Kirchen der Reformation wa­ren. Die Katholiken mussten sich ihre Rechte erkämpfen und schufen sich dazu eigene politische Parteien, die, wie das Zentrum, nicht zuerst nur den Besitzenden, sondern auch dem Mittelstand und den einfacheren Menschen verpflichtet waren. So konnten sie auch ungebrochen den Untergang der Monarchie 1919 verkraften und sich dem Aufbau einer De­mokratie zuwenden. Neben der Sozialdemokratie waren die Katholiken im Zentrum die tragenden Kräfte der Weimarer Zeit und standen schon deshalb distanziert zu den Entwick­lungen des Dritten Reiches, obwohl das Zentrum von der Sozialdemokratie im Stich gelassen im entscheidenden Moment wohl auch versagte.

Wohlgemerkt: Diese Entwicklungen wurden überwiegend von Laien getragen, die in wichtigen Fragen auch in Opposi­tion zur Hierarchie standen, z. B. im Gewerkschaftsstreit.

In diesem Streit in Deutschland ging es um das freie Zu­sammenschlussrecht katholischer Arbeiter in eigenen Ge­werkschaften und unter eigener Leitung. Dies wollten die deutschen Bischöfe den Arbeitern nicht zugestehen. Die Ar­beiter hatten die Empfehlung des Papstes, sich zur Durchset­zung ihrer berechtigten Anliegen zusammen zu schließen, aber so verstanden. Die katholischen Arbeiter suchten eigene Gewerkschaften, da sie sich in den militant-atheistischen »freien Gewerkschaften« nicht mehr wohlfühlten. Nach Mei­nung der kirchlichen Integralisten sollte es aber nur Arbei­tervereine unter geistlicher Leitung geben. Diese Vereine soll­ten vor allem konfessionell-religiösen Zielen dienen, schlos­sen damit also auch die Mitgliedschaft von Nichtkatholiken aus, was bei den christlichen Gewerkschaften nicht der Fall war. Die Arbeiter sollten ihre gewerkschaftlichen Anliegen in den Arbeitervereinen über so genannte Fachabteilungen ein­bringen. Wichtiger als dies war den Bischöfen aber die reli­giöse Bildung.

Kardinal Kopp gelang es 1900 alle Bischöfe auf diese Li­nie einzuschwören und dazu einen Hirtenbrief zu veröffentli­chen, der den Namen »Fuldaer Pastorale« trägt. Daraus ent­wickelten sich unselige Streitereien, die den Katholizismus spalteten und eine gute Entwicklung der christlichen Ge­werkschaftsbewegung behinderten. Selbst der Arbeiterver­band war gespalten. Der Verband mit Sitz in Berlin be­kämpfte und verunglimpfte unter Berufung auf das Pastorale die anderen Verbände, die gewerkschaftsfreundlich waren. Inzwischen dämmerte einigen Bischöfen, welchen Fehler sie gemacht hatten. Sie erreichten gegen den Widerstand der einflussreichen Integralisten, dass Papst Pius X. in einem ei­genen Hirtenschreiben (Singulari quadam) 1912 die Mit­gliedschaft katholischer Arbeiter in interkonfessionellen Gewerkschaften wenigstens duldete[7]. In diesen Gewerkschaften wurde die Leitung demokratisch gewählt.

Die größte Partei der Katholiken war das Zentrum. Schon in der Frankfurter Nationalversammlung hatten sich katho­lische Parlamentarier zusammengefunden. Nach diesem Vor­bild entstand im preußischen Abgeordnetenhaus eine katho­lische Fraktion, die sich seit 1859 Zentrum nannte. Das Zen­trum wurde zur Partei und trat für eine föderalistische Reichsverfassung und den Schutz der kirchlichen Rechte ein. Dies brachte sie im Kulturkampf in Gegensatz zum Staat. Der Kulturkampf war eine antikatholische Welle in der zwei­ten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, die nach 1871 vor allem von Bismarck vorangetrieben wurde. Er wurde unter Umge­hung des Zentrums durch Papst Leo XIII. und Bismarck beendet. Das Zentrum wurde vom Papst weniger als eigen­ständige Größe, denn als Druckmittel betrachtet, wenn es kein Weiterkommen gab[8].

1906 wurde in der »Kölner Richtung« die Interkonfessionalität der Partei bestätigt. Sie blieb aber trotzdem immer eine überwiegend katholische Partei. Über sie nahmen die Katholiken ihre Mitverantwortung im Staat wahr[9].

Gleichzeitig bildeten sich bedeutende Verbände, deren Führungen sehr weit demokratisch legitimiert waren. Neben dem Gesellenverein von Adolph Kolping sei an die Arbeitervereine erinnert.

Der Volksverein für das katholische Deutschland hat über viele Jahre diese Arbeit reflektierend begleitet. Sein Einfluss war auch bei seinem Verbreitungsgrad sehr groß. Er hatte 1913 über 800.000 Mitglieder. Zur Entstehung dieses Vereins trugen Fabrikanten, Journalisten, Politiker und auch Geistli­che bei. Sie gründeten 1880 einen Verband »Arbeiterwohl«. Es ging den Gründern um die religiöse, sittliche und wirt­schaftliche Unterstützung des Arbeiterstandes. Der Verband förderte eine soziale Volksbewegung der deutschen Katholi­ken. Sie sollten sich für die berechtigten Forderungen der Arbeiter einsetzen. Mit seinen Flugblättern und Schriftenreihen hat er im katholischen Raum einen nicht zu unterschät­zenden Einfluss gehabt. Hier konnten die Katholiken die So­ziallehre kennen lernen[10].

Auch andere kirchliche Aufbrüche gingen von Laien aus. Sie bewegten sich in ihren Aktivitäten oftmals aber bewusst im »weltlichen Bereich«, um nicht in Konflikt mit der kirch­lichen Autorität zu geraten. Dadurch kam es, bei allem Auf­bruch im politischen Bereich, zu einem seltsamen Unterta­nenverhältnis im kirchlichen Binnenraum. Die Laien emp­fanden sich in ihren Organisationen als Schutz des Klerus gegenüber Angriffen aus der Gesellschaft.

In der karitativen Arbeit erwarben sich katholische Laien im vorigen Jahrhundert große Verdienste. Sie gründeten viele karitative Institutionen. Die gesellschaftliche Herausforde­rung wurde angenommen. 1840 wurde in Trier die erste Elisabethenkonferenz gegründet. Hier schlossen sich Frauen zu aktivem karitativen Tun zusammen. 1845 wurde in München die erste Vinzenzkonferenz gegründet, die sich auch schnell ausbreitete. Mitglieder waren überwiegend Männer. Im Mit­telpunkt dieser Arbeit stand der Hausbesuch.

Näh- und Strickschulen, Waisenhäuser, Krankenhäuser, Kindergärten und andere karitative Einrichtungen entstan­den auf Initiative katholischer Laien, die durchaus ihre Fä­higkeit zum Leiten unter Beweis stellten und oft gegen den Widerstand des Klerus ihre christliche Verantwortung wahr­nahmen.

So konnten sich im gesellschaftlichen Bereich die Katholi­ken Eigenständigkeit verschaffen. Im gewerkschaftlichen Zusammenschluss gelang es ihnen, wenn auch mühsam, eben­falls. Ihre Partei wurde respektiert. Viele Institutionen zeig­ten eigenständige Verantwortung in karitativen Aufgaben. In all diesen Fällen war der Schritt vom Untertan zum Bürger gelungen.

Wenn wir in der Kirche von drei Grundfunktionen sprechen, dann war die Verantwortung der Laien zwar in der Diakonie gegeben, in der Verkündigung und Liturgie hinge­gen nicht.

Die Schritte vom Untertan zum Bürger wurden im kirchlichen Innenraum nicht vollzogen, ja bewusst ausge­klammert, im Gegensatz zum politischen und öffentlichen Bereich. Manchmal haben kirchliche Autoritäten auch die gewerkschaftlichen und politischen Organisationen als ihrer Weisung unterworfen betrachtet, um ihre Autorität auszu­dehnen. Dies war aber letztlich erfolglos, zumal sich dann in der katholischen Soziallehre auch eine anerkannte theologi­sche Reflexion dieses Engagements zu entwickeln begann. Die Eigenständigkeit der weltlichen Bereiche wurde endgül­tig in der Pastoralkonstitution »Gaudium et spes« vom Zwei­ten Vatikanischen Konzil anerkannt[11].

Beim Aufbau des neuen Deutschlands aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges haben Katholiken intensiv mitgear­beitet. Ihr Anteil an der Gestaltung der Bundesrepublik in den ersten zwei Jahrzehnten ist groß. Sie haben diesen Staat durchaus als ihren Staat verstanden, dem sie sich innerlich verbunden wussten. Sie taten dies aus den Erfahrungen der Notzeit heraus in einer größeren ökumenischen Koopera­tion.

Diese Aufbauarbeit konnten die Katholiken in der ehema­ligen DDR nicht leisten. Dort stand die Kirche in Dauerab­lehnung zum kommunistischen Staat. Ob sie sich deshalb der Befreiungsbewegung zu spät gestellt hat, wie manche meinen? Die Katholiken waren aber an dieser Freiheitsbewe­gung 1988/89 intensiv beteiligt und waren und sind es jetzt auch bei der Schaffung neuer politischer Strukturen.

Die Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik sind in­zwischen zu guten Demokraten geworden. Für die alten Bun­desländer liegt zu ihrem Verhältnis zur Autorität eine Unter­suchung vor. Diese beweist, dass die Deutschen ihre historische Lektion aus zu großer Autoritätsabhängigkeit gelernt haben. »Preußengeist« wurde ja sehr oft neben grundsätzli­chem Militarismus mit ausgeprägtem Untertanengeist gleichgesetzt. Aus der genannten Untersuchung ergibt sich eine kritischere Einstellung der Deutschen gegenüber jeglicher Autorität. Sie erwarten mehr als andere Völker die Be­gründung von Anordnungen. Dies gilt gegenüber anderen Europäern, besonders aber gegenüber den Nordamerika­nern[12]. Dies gilt wie selbstverständlich auch für die Katholi­ken und ihr Verhältnis zu jeglicher Autorität, deren Notwen­digkeit grundsätzlich anerkannt wird. Autorität wird aber als argumentierend verstanden. Die Bürger wollen an ihrer Ge­staltung teilhaben. Die Deutschen setzen für die Gestaltung der Zukunft mehr auf Freiheit denn auf Zuwachs an Autorität. Dies ist ein Kennzeichen guter Demokraten.

1.3. Die Erfahrungen mit der Mitsprache in der Kirche

Die Erfahrungen mit dem Mitspracherecht in der Kirche sind gegen die allgemeine Entwicklung zu mehr Demokratie eher negativ zu bewerten.

Die kirchlichen Gremien funktionieren dann, wenn alle Beteiligten, vor allem der Pfarrer, sehr kommunikativ sind. Dann kann in ihnen gute Arbeit geleistet werden. Im Kon­fliktfall werden sie meist sehr schnell machtlos, z. B. bei der Frage, ob ein Pfarrer für eine Gemeinde noch tragbar ist, aber oft schon bei Fragen, die weit im Vorfeld solcher Ent­scheidungen liegen.

Anders liegen die Dinge in den Gremien der Vermögens­verwaltung. Hier kann der Pfarrer überstimmt werden. Diese Gremien sind echte Mitbestimmungsgremien bis in die diözesane Spitze. Leider läuft ihre Arbeit in den meisten Bistümern relativ getrennt von den Seelsorgegremien. Die alte Spaltung von Seelsorge und Geld, die ja eine Illusion ist, wird hier durchgehalten. In unserer irdischen Gestalt geht aber wenig ohne Geld.

Übrigens trafen sich in den Gremien der Vermögensver­waltung noch überwiegend Männer, was sich aber ändert. Die Pfarrge­meinderäte verzeichnen deutlichere Zuwachsraten an Frauen. Dies wird unterschiedlich bewertet. Es könnte aber auch ein Weg zu mehr Mitspra­che von Frauen in der Kirche sein. Dies könnte aber auch bedeuten, dass Männer wachsend den Besuch der aus ihrer Sicht unbedeutenden kirchlichen Gremien als Zeitverschwendung betrachten.

Auf die entscheidenden Entwicklungen in der Kirche, so­weit sie von Amtsträgern veranlasst werden, haben die Laien kaum Einfluss. Hier ist der höhere Klerus unter sich. Das gilt vor allem auch für das Leitungszentrum der Kirche in Rom.

Bei der Einstellung von Katholiken in Deutschland zu De­mokratie und Autorität kann die Verteilung der Machtgewichte in der Kirche auf Dauer nur Schwierigkeiten bringen. Im Staat erfahren die Bürger ihre Möglichkeit zur Mitgestaltung, in der Kirche letztlich ihre völlige Abhängigkeit. Wie kann der einzelne Christ für sich mit dieser Situation umgehen? Hier wird man in der Kirche noch mit mehr Verlusten durch Rückzug und Austritte rechnen müssen.

Der Konflikt wird noch einmal verstärkt durch die Theologie vom Volke Gottes, die das Zweite Vatikanische Konzil erneut auf den Weg gebracht hat. Wie löst Kirche dieses Selbstbewusstsein ein, wo zeigen sich gangbare Wege?

1.4. Lösungswege

Eine ganze Gruppe von Katholiken hakt dieses Thema für sich ab und verliert wieder etwas mehr den Kontakt mit der Kirche. Dieser schleichende, aber wachsende Auswande­rungsprozess trägt ja schon seit vielen Jahren zu einer Schwä­chung der Kirche bei. Er kann sicher nicht allein bei dem Problem der mangelnden Mitbeteiligung festgemacht wer­den. In der Ambivalenztheorie von Schmittchen führen posi­tive Erfahrungen in der Regel zur Annäherung an die Kirche, negative zur Entfernung von ihr. Das ist ein langwieriger Prozess, bei dem positive und negative Gefühle einander wi­derstreben. Dieser Konflikt kann dann die negativen Gefühle befördern[13] Letztlich geht das Interesse an der Kirche ver­loren.

Andere versuchen aus der Situation das Beste zu machen. Sie engagieren sich teilweise in großem Mass in den gegebe­nen Strukturen. Das zeitigt auch gute Erfolge. Wenn es aber zu Konflikten kommt, ziehen die Laien in der Regel den kür­zeren. Dieses Modell funktioniert von seinem Ansatz her nur in einer kommunikativen Atmosphäre. So vertrauen die Be­teiligten darauf, dass diese gegeben ist. Es gibt aber auch die Möglichkeit zu überlegen, ob nicht Veränderungsprozesse in der Kirche selbst möglich sind. Diesen Weg wollen die Ausführungen dieses Buches gehen als eine Anfrage an die Möglichkeiten, die zur Lösung in der Kirche vorhanden sind. Die Sorgen derer, die die Freude an der Kirche verloren haben, sollen dabei gesehen werden. Das Engagement der vielen in den Gremien der Kirche soll Mo­tivation und Hoffnung erfahren. Der Kirche soll ein Dienst erwiesen und den Katholiken eine Hoffnungsperspektive er­öffnet werden. Die Christen haben ein Bürgerrecht in ihrer Kirche. Sie müssen auch die Möglichkeit haben, wie Bürger in ihr mitgestalten zu können.

Sei einigen Jahrzehnten (Ende der 60er Jahre) kommt noch ein neues Problem hinzu. Von der Struktur her ist das Weiheamt der Gesprächspartner der Gläubigen. Dieses geht aber immer mehr verloren. Wie kann ein ernsthaftes Gespräch noch geführt werden, wenn der Gesprächspartner abhanden gekommen ist.


2. Die Wurzeln des Konfliktes

2.1. Die grundsätzliche Haltung der Kirche zur Demokratie

Zwei Ereignisse prägten wie kaum etwas anderes die Ent­wicklung der modernen Demokratie: Die erste amerikanische Menschenrechtserklärung von 1776 und die Französische Revolution von 1789. Gewiss hat es zuvor schon demokrati­sche Modelle gegeben, so in der Schweiz und unter dem Mantel der Monarchie in England. Der eigentliche Durch­bruch dieses Denkens kam aber mit der Aufklärung und die­sen beiden Ereignissen.

Gerade für die amerikanische Unabhängigkeitserklärung sind aber nicht nur Gedanken der Aufklärung bedeutsam gewesen, sondern auch christliche Traditionen der Religionsfreiheit[14]. Es waren ja oft religiöse Gruppen, die sich dem Religionszwang im alten Europa nicht hatten beugen wollen und nach Amerika ausgewandert waren. Ihr Freiheitsbe­wusstsein hat wesentlich zur Entwicklung der Menschen­rechte und der modernen Demokratie beigetragen.

Kirchliche Hierarchie erlebte die Französische Revolution nicht nur als Angriff auf alte Herrschaftsstrukturen, sondern auch als Angriff auf die Kirche. Die Kirche war im Mittelal­ter eine der tragenden Säulen der feudalistischen Gesellschaft gewesen. Dementsprechend ablehnend war auch ihre Reak­tion. 1791 schrieb Pius VI.: »Diese von der Nationalver­sammlung so gepriesene Gleichheit und Freiheit führen also nur dazu, die katholische Kirche umzukehren, und deshalb hat sie sich geweigert, sie als die im Königreich dominierende zu erklären, obwohl ihr dieser Titel schon immer zukam.«[15]

Diese Einstellung hält sich lange Zeit. Sie entspricht aber nicht mehr der Praxis vieler Katholiken und den Anforde­rungen an ein modernes Gemeinwesen. So ist es dann nicht erstaunlich, dass Leo XIII., der Begründer der offiziellen ka­tholischen Soziallehre, schon 1888 demokratische Regie­rungsformen als »nicht verboten« bezeichnet. Dabei muss aber die katholische Lehre über den »Ursprung und die An­wendung der staatlichen Macht gewahrt« bleiben. Er führt aus: »... die Kirche lehnt keine der vielen verschiedenen For­men ab, die eine Regierung haben kann, sofern sie geeignet ist, das Wohl der Bürger zu sichern.«[16]

Dies bleibt dann die Lehre der Kirche bis zu den Erfah­rungen mit der Diktatur des Dritten Reiches und der Faschi­sten. Unter dem Eindruck des durch diese Diktaturen entfes­selten Unrechts sendet Pius XII. über den Rundfunk 1944 seine berühmte Weihnachtsbotschaft. Er bezieht sich dabei auf den oben genannten Text, den er aber weiterführt. Er sieht, dass die Menschen den Diktatoren misstrauen, die nicht zur Verantwortung zu ziehen sind. Die Menschen suchen eine Regierungsform, die mit der Würde und Freiheit der Bürger besser zu vereinen ist. Er ist sogar der Auffassung, dass die Welt nicht in den vernichtenden Wirbel des Krieges gezogen worden wäre, wenn das Vorgehen der öffentlichen Macht besser zu kontrollieren und zu steuern wäre.

Am Weihnachtsfest wird für ihn im Mensch gewordenen Wort Gottes die Würde des Menschen gefeiert. Damit wird auch dieser Begriff deutlich in die Soziallehre eingeführt. Diese Würde, die er nicht nur individuell, sondern auch so­zial nennt, sieht er in der derzeitigen Stunde in geeigneter Form in der Demokratie, sei es in der Monarchie oder der Republik, gewährleistet.

Er entwirft ein Bild, wie Menschen, die in einer Demokra­tie leben, und Menschen, die in ihr Macht ausüben, auszu­sehen haben. Dazu gehören Meinungsfreiheit, Mitwirken bei den wichtigen Pflichten und Opfern, die den Bürgern aufer­legt werden. Dabei unterscheidet er scharf zwischen der see­lenlosen Masse als dem größten Feind der Demokratie, weil sie willenlos ist und bereitwillig jeder Fahne folgt, und dem Volk, das sich wie eine Persönlichkeit seiner Verantwortung bewusst ist.

Die Machtträger müssen Elite sein, die ihre Aufgabe über ihr persönliches Interesse stellen. Andernfalls besteht nur eine Scheindemokratie.

In einer Demokratie besteht nach den Worten des Papstes auch eine Bindung der positiven Gesetze an die gottgewollte Ordnung, die in der Schöpfung aufgestellt und in der Offen­barung des Evangeliums in ein neues Licht gerückt wurden. Für ihn besteht deshalb die Würde des Menschen in der Gottesebenbildlichkeit, die Würde des Staates in der sittli­chen, von Gott gewollten Gemeinschaft, die Würde der poli­tischen Autorität in der Teilnahme an der Autorität Gottes. Die Demokratie kann am wenigsten von allen Staatsformen diese »innige und unlösliche Verbindung« missachten[17].

Dies sind nur Auszüge aus der ersten umfassenden positi­ven päpstlichen Auseinandersetzung mit der Demokratie. Gezeichnet wird eine Idealform. Die Ausführungen müssen verstanden werden aus der Erfahrung der Diktatur mit all ihren schrecklichen Folgen. Sie basieren auf einem natur­rechtlichen Verständnis der grundlegenden Prinzipien, vor allem der Menschenwürde. Demokratie ist zwar nach dieser Lehre nicht die einzig mögliche richtige Regierungsform, es gibt aber eine deutliche Option des Papstes für die Demokra­tie als die Form, die zur Zeit am besten den Erfordernissen an eine Staatsverfassung entspricht.

Die Demokratie muss aber daran erinnert werden, dass sie für die Einheit des Menschengeschlechtes Sorge zu tragen hat. »Von der Anerkennung dieses Grundsatzes hängt die Zukunft des Friedens ab.«[18] Diese eine Völkerfamilie ist eine Forderung und die Krönung der sozialen Ent­wicklung.

Schon Leo XIII. und Pius XII. haben darauf hingewiesen, dass jede Autorität aus Gott stammt. Diese Lehre bekräftigt Johannes XXIII. noch einmal 1963 in seiner Enzyklika »Pacem in terris«. Gott ist dann auch der letzte Maßstab für die innere Gültigkeit eines Gesetzes. Erkennen kann der Mensch dies mit der Vernunft, wie der Papst mit Worten des Thomas von Aquin sagt: Ein Gesetz, das von der Vernunft abweicht, ist ein ungerechtes Gesetz und muss eher als Gewalttätigkeit bezeichnet werden.

Danach führt der Papst dann aus: »Jedoch daraus, dass die Autorität aus Gott stammt, ist durchaus nicht zu folgern, dass die Menschen keine Möglichkeit hätten, diejenigen zu wäh­len, die an der Spitze des Staates stehen sollen, die Staats­form zu bestimmen und den Umfang sowie die Art und Weise der Gewaltausübung abzugrenzen. Daher kann diese Lehre durchaus mit jeder demokratischen Regierungsform in Einklang gebracht werden, die diesen Namen wirklich verdient.«[19]

Für den Papst besteht die Existenzberechtigung der öffent­lichen Gewalt in der Verwirklichung des Gemeinwohls. Dies bedeutet vor allem die Wahrung der Rechte und der Pflichten der menschlichen Person. Die aktive Teilnahme der Bürger am öffentlichen Leben gehört zur Würde ihrer Person. Da­durch können die Bürger umso besser erfahren, was zum Gemeinwohl gehört.

Die Kirche hat nicht nur das Recht und die Pflicht, die Glaubens- und Sittenlehre zu schützen, sondern sie muss auch in konkreten Fällen ihre Autorität im Bereich diesseiti­ger Dinge einsetzen, wenn kirchliche Lehre ein Urteil not­wendig machte[20]. Könnte dies angesichts der Verbreitung von Diktaturen, seien es die von Personen oder Gruppen, in vie­len Ländern der Welt nicht notwendig sein? Wie glaubwürdig wäre doch die Kirche, wenn sie selbst Demokratie in diesen Ländern beispielhaft vorleben würde!

Das Zweite Vatikanische Konzil stellt gegenüber diesen Auffassungen keinen eigentlichen Fortschritt dar. Es wieder­holt nochmals das Recht der Staatsbürger, ihre Regierungsform selbst zu bestimmen. Die Kirche selbst ist an kein po­litisches System gebunden, sie ist aber Zeichen und Schutz für die Transzendenz der menschlichen Person[21]. Die Option für die Selbstbestimmung der Bürger über ihre Regierungs­form bleibt bestehen, Kirche muss aber auch in solchen Staa­ten tätig sein, die diesen Vorstellungen nicht entsprechen. Das ist die historische Realität. Hier hat sie dann aber für die Rechte und die Würde der Person einzutreten.

Johannes Paul II. spricht in seiner Enzyklika »Sollicitudo rei socialis« 1987 deutliche Worte. Er verurteilt den Totalita­rismus, mit dem eine gesellschaftliche Gruppe oder Partei das Führungsmonopol an sich reißt, »denn das führt zur Zer­störung des wahren Subjektcharakters der Gesellschaft und der Bürger als Personen ...«[22]

Ebenso deutlich ruft er dazu auf, korrupte, diktatorische und autoritäre Regime durch »demokratische Ordnungen der Mitbeteiligung« zu ersetzen. Er will, dass dieser Prozess sich ausbreite und verstärke; »denn die >Gesundheit< einer politischen Gemeinschaft - insofern sie sich ausdrückt in der freien und verantwortlichen Teilnahme aller Bürger am öffentlichen Leben, in der Rechtssicherheit sowie in der Ach­tung und Förderung der Menschenrechte - ist die notwen­dige Bedingung und sichere Garantie der Entwicklung >jedes Menschen und aller Menschen<[23]«.

Bisher ist in keinem Dokument der Kirche die demokrati­sche Ordnung als Garant der Menschenrechte und der Ent­wicklung des Menschen und der Menschheit so deutlich be­nannt worden wie in dieser Enzyklika. Sie ist es gegen alle totalitären, korrupten, diktatorischen und autoritären Sy­steme. Der Papst will, dass dies durch Mitbeteiligung und Subjektwerdung der Bürger erreicht wird.

Kardinal Ratzinger betonte, dass die Demokratie ein Pro­dukt aus der Verschmelzung von griechischem und christli­chem Erbe ist. Demokratie kann für ihn nur in diesen Grün­dungszusammenhängen überleben[24].

Die Aussagen der Kirche zur Demokratie in den letzten 100 Jahren zeigen eine deutliche Entwicklung von der Tole­rierung der Demokratie bis zu ihrer Propagierung als geeignetstem Weg zu einer gerechten Gesellschaft für jeden einzel­nen und alle Menschen. Durch die Schaffung demokratischer Ordnungen werde am ehesten der Subjektcharakter des Bürgers und seine Teilhabe am öffentlichen Geschehen ge­währleistet.

2.2. Der päpstliche Primat oder absolute Herrschaft?

2.2.1. Die alte Synodalverfassung und die Mitwirkung des Volkes bei Wahlen

Das Wort Synode kommt aus der griechischen Sprache (syn hodos) und bedeutet gemeinsamer Weg. Die Anfänge von Synoden sind ins 2. Jahrhundert zu verlegen[25]. Die ältesten Synoden waren Diözesansynoden. So ist der Osterfeststreit nicht durch ein Gesamtkonzil geklärt worden, sondern durch lokale Synoden. Dort wurde die Kollegialität der Bischöfe gepflegt. Diese war auch im Verständnis der Weihe durch ein Kollegium von Bischöfen dargestellt. Aufgabe dieser Synoden war es vor allem, kollegial einen gemeinsamen Weg zu finden. Themen waren liturgische, disziplinarische und Glaubensfragen. Synoden waren auch eine Art Gerichtsbarkeit. Durch Nicäa (325) kam das Reichsinteresse nach einer einheitlichen Kirche auch im Glauben immer mehr heraus. Nach wie vor war aber die Autorität der Ortsbischöfe entscheidend. Darüber erhoben sich so langsam bedeutende Zentren wie Rom, Antiochien, Alexandria und später Byzanz. Nach den ersten Universalkonzilien wurden Diözesansynoden, regionale Synoden in Kirchenprovinzen und Nationalsynoden teilweise fast regelmäßig durchgeführt. Besonders in Nordafrika hatten die Synoden eine große Bedeutung. Im lateinischen Mittelalter wurde das Wort Konzil und Synode oft wechselweise gebraucht.

Auf den Synoden wie Konzilien waren natürlich die Bischöfe die Repräsentanten der Kirche. Sie kamen aber durch die Wahl oder wenigstens Mitwirkung des Volkes zustande. Nach Origines wählt Gott selbst, aber bei der Wahl soll die Gemeinde zugegen sein damit der gewählt wird, der durch Gelehrsamkeit, Heiligkeit und Tugend hervorragt. Es musste ein einwandfreier Wahlmodus erfolgen, dabei schreibt auch Cyprian der Gemeinde eine Mitwirkung zu. Auch die Bischöfe der Provinz wirken mit. Der Wahlmodus in Nordafrika ist nach ihm dieser Brauch göttlichen und apostolischen Ursprungs. In der Kirchenordnung des Hyppolit (um 210) soll der zu weihende Bischof vom ganzen Volk gewählt sein. So wird es im 3. Jahrhundert gesehen[26]. Durch die Wahl wollte man wohl bei der sich heraushebenden Bedeutung des Amtes die Qualifizierung sichern. Hier sei nur auf die Wahl des Ambrosius zum Bischof von Mailand im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts, verwiesen, obwohl er erst Katechumene war oder die Wahl des Augustinus zum Presbyter, daraus wurde dann für ihn das Bischofsamt (um 395) im letzten Drittel des 4. Jahrhunderts und Martin wurde durch Volksgunst Bischof von Tours 371[27]. Ursprünglich erfolgte die Neubesetzung des päpstlichen Stuhls durch Klerus und Volk von Rom unter Mitwirkung der Nachbarbischöfe von Ostia, Albano und Porto. Papst Cölestin 1. (422-432) er­klärte: »Man soll keinen Bischof gegen den Willen des Volkes durchsetzen.«[28] Papst Leo der Große (440-461) schrieb: »Der allen vorstehen soll, soll von allen gewählt werden.« Der Bischof müsse vom Volk erbeten werden[29] Die Re­formbewegung der Jahrtausendwende forderte die freie Bi­schofswahl durch Klerus und Volk. Das Recht des Volkes wurde immer mehr von den staatlichen Machthabern usur­piert.

Seit dem Papstwahldekret von 1059 reduzierte sich dies auf die Kardinäle[30], obwohl 1079 Gregor VII. in der Laterankirche zum Papst ausgerufen wurde und erst dann vom Kardinal- und Stadtklerus gewählt wurde.

In der Befreiung der Kirche im Investiturstreit konnten sich die Domkapitel als Wahlgremien durchsetzen, der Einfluss der Laien und des niederen Klerus wurde ausgeschal­tet[31]. Zu einer rein innerkirchlichen Bestellung kam es aber nie. Innerkirchlich setzte sich der vom Staat her übernom­mene Feudalismus durch. Der Kompromiss des Patronats­rechts, bei dem der Grundherr den Pfarrer kürte, ist ein Sym­ptom dafür, wie dieses System sich in die Kirche eingearbei­tet hat. Die dem Volk zugehörenden Pfarreien wurden mehr und mehr zur Minderheit oder verschwanden völlig. Die Besetzung der geistlichen Ämter wurde trotz allen Redens von kirchlicher Freiheit zu einem »Deal« zwischen Adel und hö­herem Klerus, der seinerseits auch immer wieder aus dem Adel stammte.

Insgesamt ist die Frage des Wahlrechtes und der Mitsprache der Gemeinden auch eine Frage des Bildungstandes, dieser war im römischen Reich um Welten besser als in der fränkisch-germanischen Missionierung. Dort konnten die Menschen in der Regel nicht lesen und schreiben, das betraf oft auch Geistliche, die vielleicht mühsam die Messtexte lesen konnten, aber Latein keineswegs verstanden, vielleicht in der Landessprache, wenn vorhanden, einmal einen Predigttext verlasen. Als Minimalforderung für die Gläubigen wurde das Sprechen des apostolischen Glaubensbekenntnisses und des Vater unsers erwartet. Hier war dann wenige Mitsprache zu erwarten, obwohl es auch dort Formen der Mitsprache in Gerichten und Things gab, aber wohl weniger in der Kirche. Mitsprache und Teilhabe ist auch immer eine Frage des Bildungsstandes und der war in der Antike gut, hinzu kam die jüdische Tradition, bei der ja jeder Junge im Prinzip lesen können musste, um die Heilige Schrift zu lesen. Diese Tradition wirkte sicher noch eine Zeit lang in den Gemeinden nach. Auch das Wahlrecht kam ja wohl überwiegend aus den in jüdischen Gemeinden gewählten Presbyterien[32].

So waren also ursprünglich die Bischöfe durchaus Repräsentanten des Volkes, aber nicht deren Delegierte, ihre Vollmacht erhielten sie durch die Weihe von Gott. So vertraten sie dann ihre Gemeinden (ecclesiae) auf den Synoden.

Nach Nicäa (325) werden die Diözesan-, Metropolitan- und Regional- als Partikularsynoden teilweise zu regelmäßigen Einrichtungen vor allem in der afrikanischen Kirche. Hier wurde immer wieder um den gemeinsamen Weg gerungen. Später werden zu den Partikularsynoden noch die Provinzial (wohl auch Regionalsynoden), National- und Patriarchalsynoden gezählt[33]. Es ging dabei hauptsächlich um die Gemeinsamkeit in Glauben und Kirchenordnung.

2.2.2. Auf dem Weg zur Definition des Primates

Es kann in unserem Zusammenhang nicht darum gehen, um­fassend die Geschichte des päpstlichen Primates zu beschrei­ben. Hier sollen das Ergebnis einer Entwicklung dargestellt und die Beziehungen zu unserem Thema aufgegriffen wer­den. Dazu müssen aber doch einige Linien aufgezeigt wer­den, damit der Kontext des Primates besser zu begreifen ist. Klaus Schatz hat in seinem Buch »Der päpstliche Primat« die Entwicklungsstufen bis zur Definition des päpstlichen Primats ausführlich beschrieben. Die folgenden Ausführun­gen stützen sich auf diese Untersuchung[34].

In der ersten Phase, etwa im ersten und zweiten Jahrhun­dert, war die Kirche von Rom schon besonders geachtet. Dies war auch durch das Wirken der Apostel Petrus und Paulus und deren Gräber in Rom bedingt. Die römische Gemeinde wurde als ein Vorort der Frömmigkeit angesehen.

Als einzige »Apostelkirche« im Westen erhielt sie dann etwa ab 200 einen Vorrang in Fragen der Glaubenstradition vor allem für die Kirche des Westens. Sie schien in besonde­rer Weise gegen die Häretiker gefeit. Im Osterfeststreit im Jahr 195 nimmt der Bischof von Rom erstmals gesamtkirch­liche Aufgaben wahr[35]. Im Streit um die Gültigkeit der Ket­zertaufe (255/256) beruft sich der Papst auf die Vollmacht, die ihm gemäß Mt 16,18 zukomme. Er ist der Nachfolger des Petrus. Die römische Kirche war nicht berühmt durch ihre inhaltlichen Beiträge zu geistigen Auseinandersetzungen - das zeichnete die Ostkirche aus -, sie brachte immer wieder die Tradition ins Spiel.

In der kommenden Zeit spielte Rom eine immer bedeuten­dere Rolle in der kirchlichen Communio, vor allem der Ge­meinschaft der Bischöfe. Besonders in Not- und Streitfällen wurde solidarische Hilfe von Rom erwartet. Der Einfluss der Kirche von Rom war auch dadurch gegeben, dass sie mit 30.000 Mitgliedern im 3.Jahrhundert sehr groß war und 5 Prozent der Stadtbevölkerung umfasste. Sie war bis hin zur Armenfürsorge und zur Hilfe für arme Kirchen bestens orga­nisiert.

Seit Konstantin verschoben sich die Gewichte des Reiches nach dem Osten, nach Konstantinopel. Das bedeutete Kon­kurrenz zu Rom, auch in der Kirche. Es führte andererseits zu einer größeren Freiheit der Kirche des Westens von staat­lichem Einfluss, der sich im Verlauf der Kirchengeschichte ausgewirkt hat. Rom hatte nicht nur für die Westkirche einen Vorrang vom Ursprung, vom Apostel Petrus her. Dieser Vor­rang weitete sich dann zum Primat aus, der eine Garantie für die Begründung der gegenwärtigen Communio in der Tradi­tion der Kirche sein sollte. Die Kirche wollte nicht von außen her über sich bestimmen lassen, sondern in Konflikten in eigener Kompetenz entscheiden. Sie wollte ihre Streitfragen nicht vom Kaiser gelöst wissen, sondern selbst lösen. Als Ort solcher Entscheidungen bot sich aus der Tradition her Rom an. Über diesen Weg wahrte sie auch ihre Eigenständigkeit ge­genüber staatlichen Einflüssen. Die folgende Epoche ist ambivalent zu sehen. Die großen Konzilien wurden im Einvernehmen mit Rom abgehalten. Es kam aber in der Christologie zu erheblichen Auseinanderset­zungen, die letztlich zur Abspaltung von Alexandrien, einem der großen Patriarchate im Mittelmeerraum, führten. Unter dem Schutz des Kaisers erwuchs Rom im neuen Patriarchat von Konstantinopel eine erhebliche Konkurrenz. Alle Wider­stände Roms nutzten nichts. Es wurde zwar eine größere Unabhängigkeit vom Staat erreicht, der bis dahin erheblich mitgewirkt hatte, selbst wenn es um das Erreichen von dog­matischen Einigungsformeln ging. Große Konflikte zwischen Ost und West, in der Zeit zwischen 450 und 900, ließen die Einheit zerbrechen.

In diesen Spannungen kam es auch zu erheblichen Ausein­andersetzungen im Westen, als Papst Vigilius im Dreikapitel­streit unterlag und vom II. Konzil von Konstantinopel (553) exkommuniziert wurde. Er stimmte schließlich dem Konzil zu, auf dem der Westen nicht vertreten war. Das führte zu erheblichem Autoritätsverlust auch im Westen. Dieses Kon­zil wurde gesamtkirchlich anerkannt. Nach verschiedenen anderen Auseinandersetzungen zerbrach schließlich die Ein­heit im Photiusstreit 870. Die beiden Kirchen hatten sich auseinander gelebt. Rom war nicht in der Lage, die Einheit zu wahren. Die Frage, was dies für den Primat und seine Aus­legung bei einer Vereinigung bedeuten würde, ist theologisch noch ungeklärt. Es wird auch in römischen Kreisen die Auffassung vertreten, es gehe um jene Einheit, die im ersten Jahrtausend geherrscht habe. Ob dies Einfluss auf die Auslegung des Vatikanum I hat, muss abgewartet werden[36].

Im Westen bildeten sich Nationalkirchen. Besonders die fränkische Tradition hatte starke Beziehungen zu Rom, weil sie dort die Einheit in der Lehre gewährleistet sah. Das galt auch für die germanische Reichskirche, die aber zeitweise fast völlig in der Hand des Staates war. Die römische Kirche war im 9. Jahrhundert in einem so desolaten Zustand, dass sie durch Eingreifen der Kaiser geradezu gerettet werden musste. So kam es zu einer sehr engen Bindung von Kirche und Staat, die Bischöfe waren ja auch zugleich Reichsfürsten. Über das Eigenkirchenwesen wurde die Macht der Bischöfe auf die Pfarreien hin immer mehr reduziert[37]. Die alte Syn­odalstruktur der Bistümer zerfiel. Sie wurde unbedeutend neben dem eher königlichen Kirchenregiment.

Im Kloster von Cluny entstand um 1000 eine Gegenbewegung. Die Kirche sollte von staatlichem Einfluss frei werden, die Laien sollten bei der Bestellung von kirchlichen Ämtern ausgeschlossen und Kirchenbesitz in Händen von Laien sollte verboten sein. Dies alles hatte die Freiheit der Kirche (libertas ecclesiae) zum Ziel, die frei und unabhängig vom Staat, d. h. von den Landesherren, sein sollte.

Dem diente auch die intensive Weiterentwicklung des Kir­chenrechts, vor allem der Rechtsnormen, die die Macht des Papstes stützten. Sein Jurisdiktionsprimat wurde umfassend. Die Jurisdiktion war eigentlich in dieser Form mit ein Ergebnis der Vergabe von Ämtern durch Laien. Sie führten in den weltlichen Bereich ein (temporalia), die Bischöfe und der Papst in den geistlichen (spiritualia). So lautete dann auch die Kompromissformel nach dem Investiturstreit. Aus dem Einführen in die »spiritualia« ergab sich die so genannte geistliche Vollmacht, die Jurisdiktion. Am intensivsten wurde diese Entwicklung von Gregor VII. (1073-1085) ge­fördert. Es wurde sogar eine Überordnung des Papstes über den Kaiser beansprucht. Hinzu kam die Unfähigkeit der Lo­kalkirchen, ihre Probleme eigenständig zu lösen. Die römi­sche Kirche wuchs mit dem Papst zum Haupt der Kirche, von dem letztlich in der Kirche alles abhing. Damals entfaltete sich im Wesentlichen die umfassende Rolle des Papstes Im Kirchenstaat trat er zudem völlig in die Rolle eines mittelalterlichen Feudalherren ein.

Der Klerus entwickelte sich mehr und mehr zu einem ei­genen Stand, der streng abgehoben war von den Laien. Er machte die eigentliche Kirche aus. Die Laien wurden zu Un­tertanen und Betreuten und, soweit sie Mitsprache beanspruchten, sogar zu Feinden des Klerus. Der Klerus hatte eine Reihe von wichtigen Standesprivilegien, die den Antiklerikalismus immer wieder herausforderten.

Viele Entscheidungen, wie Heiligsprechungen, die liturgische Sprache usw., wurden nun nach Rom gezogen. Aus den Bettelorden rekrutierten sich die Theologen eines zentralistischen Kirchenbildes. Sie erhielten ja ihre Rechte gegen alle Traditionen vom Papst für den Bereich der gesamten Kirche, nicht wie üblich vom Bischof nur für eine Pfarrei. Sie betrie­ben Seelsorge quer zu aller herkömmlichen Kirchenstruktur und förderten so zentralistische Tendenzen.

Weihe und Jurisdiktion spalteten sich auf. Über den Juris­diktionsbegriff erhielt der Papst einen erheblichen Machtzu­wachs. Es konnte sogar der Eindruck entstehen, dass die Ju­risdiktion wichtiger als die Weihe sei. Dieses Jurisdiktions­verständnis war die Voraussetzung für den Zentralismus, der heraufkam und immer mehr an Bedeutung gewann. An die Stelle eines Kirchenverständnisses von der »Communio« her trat ein universaler und zentralistischer Kirchenbegriff. Die­ser Prozess wirkt auch heute nach dem Zweiten Vatikani­schen Konzil unvermindert fort.

Trotz des Machtzuwachses waren die Päpste in der folgen­den Zeit nicht in der Lage, Schismen von der Kirche abzuwehren und zügig Reformen durchzuführen. Konzilien wurden einberufen, um der Kirche aus ihren Schwierigkeiten zu helfen. In der Reformation erwiesen die Päpste ihre Unfähigkeit, rechtzeitig Reformen in die Wege zu leiten.

In Zusammenhang mit Aufklärung und Gallikanismus wurden auch in Deutschland Thesen vertreten, die das Volk als Souverän und den Papst als einen Delegierten des Bi­schofskollegiums sahen. Febronius (der Trierer Weihbischof Hontheim) hatte diese Thesen zusammengestellt und geriet prompt auf den Index. In der Emser Punktation, an der 1786 die Vertreter der Kur-Erzbischöfe und des Erzbischofs von Salzburg teilnahmen, wurden diese Gedanken bekräftigt.

Die Französische Revolution schwächte zunächst die päpstliche Gewalt, zerstörte aber zugleich die Nationalkir­chen und führte - ungewollt - längerfristig das Papsttum zu neuer Höhe. Es entstand der Ultramontanismus, in Deutschland von Görres vertreten. In diesen Gedankenkreis gehörte vor allem von Frankreich her die völlige Souveränität der Kirche, die die Unfehlbarkeit notwendigerweise beinhalten sollte. Die Kirche sollte zu einer Art eigenständiger, in sich autarker Gesellschaft werden. Das Papsttum entwickelt sich unter Pius VII. zügig zum Monarchismus[38]. Gefordert wurde auch die Trennung von Kirche und Staat, die nicht nur der Kirche, sondern auch den Menschen mehr Freiheit bringen sollte. Die Stärkung der Autorität des Papsttums wurde als ein Ausdruck der Freiheit und Eigenständigkeit der Kirche (libertas ecclesiae) gesehen. So kam es schließlich zum Ersten Vatikanischen Konzil und der Dogmatisierung des Primates. Was beinhaltet dieser nun?

2.2.3. Die Autorität des Papstes

Hier wird keine historische Begründung versucht, noch die Diskussion des Konzils nachgezeichnet. Zuerst sollen die we­sentlichen Inhalte der Konstitution »Pastor aeternus«, die am I8. Juli 1870 in Abwesenheit der Minderheit der bereits abgereisten Konzilsväter verabschiedet wurde, dargelegt werden. So lehrte denn das Konzil bezüglich des Jurisdik­tionsprimates: »Wer also sagt, der römische Bischof habe nur das Amt einer Aufsicht oder Leitung und nicht die volle und oberste Gewalt der Rechtsbefugnis über die ganze Kirche - und zwar nicht nur in Sachen des Glaubens und der Sitten, sondern auch in dem, was zur Ordnung und Regierung der über den ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche gehört; oder wer sagt, er habe nur einen größeren Anteil, nicht aber die ganze Fülle dieser höchsten Gewalt, oder diese seine Gewalt sei nicht ordentlich und unmittelbar, ebenso über die gesam­ten und die einzelnen Kirchen wie über die gesamten und einzelnen Hirten und Gläubigen, der sei ausgeschlossen.«[39]

Die Lehre von der Unfehlbarkeit wird wie folgt definiert: »Wenn der römische Bischof in höchster Lehrgewalt (ex cathedra) spricht, das heißt, wenn er seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen waltend, in höchster apostolischer Amtsgewalt endgültig entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen Kirche festzuhalten, so besitzt er aufgrund des göttlichen Beistandes, der ihm vom hl. Pe­trus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen in Glaubens- und Sittenlehren ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen Entscheidungen der römischen Bischöfe sind daher aus sich und nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich.«[40]

Der Hauptstreitpunkt war beim Ersten Vatikanischen Konzil die Frage nach der Unfehlbarkeit des Papstes. Diese wird auch das authentische Lehramt des Papstes genannt. In den über einhundert Jahren seit dem Konzil hat aber nur ein Papst davon Gebrauch gemacht. 1950 erklärte Papst Pius XII. die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel zum Dogma der Kirche. Viel bedeutender wurde das ordentliche Lehramt. In dieser Zeit wurde die katholische Soziallehre entwickelt, sicher ein großartiges Werk. Eine Fülle von ande­ren päpstlichen Äußerungen - sei es in Enzykliken oder An­sprachen - ergeht mit steigender Tendenz. Auch hier übt der Papst sein Lehramt aus. Die Massenmedien machen die schnelle Verbreitung von päpstlichen Äußerungen möglich. In der jüngeren Zeit führen diese auch zu innerkirchlichen Auseinandersetzungen, wie sie z.B. zu einigen Fragen der Ehemoral seit über 2o Jahren nahezu selbstverständlich ge­worden sind. Die Enzykliken seit Leo XIII. sind nicht mehr einfach die Verwerfungen von Irrtümern, sondern sie wol­len Wegweisungen geben. Damit stellen sie sich aber auch der Auseinandersetzung.

Von größerer Bedeutung als die päpstliche Unfehlbarkeit in Fragen der Lehre ist der Jurisdiktionsprimat geworden. Seit dem Ersten Vatikanischen Konzil hat der Vatikan einen erheblichen Machtzuwachs erlebt. Rom konnte z. B. nahezu überall die uneingeschränkte Einsetzung der Bischöfe durch­setzen, womit die Möglichkeit einer bestimmten Personalpo­litik gegeben ist. Im Bereich der Lehrstuhlbesetzungen übt der Vatikan erheblichen Einfluss aus. Die römischen Behör­den haben eine bedeutende Machtfülle erreicht. Es erfolgt eine massive Konzentration auf die Person des Papstes, auch optisch, z. B. durch seine Reisen.

Bei aller Betonung eines nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erneuerten Kirchenbegriffes scheint es doch viele Tendenzen zur Verstärkung des Kirchenbegriffes des Ersten Vatikanischen Konzils zu geben. Heinrich Fries sieht den problematischen Zustand der Kirche wesentlich von innen bedingt. Die heutige Darstellung des Petrusamtes habe wenig mit den Gedanken der Communio (Gemeinschaft) und des Volkes Gottes, die für das Zweite Vatikanische Konzil nach Auffassung von vielen Bischöfen so be­deutsam waren, zu tun. Dieses hatte ein hohes Maß an Zu­stimmung und Glaubwürdigkeit bewirkt. Das habe sich heute oft in das Gegenteil verkehrt[41].

2.3. Anfragen an das Erste Vatikanische Konzil

Wurde mit der Primatserklärung in der Kirche eine absolute Monarchie begründet? Sicher sind einige Elemente einer sol­chen Monarchie in diesen Definitionen enthalten. Der Papst ist höchste kirchliche Autorität gegenüber den Einzelkirchen und Einzelgläubigen. Über ihm gibt es keine Berufungsin­stanz. Auch die Unfehlbarkeit ist an keine Zustimmung ge­bunden. Sie dient aber der Kirche, hat das Evangelium zur Grundlage und Jesus Christus als den eigentlichen Herrn. Hier liegen die Grenzen eines angenommenen päpstlichen Absolutismus. Leider ist aber immer wieder der Eindruck entstanden, dass es sich in der Praxis tatsächlich um eine absolute Monarchie handele.

Hat nun die Kirche im Ersten Vatikanum die Restaurierung rezipiert zu einem Zeitpunkt, da sie schon nahezu wieder vor­über war? fragt man sich. Im Zweiten Vatikanum habe sie dann die Französische Revolution bezüglich der Menschen­würde aufgearbeitet und rezipiert. Ist also die Kirche der ewi­ge »latecomer« (Zuspätkommer)? Bezüglich der eigenen Strukturen ist diese Problematik keineswegs aufgearbeitet.

In dem für den Staat geltenden Verständnis von Demokra­tie auf der einen und dem monarchischen Verständnis von Lei­tung der Kirche auf der anderen Seite liegt die Wurzel des Konfliktes, der sich im Innern moderner gläubiger Menschen abspielt. Sie wollen gläubige Menschen und zugleich Demo­kraten sein. Alle Gewalt geht vom Volke aus. In der Kirche aber gibt es ein Gewaltmonopol des Papstes. Wie geht das zu­sammen? Nach demokratischem Verständnis gehört die akti­ve Teilhabe am Staat zur Würde des Menschen, zum Aus­druck seiner Freiheit. Wie ist es damit in der Kirche bestellt?

Es ist deshalb an der Zeit, sich mit der Freiheit der Christen als wesentlichem Teil ihrer Christenwürde auseinander zusetzen und zu fragen, wie diese zu verste­hen ist und wie sie sich in der Kirche verwirklichen lässt.


3. Die Auslegung des biblischen Freiheitsbegriffes in die moderne Freiheitsgeschichte

3.1. Zur Frage nach der Freiheit

Die neuere Geschichte ist von der Freiheitsfrage bewegt. Ge­rade wir in Deutschland haben in der jüngsten Vergangen­heit erlebt, welche Kräfte diese Frage freisetzen kann. Die Menschen haben mehr und mehr verstanden, was Freiheit für ihr eigenes Selbstverständnis bedeutet. Sie möchten nicht mehr darauf verzichten.

Damit ist aber noch keineswegs gesagt, was denn nun Frei­heit in ihrem innersten Wesen ist. Ist es Gedankenfreiheit, ist es die Freiheit zu tun und zu lassen, was man will, ist es die Freiheit von Unterdrückung und Ausbeutung? Freiheit reali­siert sich in die verschiedensten Formen hinein. Im Kern meint sie immer das Selbstbestimmungsrecht des Menschen. Diese Selbstbestimmung äußert sich im öffentlichen Bereich durch Mitbestimmung. Den Fragen soll weiter nachgegan­gen werden.

Freiheit ist ein hohes Gut, das nicht gefährdet werden darf. Auf dieses Gut haben alle Menschen Anspruch. Wie aber sieht es damit auf der weiten Welt aus? In vielen Ländern herrscht alles andere als Freiheit. Die Diktaturen herrschen weithin ungebrochen. Der Freiheitsaufbruch scheint fast schon wieder vorbei zu sein. Hier erwächst für uns eine Ver­antwortung für die Freiheit der Menschen auf der ganzen Welt. Die Welt ist eine Welt, und der Anspruch auf Freiheit ist deshalb auch unteilbar.

Freiheit ist auch für die Kirche ein hohes Gut. Sie muss um der Menschen willen ein Hort der Freiheit sein. Für die Kirche gipfelt die Freiheit in der Religionsfreiheit, sie muss aber auch gestehen, dass sie selbst in ihrer Geschichte massiv da­gegen verstoßen hat[42]. Wie aber kann sie selber Freiheit für die Religion fordern, wenn ihre Glieder in ihrem Bereich selbst nur wenig Mitbestimmungsrechte auf diese Gemein­schaft hin haben? Dies wird sie sich durchaus fragen lassen müssen. Hier soll ermittelt werden, wie Kirche und Freiheit von ihrer Stiftung her in Beziehung stehen und wie die Selbstbestimmung des Menschen gesehen wird. Dies bein­haltet dann auch die Frage nach der Mitbestimmung in der Kirche.

3.2. Der biblische Freiheitsbegriff

Freiheit ist im Alten Testament zuerst einmal die Freiheit im Gegensatz zur Sklaverei[43]. Es gibt eine Fülle von Regeln für die Behandlung von Sklaven. Eine besondere Rolle spielten dabei hebräische Sklaven. Diese sollte es eigentlich nicht geben: »Denn sie sind meine Knechte; ich habe sie aus Ägypten herausgeführt; sie sollen nicht verkauft werden, wie ein Sklave verkauft wird« (Lev 25,42). Die Realität war aber eine andere. Es gab eine Art Leibeigenschaft, aber auch Sklaverei. Diese sollte nach sechs Jahren beendet sein. »Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, soll er sechs Jahre Sklave blei­ben, im siebten Jahr soll er als freier Mann entlassen werden« (Ex 21,2).

Die Freilassung von Sklaven spielt eine wichtige Rolle. Sie wird damit begründet, dass Israel von Gott aus dem Sklavenhaus Ägypten befreit wurde (vgl. Den 15,15-18).

Freiheit bedeutet in diesem Zusammenhang das Freisein von Sklaverei für den einzelnen, aber auch die Freiheit des Volkes von Unterdrückung. Im befreienden Handeln Gottes an seinem Volk hat die Freiheit Israels ihren Ursprung.

»Emancipation« meint in der Antike das Werden des Menschen von einer Ware (e mancipium dare=aus der Hand geben) zu einem freien Wesen. Zuerst ist dies die Entlassung eines jungen Menschen aus der Erziehungssituation in die eigene Freiheit. Dann meint es auch die Befreiung der Sklaven. Der Mensch wird aus einer Sache zu einer Person[44]. Aus biblischer Sicht wird durch das Handeln Gottes das Volk in seine Freiheit geführt. Das he­bräische Wort für »Herausführen« meint dasselbe wie die Emanzipation von Sklaven in der Antike[45].

In der Zeit des babylonischen Exils wird von Deuterojesaja die Freiheit von der Fremdherrschaft und der Zwangs­arbeit verkündet. Das Volk wird wieder frei werden und in die Heimat zurückkehren[46]. Es wird mit einem Heil der Men­schen auf dieser Erde gerechnet für Seele und Leib.

Dann wird es eine neue Wirklichkeit geben. Das Gesetz wird dem Menschen verinnerlicht, von Gott ins Herz ge­schrieben, keiner muss den anderen weiterhin belehren. Alle werden Gott erkennen (vgl. Jer 31,33fl). N. Lohfink fragt dazu: »Angekündigte Herrschaft Gottes also als Aufhebung jeder Art von menschlicher Herrschaft und Bevormundung, neue Unmittelbarkeit, Ende jeder Entfremdung?«[47] Er bejaht diese Frage. Dies könnte die Vision einer neuen Gesellschaft sein, deren Kommen die Propheten ankündigten.

Das Alte und das Neue Testament nehmen die Willensfrei­heit des Menschen an. Der Mensch kann aber durch sein Sündigen zum Sklaven der Sünde werden. Er bringt sich selbst in eine Situation der Unfreiheit hinein[48]. Diese Unfrei­heit wird als nicht dem Menschen gemäß erfahren. Dies betont dann wieder, dass die Freiheit zu den hohen Gütern des Menschen gehört. »Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen« (Gal 5,1)! Der Zustand der Unfreiheit im eigenen Handeln ist ein würdeloser Zustand, nur der Sklaverei vergleichbar.

Diese Befreiung durch Christus ist eine Befreiung vom Gesetz, von der Sünde und vom Tod. Die Freiheit ist eine Berufung durch Christus (vgl. Gal 5,13). Sie macht frei zu einem neuen Leben in der Liebe. Ein alter ererbter Lebens­stil der Unfreiheit und Sünde hat ein Ende, ein neuer Lebensstil in Christus ist begründet. Von ihm sind wir befreit zur Liebe (vgl. 1 Petr 1,18-22). Es geht um ein neues Leben, das sogar Freiheit gegenüber dem Tod verheißt. Diese neue Freiheit regelt die Beziehungen der Menschen untereinander in Liebe. Sie hat sogar befreiende Wirkung auf die Schöpfung, die auf das Offenbarwerden der Freiheit der Kinder Gottes wartet (vgl. Röm 8,20-24). Die Freiheit wird zum inneren Kern eines neuen Lebens in einer befreiten Welt.

Im Neuen Testament wird deutlich, dass der Mensch seine Freiheit nur in der Liebe zum Nächsten realisieren kann. Er ist in seiner Freiheit auf diesen hin angelegt. Freiheit verwirk­licht sich zwischen freien menschlichen Personen nach dem Maßstab der Liebe. Dies weist noch einmal darauf hin, dass wir durch Gottes Liebe befreit sind.

»Die Wahrheit wird euch frei machen« (Joh 8,32), meint die Befreiung des Menschen durch Gott in Jesus Christus. Er ist die befreiende Wahrheit. Alle anderen Wege führen in Knechtschaft und Sünde. Es geht hier um keine philosophi­sche Wahrheit, sondern um die Person und die befreiende Botschaft Jesu. Wer ihm glaubt und ihm nachfolgt, der ist durch ihn befreit[49].

Gottes Handeln befreite und befreit den Menschen. Gott will einen freien Menschen, der fähig ist zur Liebe gegenüber dem Nächsten. Sklaverei und Unfreiheit sind keine Zeichen eines menschenwürdigen Lebens, so wie Gott es will. Er will den freien aufrechten Menschen, der aus innerer Entschei­dung heraus sich für den Nächsten einsetzt. Daraus erwächst auch die Anfrage nach Lebensumständen, die diese Freiheit

3.3. Der Freiheitsbegriff der Antike

Der politische Freiheitsbegriff des klassischen Griechenlands beinhaltete auch das Freisein von Sklaverei. Es gab aber eine Kontroverse, ob der Sklave überhaupt frei sein könne. Ari­stoteles war der Auffassung, dass dieser von Natur aus unfrei sei. Freiheit spielte sich für ihn nur im Rahmen der Polis, des griechischen Gemeinwesens ab. Der gelungene Staat war der mit der größten Freiheit und Macht. Dies war für Aristoteles die Politie, wir würden es heute Demokratie nennen. Der Kern ist die innere Ordnung der Polis, der Nomos, das Ge­setz. Unter ihm kann die Freiheit zur Geltung kommen. Sie vollzieht sich in der abwechselnden Herrschaft der Bürger. Die Demokratie ist der beste Garant der Freiheit[50].

Im Hellenismus wird die Freiheit zu einem weltanschauli­chen Begriff. Sie löst sich von ihrem politischen Kontext und wird zur grundsätzlichen Freiheit des Menschen, der nur noch vor seinem Gott steht. Der Mensch verfügt nur über sich selbst. In der Weiterentwicklung dieses Verständnisses kommt dann die völlige Freiheit des Menschen von allem, was ihn zwingen will, auch aus seinem Innern heraus. Es ist die Freiheit von der Leidenschaft, ja letztlich sogar die Freiheit vom eigenen Leben. Der Mensch löst sich völlig von dem ihn umgebenden Kosmos und wird dadurch in die letzte Freiheit geführt. Auf diese Weise kann der Stoiker ein Sohn Gottes, ja Gott selbst werden[51].

In dieser Form der Freiheit wird der Mensch letztlich unfähig, ein Sozialwesen zu sein. Er hat zwar die grundsätzliche Freiheit, aber nicht die Fähigkeit, mit anderen in gestalteter Freiheit zu leben. Er braucht diese äußere Freiheit auch gar nicht, denn nichts kann ihn von seiner innerlichen Freiheit abbringen. Dahinter mag zwar ein hohes Maß an religiösem Ethos stehen, aber diese Freiheit ist letztlich nicht fähig zur Weltgestaltung in Liebe. Nur ist und bleibt sie eine Versu­chung religiöser Menschen, um Unfreiheit innerlich abzu­schütteln, ohne etwas ändern zu wollen. Sie kann auch ein Ablenkungsmechanismus von Systemen werden, die keine Freiheit der gesellschaftlichen Gestaltung gewähren wollen. Biblisch ist dieses Verständnis jedenfalls nicht.

3.4. Der Freiheitsbegriff im Verlaufe der Kirchengeschichte

Der Freiheitsbegriff in der Kirche hat sich sehr schnell auf die Frage reduziert, ob der Mensch vor Gott frei sei. Die Frage der Religionsfreiheit wurde mehr und mehr negativ beant­wortet, die Frage nach der Sklaverei und der politischen Frei­heit nie radikal und umfassend gestellt.

Es gab zwar bei Augustinus einige Zweifel bezüglich der Wahlfreiheit des Menschen nach dem Sündenfall, letztlich wurde sie aber trotz aller Angriffe immer durchgehalten. Man war sich zwar klar darüber, dass sie von der Erbsünde getrübt, aber im Prinzip in der Natur des Menschen nach wie vor gegeben sei. Darin unterschied sich die katholische Kir­che auch von der Lehre Luthers und vieler Reformatoren, die eher auf die pessimistischen Traditionen des Mittelalters zu­rückgriffen[52]. Die katholische Kirche trat für die moralische Verantwortlichkeit der Entscheidung des Menschen ein, für seine subjektive Freiheit, wenn sie sich auch deren Grenzen durchaus bewusst war.

Mit der Religionsfreiheit des Menschen hatte die Kirche schon erheblich mehr Schwierigkeiten. Könnte denn der Irr­tum ein Recht haben, neben der Wahrheit zu existieren?

In einer Zeit der Verfolgung durch staatliche Institutionen wurden Zwangsmaßnahmen gegen Häretiker eher abge­lehnt. Die Christen insgesamt standen ja unter Druck. Leider waren die Stellungnahmen nicht immer eindeutig. Als das Christentum von einer unbedeutenden Gruppe zur führen­den Religion und nach Konstantin zur Reichskirche wurde, änderte sich diese Einstellung nicht unerheblich. Jetzt konnte ja die staatliche Macht gegen die Häretiker und Schismatiker eingesetzt werden. Martin von Tours sprach sich noch dage­gen aus. Augustinus (+430) setzte sich im Streit mit den Donatisten zuerst konsequent für den Dialog ein. Als es trotz­dem, von den Donatisten hervorgerufen, zu erheblichen Aus­einandersetzungen kam, verließ er seine Linie und billigte der staatlichen Gewalt zu, dass sie, bei »Wahrung der Liebe«, Druck gegen Häretiker ausüben dürfe, die Todesstrafe ausgenommen. Dies mag zwar aus der damaligen Situation verständlich sein, hat aber für die kommenden Jahrhunderte bei der Bedeutung des Augustinus verheerend gewirkt. Er musste zur Legitimation der schlimmsten Entwicklungen herhalten[53].

Die Kirche rief die Staatsgewalt gegen Häretiker und Schismatiker an. Ihnen wurden die Kirchen abgenommen? sie wurden des Landes verjagt oder mit anderen Strafen be­legt. Damit griff der Staat in die Freiheit der Religion seiner Bürgerinnen und Bürger ein.

Es dauerte nicht mehr lange, bis die Todesstrafe gefordert und auch vom Staat verhängt wurde. Thomas von Aquin führte aus: »die weltliche Obrigkeit hat das Recht, die Häre­tiker in den Tod zu schicken, selbst wenn sie andere nicht gefährden, denn sie sind Lästerer gegen Gott, weil sie einem falschen Glauben folgen.«[54]. Die kirchliche Gesetzgebung hatte ähnliche Aussagen zu Richtlinien gemacht. In der Inquisition schuf sie eine Einrichtung, mit der von Amts wegen Häretiker aufgespürt wurden. Bei den damaligen Kriminalverfahren war Folter selbstverständlich, weil ohne Geständnis niemand verurteilt werden durfte. Die Frage nach der Freiheit eines Geständnisses wurde zumeist nicht gestellt.

Auch die Reformatoren, die ja für sich die Religionsfreiheit forderten, verlangten vom Staat, dass er z. B. die Wiedertäu­fer verfolge. Das »cuius regio, eius religio« (wem die Herrschaft, dem die Religion) führte zur Vertrei­bung von Menschen bis ins neunzehnte Jahrhundert (1859 Schweden). Dies war damals allgemeine Auffassung bis zur Aufklärung und zur Französischen Revolution. Noch Leo XIII. wünschte den Staat, in dem die Bürger eine einzige Religion hätten. Andere Religionen könnten nur unter gewis­sen Umständen als hinzunehmendes Übel geduldet werden. Dabei sollten natürlich katholische Minderheiten den vollen Schutz des Staates haben. Pius XII. endlich billigte 1953 dem Staat das Tolerieren anderer Religionen zu. Es wurde jedoch keineswegs gesagt, dass der Irrtum gegenüber der Wahrheit ein Recht habe, sondern der Staat könne aus über­geordneten Gründen von Maßnahmen dagegen absehen[55]. Dies war schon ein erheblicher Fortschritt. Der Durchbruch zu einer neuen Einstellung kam erst später beim Zweiten Vatikanischen Konzil

Das Verhältnis der Kirche zur politischen Freiheit der Bür­gerinnen und Bürger im Staat gestaltet sich meist nach den herrschenden politischen Auffassungen. Nur mühsam rang sie sich zu einem positiven Verständnis der Demokratie durch. (Diese Entwicklung wurde ja schon im 2. Kapitel dar­gestellt). Die Rechte der Untertanen im Staat waren je nach Staatsverfassung unterschiedlich geregelt. Das wurde auch naturrechtlich begründet. Andererseits waren es aber vor al­lem Naturrechtler, die den Staat immer wieder auf die Grenzen seiner Macht hinwiesen und die naturgegebenen Rechte des Menschen einforderten[56].

Eigentlich hätte nach alttestamentlichem Verständnis eine Sklaverei in Israel kein Recht gehabt, zumal wenn es sich um Mitglieder des eigenen Volkes handelte. Paulus machte im Brief an Philemon deutlich, dass die Unterschiede zwischen Sklaven und Freien grundsätzlich aufgehoben seien, er zog daraus aber die verkehrten Konsequenzen und schickte den entflohenen Philemon wieder zurück. Auch Thomas von Aquin akzeptierte die Sklaverei als ein aus dem Naturrecht sich sekundär ergebendes Ordnungsrecht. Dies wurde zum Berufungsfall durch die Geschichte bis hin zur Versklavung der Schwarzen für die Plantagen der Weißen in Amerika.

1537 erschien eine Bulle gegen die Versklavung der India­ner. 1462, 1639 und 1741 erfolgten Erlasse gegen die Sklaverei[57]. Ähnlich ging es mit den abgemilderten Formen der Sklaverei wie Schuldknechtschaft und Leibeigentum. Diese waren auch in Deutschland unter der Landbevölkerung weit verbreitet.

Abgesehen von den Stellungnahmen zur Sklaverei kam die Kirche mit ihrem Freiheitsverständnis immer sehr viel später als andere Institutionen. Lange Zeit hat sie im Grunde nur die innere Freiheit des Menschen und vor allem die daraus sich ergebende Verantwortung des Menschen vor Gott ak­zeptiert. Das war sicher kein Ruhmesblatt in ihrer Ge­schichte. Es sollte sie motivieren, sich sehr intensiv für die Freiheit des Menschen auch in ihren eigenen Institutionen einzusetzen. Wenn sie sich nicht stärker für die Emanzipation der Christen in ihrer Institution einsetzt, dann ist zu befürch­ten, dass sich die Christen langsam aber sicher von ihr emanzipieren.

3.5. Die neuere Freiheitsgeschichte der Menschen

Mit der Neuzeit setzt ein Wandel des Menschen- und des Weltverständnisses im Verhältnis zueinander ein. Der Mensch tritt aus seiner Eingebundenheit in ein nahezu ge­schlossenes gesellschaftliches System heraus und fängt an, sich als Individuum zu verstehen. Im Maße des Wachsens der Ich-Identität des Menschen verändert sich auch sein Ver­hältnis zu gesellschaftlichen Größen, ja verändern sich diese Größen. Die »Wir-Ich-Balance« verschiebt sich zugunsten des »Ich«, aber auch das »Wir« bekommt neue Kategorien der Verbindlichkeit, vor allem in der Machtbegrenzung und der grundlegenden Gerechtigkeit für alle[58]. Das »Wir« erhält globalere Bezüge. Dem muss ein hohes Selbstbewusstsein des »Ich« entsprechen, damit es darin nicht untergeht oder sich völlig machtlos fühlt, sondern seine Individualität noch mehr ausprägt. Es ist das Elend von Großinstitutionen, dass es ih­nen nicht gelingt, bei ihren Mitgliedern das Bewusstsein ho­her Partizipation zu wecken. Es geht nicht um ein »Contra«, sondern um eine Balance. Diese kann heute nicht mehr ein­seitig auf dem Befehlsweg erreicht werden, sondern nur durch die Möglichkeit der Partizipation des »Ich« am »Wir«.

Phasen der Herausbildung eines neuen Bewusstseins des Menschen waren zum einen die Reformation mit dem Ansatz von der Rechtfertigung des einzelnen Menschen allein durch den Glauben. Durch die Unfähigkeit der Großkirche, die neuen Entwicklungen aufzugreifen und rechtzeitig zu verar­beiten, kam es zum Bruch.

Zum anderen wurde vor allem in der Aufklärung die Würde des Menschen herausgearbeitet. Die Freiheit des Menschen wurde in seiner unveräußerlichen Würde begrün­det. Dieses Gedankengut hat vorwiegend in der Französi­schen Revolution seine Auswirkung gehabt.

Bevölkerungsgruppen, die religiös eigene Wege gehen wollten, wanderten nach Amerika aus und hatten dort von ihrem christlichen Selbstverständnis her Einfluss auf die De­klaration der Menschenrechte.

Die Kirche stand weit bis ins 20. Jahrhundert abseits, ja sogar ablehnend, dieser Freiheitsentwicklung gegenüber. Sie hätte eigentlich verstehen müssen, dass hier urchristliches Gedankengut zum Durchbruch kommt. Aber sie hatte und hat eine große Skepsis gegen diese Neuerungen, deren Gründe zwar theoretisch weithin akzeptiert sind, praktisch aber immer noch in nicht unerheblichem Umfang beunruhi­gend wirken.

Erstaunlich ist in der jüngeren Geschichte die Beteiligung, ja sogar führende Rolle der Kirche an der Befreiungsbewe­gung in Lateinamerika. Hier wurde vom Gedanken der Be­freiung des Volkes Israels aus dem Sklavenhaus Ägyptens her eine befreiende Pastoral und Theologie aufgebaut. Diese Theologie hat die Zustimmung der lateinamerikanischen Bi­schofskonferenz gefunden und ist auch im Kern von Rom aus akzeptiert[59].

Hingewiesen sei auch auf die Beteiligung der Kirche und der Katholiken bei den Freiheitsbestrebungen im Osten. Die Kirchen waren oft der einzige gesellschaftliche Freiraum, von dem aus sich Opposition entwickeln konnte. Sie haben weit­hin diese Aufgabe wahrgenommen. In entscheidenden Pha­sen der polnischen Freiheitsentwicklung hat hier das Wirken des Papstes große Bedeutung gehabt.

Die Zukunftsforscher weisen darauf hin, dass in einer um­fassenden Informationsgesellschaft die Bedeutung des einzel­nen noch mehr wächst. Die Möglichkeit zur Selbstbestim­mung wird sich steigern. Nicht-demokratisierte Systeme werden dadurch in erhebliche Legitimationsschwierigkeiten kommen. Deshalb wird die Frage nach der Demokratie in der Kirche nur noch drängender.

3.6. Die Erneuerung des Freiheitsbegriffes durch das Zweite Vatikanische Konzil

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) stellt in vieler Beziehung eine Wende in der neueren Geschichte der Kirche dar. Sicher war manches davon schon vorbereitet. Gerade die innerkirchlich konservativen Kritiker haben deutlich er­kannt, was sich hier geändert hat, und gegen viele Positionen des Konzils gekämpft. Sie machten vor allem Front gegen das Verständnis von Freiheit und die damit ihrer Meinung nach herabgesetzte Bedeutung von Autorität. Dabei haben sie selbst dann oft durch ihr Wirken diese Autorität am mei­sten in Frage gestellt.

In der Kirchenkonstitution wird den Hirten der Kirche empfohlen, den klugen Rat der Laien zu nutzen. Sie sollen ihnen vertrauensvoll Aufgaben im Dienst der Kirche über­tragen und ihnen Freiheit und Raum im Handeln lassen, ihnen aber auch Mut machen, aus eigener Initiative Werke zu beginnen. Die Hirten werden aufgefordert, die bürgerliche Freiheit ihrer Gläubigen sorgfältig anzuerkennen[60]. Hier wird die Freiheit nach innen und außen angesprochen, Die Freiheit im bürgerlichen Bereich wird respektiert. Den Laien soll in der Kirche ein Freiheitsraum des Gestaltens gelassen werden. Dabei gibt es übertragene Aufgaben und solche, die die Laien eigenständig vollbringen.

Die Sprache klingt eher noch zögerlich. Sie ist sogar patri­archalisch, wenn den Bischöfen geraten wird: »Mit väterli­cher Liebe sollen sie Vorhaben, Eingaben und Wünsche, die die Laien vorlegen, aufmerksam in Christus in Erwägung ziehen.«[61] Die Möglichkeit zur freien Gestaltung ist gegeben, Freiheit dazu soll gewährt werden. Es wirkt zuerst eher wie die Freiheit, die eine Erzieherin den Kindern im Kindergar­ten gewährt. Es sind aber die ersten Versuche, den neu gewonnenen Standort im Verständnis der Laien auch praktisch werden zu lassen. Diese bedurften noch einer deutlicheren Ausgestaltung. Die postkonziliaren Gremien in Deutschland waren dazu ein erster Schritt. Ansätze zur Freiheit in der Mitgestaltung für Laien werden aufgezeigt. Die Laien sind nicht mehr einfachhin Objekte kirchlichen Handelns. Dass sie zu ernsthaften Subjekten des Handelns werden, bedarf aber erst noch der Einlösung.

Die Pastoralkonstitution über »Die Kirche in der Welt von heute« beschäftigt sich mit der Wahlfreiheit des Menschen[62]. Gewissen und Freiheit werden behandelt. Zu diesen Aussa­gen hat sicher auch das Wirken Kardinal Newmans beigetra­gen. Nach ihm steht das eigene Gewissen vor dem Papst als Ausdruck für den bindenden Anspruch der kirchlichen Autorität[63]. »Das Gewissen ist die verborgene Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist.«[64] In diesem Gewissen wird das Gesetz erkannt, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat. Diesem Gewissen ist zu gehorchen, auch wenn es irrig sein sollte. Durch das Ge­wissen sucht der Mensch nach Lösungen, die sich in seinem Leben ergeben. Dabei hat er sich stets um die Erkenntnis des Wahren und Guten zu bemühen.

Danach spricht das Konzil von der »hohen Bedeutung der Freiheit«. Diese Freiheit ist ein Kennzeichen des Bildes Got­tes im Menschen. Der Mensch sollte »in der Hand seines Entschlusses bleiben (vgl. Sir 15,14)«. »Die Würde des Men­schen verlangt daher, dass er in bewusster und freier Wahl handle, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem inneren Drang oder unter bloßem äußeren Zwang.«[65] Dabei wird durchaus die Verwundung der Freiheit durch die Sünde und die Notwendigkeit der Hilfe durch die Gnade Gottes gesehen.

Diesem Text wird vorgeworfen, dass er die wirkliche Freiheitsproblematik des Menschen nicht in den Blick bekommen habe und zu optimistisch sei. Er sei eher ein schwacher philosophischer Text, der weder der Bibel noch dem moder­nen Bewusstsein gerecht werde. Der ganze Begriff der möglichen menschlichen Entfremdung, wie sie z. B. Marx beschrieben habe, sei nicht gesehen[66]. Insgesamt spricht er aber doch eine klarere Sprache als der Text zur Gestaltungsfreiheit. An ihm müsste sich sogar diese messen lassen. Dann hätte Mitverantwortung der Laien in der Kirche sicher einen anderen Stellenwert. Immerhin stellt er einen kirchlichen Fortschritt dar.

Besondere Bedeutung hat die Erklärung über die Religionsfreiheit. Hier geht es um die Freiheit, die der Staat dem Menschen in seiner Glaubensausübung gewähren muss. Dieses Dokument gehörte sicher zu den umstrittensten Texten des Konzils und stellt einen großen Durchbruch dar. Deshalb muss das Konzil ja auch erklären, dass es bezüglich der unverletzlichen Rechte der menschlichen Person die Lehre der neueren Päpste weiterführen wolle[67]. Noch Leo XIII. hatte ganz anderes gelehrt und das Recht auf Religionsfrei­heit ausdrücklich verworfen. Dem Irrtum könne kein gesetz­liches Existenzrecht zugebilligt werden. Pius XII. wollte den Gedanken der Toleranz nicht auf Abgefallene und Irrgläu­bige angewandt wissen. Der Staat war nicht das Haus für das Zusammenleben unterschiedlicher Auffassungen. Dazu konnte man sich nicht durchringen, da das Recht nicht der Person, sondern der Wahrheit zukam. Wer in der Wahrheit war, der war im Recht[68].

Da nun die Würde der menschlichen Person immer mehr an Bedeutung gewann - damit fängt ja auch die Erklärung über die Religionsfreiheit an - wurde das Recht auf religiöse Freiheit in der Freiheit der Person begründet, die in der Re­ligionsfreiheit aufgipfelt. Hier vollzieht das Konzil die mo­derne Freiheitsgeschichte nach. Der Mensch ist berufen, die Wahrheit zu suchen und verpflichtet, an der gefundenen Wahrheit festzuhalten. Dies betrifft vor allem die Wahrheit der Religion. Er muss dabei frei von innerem und äußerem Zwang sein[69]. Der Mensch darf auch nicht gezwungen wer­den gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert werden seinem Gewissen zu folgen. Das gilt auch in Über­tragung auf die religiösen Gemeinschaften. Der Staat dient dem Gemeinwohl. Dieses darf nicht durch die religiösen Ge­meinschaften verletzt werden, das sind »die gerechten Erfor­dernisse der öffentlichen Ordnung«[70], die durch die religiö­sen Gemeinschaften anzuerkennen sind.

Obwohl sich das Konzil damit beschäftigte, wie die Wahr­heitssuche des Menschen vor sich geht, lässt es doch »die moralischen Rechte und Pflichten der Menschen und der Ge­sellschaft gegenüber der wahren Religion und der einzigen Kirche Christi unangetastet«[71]. Freie Forschung, Hilfe des Lehramtes, Unterweisung, Gedankenaustausch und Dialog, wodurch die Menschen sich bei der Wahrheitsfindung gegen­seitig helfen, sind die Wege, auf denen der Mensch die Wahr­heit findet. An der einmal gefundenen Wahrheit muss der Mensch mit personaler Zustimmung festhalten.

Wenn es in diesem Text auch um die Religionsfreiheit geht, so sind doch darüber hinaus Aussagen zur Würde der Men­schen und seiner Freiheit und über den Weg der Wahrheits­suche gemacht, die dem Dialog eine wichtige Rolle zubilli­gen. Es ist die Frage zu stellen, ob Wahrheit nicht auch in Personen begründet ist, letztlich in der Person Jesu Christi, und damit nicht in gewisser Weise auch intersubjektiv ist. Wenn dem so wäre, dann wäre Wahrheitssuche nie ein abgeschlossener Vorgang, sondern ein Prozess, der zu immer besserer Einsicht und immer besserer Nachfolge führen will. Die Suche nach der Wahrheit ist ein besonderes Charakteristikum der Würde der menschlichen Person, das ihr nicht abgenommen werden kann, es kann ihr dabei nur geholfen werden. Über die unterschiedliche Bedeutsamkeit der Hilfen soll hier nicht weiter gesprochen werden. Wahrheit und Freiheit hängen innerlich zusammen: Ohne Wahrheit letztlich keine Freiheit und ohne Freiheit keine Wahrheit im Leben des Menschen.

Auf den inneren Zusammenhang von Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit hat Johannes Paul II. erneut hingewiesen. Die Wahrheit darf niemandem aufgedrängt werden. Sie setzt sich nur kraft ihrer selbst durch. Hier wird nochmals die innerste Freiheit des Menschen betont[72].

3.7. Mutig nach außen, zaghaft nach innen

Das Konzil macht deutliche Aussagen, wenn es um die Frei­heit des Menschen im Staat geht. Dort muss sowohl seine Selbstbestimmung als auch seine Mitbestimmung gewährlei­stet sein. Dies gilt auch für die verschiedenen gesellschaftli­chen Bereiche, z. B. die Wirtschaft.

Zaghafter werden dann schon die Aussagen, wenn es um den kirchlichen Bereich geht. Selbstbestimmung wird weit­hin gewährleistet. Die Freiheit des Gewissens ist grundsätz­lich anerkannt. Offen geblieben ist die Frage, wie konkret kirchliche Autorität und Freiheit in Einklang gebracht wer­den können. Da wird eher traditionell argumentiert. Hier sind sicher noch Entwicklungen möglich und nötig. Die Texte des Konzils haben Türen geöffnet und gleichzeitig Dis­kussionsbedarf geschaffen.

In Bezug auf Freiheit als Mitbestimmung in der Kirche werden vorsichtige, paternalistisch klingende Formeln verwandt. Sie sind unklar und praxisfern. Hier war die kirchli­che Autorität sehr auf sich selbst bedacht. Formeln, die »klug« und »väterlich« gleichzeitig beinhalten, sind meist nichts sagend. Väter nehmen ja in der Regel für sich in An­spruch, dass sie klug sind, jedenfalls klüger als ihre Kinder. Geschwisterliche Formeln hätten zu anderen Ergebnissen führen müssen. Hier blieb das Konzil deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück und dieses Zurückbleiben wird für manche Bischöfe heute zur Möglichkeit, wieder zurück zu rudern.

Freiheit als Mitbestimmung muss auch in der Kirche lebbar und erlebbar sein. Das verlangen schon die vielen Fälle gesellschaftlicher Unfreiheit in der Welt. Für viele Menschen in Diktaturen ist Kirche die letzte Hoffnung auf Freiheit. Kann in freien Ländern Menschenwürde geteilt werden? Mitbestimmung in der Gesellschaft »ja«, in der Kirche »nein«? Dies geht doch wohl nicht. Deshalb muss an der Frage der Mitbestimmung in der Kirche weiter gearbeitet werden. Dies fordert auch die intellektuelle Redlichkeit. Die Freiräume, die das Konzil schon ansatzweise dazu geöffnet hat, machen Mut zu solchen Überlegungen.


4. Die Kirche als Volk Gottes

4.1. Kirchenbegriffe und Ihre Auswirkung auf die kirchliche Praxis

Begriffe sind wie abstrakte Bilder. Sie fassen ein Bild in Worte, das Menschen von einem Gegen-stand oder Sachver­halt haben. Hinter den Begriffen steht eine durch sie be­schriebene Realität. Solche Begriffe können ebenso auch Ideen sein, Wunsch­träume, die Menschen hegen; ideale Aussagen, wie etwas sein müsste. Begriffe sind also auch Realutopien, die Men­schen haben. Für eine solche Utopie lohnt es sich dann zu kämpfen.

Begriffe können aber auch verzeichnet werden, dann ist danach zu fragen, warum dies geschehen ist. War es einfach Unwissen, oder ist eine ganz bestimmte Wunschvorstellung hier eingeflossen? Hat Machtdenken ein Bild gebraucht und verändert, um damit seine Position zu stärken?

Manchmal kann ein Bild allein die Realität nicht umfas­send wiedergeben. Mehrere Bilder sind erforderlich, die sich gegenseitig ergänzen oder sogar in Spannung zueinander ste­hen. Unterschiedliche Aspekte, Blickwinkel kommen da­durch zur Sprache.

Das Bild vom Hirten und der Herde aus dem Johannes­evangelium ist für die Kirche sehr bedeutsam geworden. Wenn es als einziges Kirchenbild gesehen wird, dann führt es zu einer autoritären Begrifflichkeit. Dazu ist es ja auch oft genug missbraucht worden. Es geht bei diesem Bild zuerst um das Profil des Hirten seiner Herde gegenüber. Die Herde ist sein ein und alles. Er will sie mit auf den Weg nehmen, sie sicher zum Ziel führen, sie bis zum Einsatz des eigenen Le­bens vor Gefahren schützen.

Wird dieses Bild aber aufgelöst in die Begriffe von »Sub­jekt« und »Objekt« der Pastoral, dann sind die Hirten die einzig Handelnden und die Schafe die Untertanen, die nur zu gehorchen haben. Dies war der bis vor wenigen Jahrzehnten vorherrschende Kirchenbegriff, der auch heute immer noch massiv nachwirkt.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat andere Bilder in den Mittelpunkt gestellt. Bilder, die mehr das Gemeinsame und die Zusammengehörigkeit betonen. »Volk Gottes« und »Communio« (Gemeinschaft) seien hier genannt. Daraus er­wachsen Begriffe wie »Demokratisierung« und »Teilhabe«. Sie müssen in Spannung zu den mehr die Autorität betonen­den Begriffen gesehen werden, die nach wie vor in der Kirche dominieren. Sie können als kritische Maßstäbe betrachtet werden, an denen das Leben der Kirche, so wie sie ist, ge­messen wird und sich fragen lassen muss, ob es den Vorstel­lungen des Evangeliums entspricht oder ob die Kirche weiter entwickelt werden muss.

Mit diesen beiden Kirchenbildern, die durchaus einen in­neren Zusammenhang haben, wollen sich die folgenden Aus­führungen beschäftigen. Dabei muss aber betont werden, dass das Neue Testament etwa achtzig Bilder für die Kirche kennt[73]. Kirche ist nie in einem Bild auszudeuten. Sie bleibt im Kern ein Geheimnis, das nie voll ausgeschöpft werden kann, aber für immer vertiefendere Auslegung offen ist. Dies sollte auch durch das Konzil angeregt werden. Hier soll ent­deckt werden, was das Konzil anstieß, was daraus geworden ist und in welcher Richtung weiter gearbeitet werden müsste.

4.2. Das Konzil erneuert das Bild von der Kirche

Absicht der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils war es, dass die Menschen die Kirche kennen lernen sollten; sie sollten nach dem Wunsch Johannes XXIII. leichter in die tiefen Reichtümer der Kirche eindringen kön­nen. Durch besseres Erkennen der Kirche sollte auch die Liebe zu dieser Kirche geweckt werden[74]. So kann gesagt wer­den: Das Konzil wollte, dass die Menschen die Kirche kennen und lieben lernen. Romano Guardini hatte schon 1921 ge­schrieben, das 20. Jahrhundert werde ein Jahrhundert der Kirche sein. Das waren damals aber Wunschträume. Es herrschte eher die Auffassung vor, dass die Kirche eine Hier­archie sei, die vom Papst monarchisch geführt werde.

Hier sollte die Kirchenkonstitution ansetzen. Vom Ersten Vatikanischen Konzil war ja noch das Thema der Kollegiali­tät der Bischöfe aufzuarbeiten. Hinzu kam das Thema der Laien in der Kirche. Zu diesem Thema waren in der Theo­logie bereits Vorüberlegungen vorhanden, auch aus Deutsch­land, das ja insgesamt bei der Erarbeitung dieser Konstitu­tion eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat.

Zuerst aber wurde von der Vorbereitungskommission eine eher traditionelle Vorlage erstellt. Sie enttäuschte die Mehr­heit der Väter[75]. Das erste Kapitel war überschrieben: »Von der Natur der streitenden Kirche«. Dann kamen Ausführun­gen über Bischöfe, Priester, Ordensleute und endlich im 6. Kapitel über die Laien.

Die zweite Vorlage verfolgte einen ganz anderen Ansatz. Im dritten Kapitel fand sich die Lehre vom Volk Gottes. Es wurde der Wunsch geäußert, dass daraus zwei Kapitel zu machen seien, eines über das Volk Gottes, das noch vor dem Kapitel über die Bischöfe zu stehen habe, und eines über die Laien im engeren Sinn.

Damit war ein Programm vorgegeben. Der Begriff des Volkes Gottes wurde zum Leitbegriff für die Kirchenkonstitu­tion. Er bildete die Grundlage aller anderen kirchlichen Dif­ferenzierungen. Von der Zugehörigkeit aller Gläubigen zu diesem Volk sind alle anderen Dienste und Ämter her zu sehen.

Der zweite wichtige Begriff ist damit zugleich gegeben. Erstmals in der Geschichte der Kirche werden die Laien in einer solch umfangreichen und positiven Form Inhalt eines Lehrdokumentes. Nicht nur das Defizit bezüglich der Bi­schöfe und ihrer Bedeutung nach dem Ersten Vatikanischen Konzil wurde angegangen, auch die Laien erfuhren eine ei­gene Zuwendung.

Im Konzil selbst spielte dann auch der Begriff der »Com­munio«, der Gemeinschaft, als ein grundlegender Begriff für das Verständnis der Kirche eine nicht unwichtige Rolle. Er war aber keineswegs so bedeutend wie der Begriff des Volkes Gottes. Diese Communio hat viele Dimensionen. Sie bedeu­tet Gemeinschaft untereinander, mit dem Amt, mit den ge­trennten Kirchen, mit allen Menschen, vor allem aber mit Jesus Christus durch den Heiligen Geist und damit auch mit dem Vater.

4.3. Das wandernde Gottesvolk

4.3.1. Ein biblisches Bild führt eine Wende im Kirchenverständnis herbei

»Zu aller Zeit und in jedem Volk ruht Gottes Wohlgefallen auf jedem, der ihn fürchtet und gerecht handelt (vgl. Apg 10,35). Gott hat es aber gefallen, die Menschen nicht einzeln, unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung, zu heili­gen und zu retten, sondern sie zu einem Volke zu machen, das ihn in Wahrheit anerkenne und ihm in Heiligkeit dienen soll.« So beginnt der Text des zweiten Kapitels der Dogmatischen Konstitution über die Kirche. Die Konstitution be­ruft sich sehr auf die Heilige Schrift. Dort findet sie die Bilder und Hinweise für ihre Ausführungen.

Dieses Volk ist von Gott zusammen gerufen. Er hat ihm sein Gesetz ins Herz gelegt. Dieses Volk kennt den Herrn vom Kleinsten bis zum Größten. Das neutestamentliche Gottesvolk ist das messianische Volk. Es ist aber auch noch unter­wegs. Dieses Volk hat Christus zum Haupt. In ihm wohnt der Heilige Geist, seine Glieder haben den Geist und die Freiheit der Kinder Gottes. Das Volk ist von seiner Bestimmung her, obwohl oft nur eine kleine Herde, die Keimzelle der Einheit der Menschheit. Seine Bestimmung ist das Reich Gottes, das sich bis zur Vollendung entfalten muss.

In der Gegenwart ist es Kirche Christi. Es erinnert in sei­nem Unterwegssein an das Volk Israel in der Wüste. Das gesamte Volk ist beteiligt am dreifachen Dienst des Herrn.

Es hat Anteil am Priestertum im gemeinsamen Priester­tum aller Gläubigen. Gemeinsam mit dem Priestertum des Dienstes übt es dies aus in Eucharistie und Leben, hier be­sonders durch tätige Liebe. Durch die Taufe werden seine Mitglieder in diese Aufgabe berufen, durch die Firmung in besonderer Weise für diesen Dienst gestärkt.

Auch in den Auftrag der Verkündigung des Wortes, den prophetischen Dienst, ist das Volk einbezogen. Das Konzil hat ja gerade die Bedeutung der Verkündigung des Wortes heraus gearbeitet. Hier wird auch die alte Lehre vom überna­türlichen Glaubenssinn der Gesamtheit der Gläubigen, der nicht irren kann, wieder aufgegriffen. Es handelt sich um eine Unfehlbarkeit in »Credendo« (im Glauben), die Bischöfe ha­ben diese in »Docendo« (im Lehren)[76]. Dieser Glaube ist im Volk unverlierbar fest verankert. Das Gottesvolks ist aber, vom Laien bis zum Bischof, auch berufen, Zeugnis für dieses Wort abzulegen und damit diese allgemeine Übereinstim­mung kundzutun.

Auch an der überreichen Zahl der Charismen, die der Geist spendet, hat das ganze Gottesvolk Anteil. Damit trägt es zur Auferbauung der Kirche bei.

Der Dienst des Königs und Hirten ist es, sein Volk, seine Herde, zu sammeln. Dabei geschieht dieses Sammeln an al­len Orten unter Wahrung der Güter aller Völker. Darin liegt die »Weltweite« des Gottesvolkes. Gerade hier ist intensives Wirken in der Heiligung der verschiedenen Kulturen gefor­dert.

Diese Sicht des Gottesvolkes bringt ein völlig verschüttetes Wesen der Kirche in Erinnerung. Das Heilswerk der Kirche ist zuerst ein Auftrag an das Gottesvolk. Alle wirken dabei mit. Das ist ihre Würde und Heiligkeit. Die notwendigen Ämter sind auf dieser Grundlage Dienste, um das ganze Got­tesvolk in diesem Auftrag zu stärken und zu erhalten.

4.3.2. Die Bibel wird zur Quelle der Erneuerung der Kirche

Wie oben schon ausgeführt, argumentiert die Konstitution sehr biblisch. Deshalb ist es angebracht, sich mit den Linien der biblischen Entwicklung des Bildes vom Gottesvolk zu beschäftigen.

Das Besondere des Gottesvolkes im Alten Bund ist es, dass es von Gott erwählt ist (vgl. Ex 19,5). Es ist sein Eigentum und deshalb heilig. Gott hat mit diesem Volk einen Bund geschlossen. Für diesen Bund ist das Sinaiereignis von grundsätzlicher Bedeutung. Hier erhält das Volk den Weg­weiser für seinen Lebensweg in den Zehn Geboten. Deren Annahme und Befolgung ist die Antwort des Volkes auf das befreiende Handeln Gottes am Volk, das er mit starker Hand aus Ägypten geführt hat. Das Volk ist das Volk Gottes und Gott ist der Gott des Volkes. Die Landverheißung an Abra­ham wird diesem Volk gegeben.

Eng verbunden mit dem Begriff vom »Volk Gottes« ist der Begriff der »ekklesia« (Gemeinde). Das Volk wird zur Gemeinde des Herrn (kahal Jahwe) und ist gleichbedeutend mit Israel. Dies war der Name, den die zwölf Stämme von alters her trugen. »Gemeinde Israels«, »Volk Gottes« und »Volk Israel« meinen inhaltlich nahezu dasselbe. Israel ist zwar ein kleines Volk, aber Gott will es zu einem großen Volk machen (vgl. Ex 32,10). Es grenzt sich von den Nachbarvölkern ab, die es immer wieder in Versuchung bringen, vom Herrn ab­zufallen. Trotzdem wird es ein Segen für viele Völker werden, ja alle Völker werden im Stammvater des Volkes Abraham gesegnet werden (vgl. Gen 18,18).

Aufgabe der Propheten ist es, das Volk daran zu erinnern, dass es Gottes Eigentum, ja geradezu mit ihm verheiratet ist. In diesem Verhältnis zu Gott hat es immer wieder erhebliche Schwierigkeiten gegeben. Es ist dem Volk aber gelungen, bei allen Anfechtungen seine Identität zu wahren, und auch das Bewusstsein, dass es zum Heil der Völker berufen ist.

Dies führt in den Bedrängnissen zum Verständnis des Kommens des eschatologischen Gottesvolkes, dem Gott sein Gesetz ins Herz legt und mit dem er einen ewigen neuen Bund schließt; dies bezeugen die Propheten (so Jer 24,7). In Jeremia 31,31 ff wird auf einen neuen Bund hingewiesen, den der Herr mit dem Volk schließen wird. Das neue Gesetz wird in das Herz der Menschen gelegt, keiner braucht mehr den anderen zu belehren, alle, ob groß oder klein, erkennen den Herrn.

Am Ende der Tage wird die Völkerwallfahrt zum Gottes­volk, zum Heiligen Berg beginnen. Alle Völker werden zum Zion strömen (vgl. Jes 2 und 60 u. a.). Alle Not und alles Elend werden dann ein Ende haben. Auch die Fremdlinge, die Mühseligen und Beladenen werden Zugang zum Herrn erhalten[77].

Um die Zeit Jesu bilden sich Sondergemeinden, die als »heiliger Rest« für sich in Anspruch nehmen, Ausgangspunkt für den »Neuen Bund« zu sein. Jesus will das ganze Israel[78].

Er will ganz Israel die Botschaft von der Ankunft des Reiches Gottes bringen. Der Unglaube verwehrt den Erfolg, und so entsteht im Blute Jesu der »Neue Bund« (Lk 22,20). Das große, allumfassende Gottesreich ist in ihm angebrochen. Die Urkirche lebt aus dem Bewusstsein, das eschatologische Gottesreich zu sein. Die Anerkennung von Heiden als Voll­bürger der Gemeinde ist Zeugnis dafür. Am deutlichsten wird das neue Selbstbewusstsein im ersten Petrusbrief ausge­sprochen[79]: »Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wun­derbares Licht gerufen hat« (i Petr 2,9-10). Daraus sind auch Schlüsse für die Kirche heute zu ziehen.

Volk Gottes sein bedeutet von Gott erwählt worden zu sein, sein Eigentum zu sein. Jesus Christus hat diese neue Erwäh­lung in seinem Kreuzestod gestiftet, in der Kraft des Heiligen Geistes lebt das Volk dies. Die Rede von einer Kirche von »oben« und »unten« ist damit in der Kirche grundsätzlich aufgehoben. Volk Gottes ist gestiftet von Gott und lebt in den Mitgliedern dieses Volkes.

Ein solches Gottesvolk kann im eigentlichen Sinne nicht mehr in Stände unterteilt sein. Alle entscheidenden Stände, Könige, Älteste (Priester) und Propheten, sind im Volk und in jedem einzelnen konstitutiv vorhanden. Kirche als Stände­gesellschaft ist ein grundsätzlich überholtes Modell. Es gibt keine Stände mehr, es gibt nur besondere Dienste in Charis­men und Ämtern.

Das Volk Gottes erfährt in der Finsternis das Licht der Vollendung. Das Ziel der Wüstenwanderung ist schon gegen­wärtig. Das Gottesvolk ist eine Alternative in dieser Welt, die immer wieder glaubhaft gelebt werden muss, damit sie erlebt werden kann. Daran müssen sich auch seine Lebensformen und Strukturen kritisch messen lassen.

4.4. Vom Stand der Laien

4.4.1. Sind Laien ein Stand?

Hätte man im Kapitel vom Gottesvolk der Konstitution über die Kirche noch meinen können, die Kirche sei für sich in einem Gesellschaftsbegriff der Moderne angekommen, so wird beim weiteren Verlauf deutlich, dass die Elemente einer nach Ständen geordneten Gesellschaft keineswegs überwun­den sind. Der Begriff taucht schon im zweiten Kapitel auf[80]. Im dritten Kapitel ist dann von den Bischöfen und anderen Amtsträgern die Rede, die sich in ihrem Amt wesentlich vom Laien unterscheiden, obwohl dieses Amt nur vom Ganzen her richtig verstanden werden kann. Die Einleitung zum vier­ten Kapitel klingt wie die Erläuterung einer mittelalterlichen Ständegesellschaft: »Nachdem die Heilige Synode von den hierarchischen Ämtern gehandelt hat, wendet sie nun bereit­willig ihre Aufmerksamkeit dem Stand jener Christgläubigen zu, die man die Laien nennt.«[81]

Dem möglichen Missverständnis, dass Kirche sich immer noch völlig als Ständegesellschaft versteht, soll dann im fol­genden Satz des Textes begegnet werden: »Gewiss richtet sich alles was über das Volk Gottes gesagt wurde, in gleicher Weise an Laien, Ordensleute und Kleriker. Doch einiges gilt in besonderer Weise für Laien, Männer und Frauen, auf­grund ihrer Stellung und Sendung.«[82] In diesem Sinne erfolgt auch eine Definition des Laien: »Unter der Bezeichnung Laien sind hier alle Christgläubigen verstanden mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes, das heißt die Christgläubigen, die, durch die Taufe Christus einverleibt, zum Volke Gottes gemacht und des priesterlichen, propheti­schen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaf­tig, zu ihrem Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt ausüben.«[83] Dabei ist diesen Laien insbesondere der »Weltcharakter« eigen. Ihre Aufgabe liegt vor allem in der Heiligung der Welt.

Die Gemeinsamkeiten im Volk Gottes sind die Würde der Taufe, die gemeinsame Berufung zur Vollkommenheit, die eine Hoffnung, das eine Heil und die eine Liebe. Von daher gibt es im Volke Gottes keine Unterschiede mehr zwischen Völkern und Rassen, zwischen Juden und Heiden, zwischen Männern und Frauen, zwischen Armen und Reichen.

Dabei wird aber auch an anderer Stelle deutlich betont, dass die durch die Weihe bedingten Unterschiede wesenhaft sind und das Amt in der Kirche eine Hierarchie begründet. Das vierte Kapitel formuliert dies aber mehr als das zweite und dritte Kapitel in der Gemeinsamkeit aller Dienste beson­ders durch den Heiligen Geist. Bewusst wird Augustinus zi­tiert: »Wo mich erschreckt, was ich für euch bin, da tröstet mich, was ich mit euch bin. Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ. Jenes bezeichnet das Amt, dieses die Gnade, jenes die Gefahr, dieses das Heil.«[84]

Das Apostolat der Laien wird als Teilnahme an der Sen­dung der Kirche selbst bezeichnet. Sie werden zu diesem Apostolat durch den Herrn selbst in Taufe und Firmung be­stellt. Diesen Auftrag haben sie also nicht vom Amt, sondern vom Herrn der Kirche selbst[85]. Dieses Apostolat geht alle Christgläubigen an. Sie können aber auch zu unmittelbarer Mitarbeit am Apostolat der Hierarchie herangezogen wer­den. Dabei beruft sich das Konzil auf die Frauen und Män­ner, die Paulus in der Verkündigung des Evangeliums unter­stützten. Ob damals aber schon von einer Hierarchie gespro­chen werden konnte, ist doch sehr die Frage. Außerdem ha­ben die Christgläubigen die Befähigung, von der Hierarchie zu gewissen kirchlichen Ämtern herangezogen zu werden, die geistlichen Zielen dienen, führt das Konzil weiter aus.

Mit den in Artikel 33 gemachten Ausführungen ist wohl das Hirtenamt gemeint. Das wird aber sowohl hier als auch im zweiten Kapitel eher unklar ausgedrückt. Dies obliegt wohl ausschließlich den Amtsträgern, vor allem den Bischöfen, die ein »heiliges Recht und vor dem Herrn die Pflicht (haben), Gesetze für ihre Untergebenen zu erlassen und Urteile zu fällen ...«[86] Hier ist von Mitwirkung und Teilhabe nicht mehr die Rede. Es sollte in einem so strukturierten Gottesvolk keine »Untergebenen« mehr geben. In Artikel 37 werden dann die Hirten gemahnt, den klugen Rat der Laien gerne zu benutzen, ihnen Freiheit und Raum im Handeln zu lassen und ihre Eingaben und Wünsche mit väterlicher Liebe aufmerksam in Christus in Erwägung zu ziehen. Dieses sind dann für eine Teilhabe am Hirtendienst doch noch etwas dürftige Worte. Auch hier wird deutlich, dass das Konzil zwar eine neue Richtung angestoßen, aber noch nicht zu Ende gedacht hat.

Den Christgläubigen soll in jeder Hinsicht der Weg offen stehen, den jeweiligen Zeitbedürfnissen gemäß am Heilswir­ken der Kirche aktiv teilzunehmen. Christus will durch sie sein Zeugnis und seinen Dienst fortsetzen. Deshalb haben sie Anteil an seinem Priesteramt, indem sie vor allem ihr Leben mit der Gesinnung Jesu Christi geistig durchdringen.

Sie haben Anteil am prophetischen Amt durch ihr Glaubenszeugnis. Sie sind mit dem Glaubenssinn und der Gnade des Wortes ausgerüstet. Sie sollen die Kraft des Evangeliums vor allem in die Familien und in die Gesellschaft einbringen. Ihre Hoffnung auf die kommende Herrlichkeit sollen sie in den Strukturen dieser Welt zum Ausdruck bringen, indem sie gegen die »Mächte der Finsternis« kämpfen. Sie entfalten eine wertvolle Wirksamkeit zur Evangelisation der Welt und tragen zur Heilung der Schöpfung und der Kultur bei.

4.4.2. Die Ausfaltung des vierten Kapitels der Kirchenkonstitution im Dekret über das Apostolat der Laien

Das Dekret über das Apostolat der Laien vertieft und entfaltet diese Gedanken. Der schon in der Konstitution aufgegrif­fene Gedanke vom Apostolat der Laien, der ja nicht unum­stritten war, wird sogar zum Titel gemacht. Dadurch wird verdeutlicht, dass es sich hier um eine elementar kirchliche Aufgabe handelt, die den vier Merkmalen der Kirche (einig, heilig, katholisch, apostolisch) zugeordnet wird. Es wird noch einmal die Sendung der Laien bekräftigt: »Die Laien hingegen, die auch am priesterlichen, prophetischen und kö­niglichen Amt Christi teilhaben, verwirklichen in Kirche und Welt ihren eigenen Anteil an der Sendung des ganzen Volkes Gottes.«[87] Die verhängnisvolle Trennung zwischen Kirche und Welt in dem Sinne, dass die Kirche dem Klerus und die Welt den Laien zugeordnet sei, ist damit aufgehoben. Alle Christen sind in dieses Apostolat durch den in den Sakra­menten der Heiligung wirkenden Geist berufen, mit ihren Charismen, seien sie auch noch so schlicht, bei der Auferbau­ung des Leibes Christi mitzuwirken.

Das Apostolat der Kirche besteht darin, die Botschaft Jesu durch Wort und Tat der Welt bekannt zu machen. Die Laien wirken bei diesem Apostolat der Evangelisierung auf vielfa­che Weise mit. Glaubenszeugnis durch das Leben, aber auch im Wort gehören dazu, aber auch wissenschaftliche Durch­dringung der Problematik unserer Zeit unter Rücksicht christlicher Grundsätze. Es geht darum, die ganze zeitliche Ordnung bei Wahrung ihrer eigenen Gesetze richtig aufzu­bauen und auf Christus hinzuordnen.

In der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute sind ja die Aufgabenfelder des Heilsdienstes in bisher kaum übertroffener Weise genannt. Hier erschließt sich ein weites Feld für das Wirken der Kirche und damit auch der Laien. Es geht darum, eine umfassende Kultur zu entwickeln, die zum Segen aller Menschen ist[88]. Das Konzil setzt sich für die Rettung der menschlichen Person ein, es geht ihm um den rechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft[89].

Dieses Apostolat übt der einzelne in den verschiedensten Lebensbereichen und Situationen aus. Er ist Bürger in dieser Welt in den unterschiedlichsten Aufgaben, die ihm aufgetra­gen sind. Sein Wirken soll keineswegs auf den Binnenraum der Kirche eingeschränkt werden. Das Konzil weist deutlich auf die unterschiedlichen Felder des Apostolates hin.

Unter den Formen des Laienapostolates werden die apo­stolischen Werke genannt, die die Laien gründen und nach ihrem Urteil leiten können. Ein Koalitionsrecht in der Kir­che wird damit begründet. Solche Werke können unter be­stimmten Umständen nach Auffassung des Konzils die Sen­dung der Kirche sogar besser erfüllen[90].

Danach gibt es die Organisation, die sich in manchen Län­dern »katholische Aktion« nennt. Dies ist eine organisierte Mitarbeit mit der Hierarchie an der Evangelisierung. Sie steht aber unter der Oberleitung der Bischöfe. Vielleicht wäre hier Cyprian zu zitieren: »Ich habe mir seit Anfang meines Episkopates zur Regel gemacht, ohne ihren Rat und ohne die Zustimmung des Volkes oder nur nach meiner eige­nen persönlichen Meinung nichts zu entscheiden.«[91] Dies ist natürlich eine Einstellung, von der man weithin, auch nach dem Konzil, nur träumen kann.

Aufgaben werden den Laien von der Hierarchie übertra­gen in der Lehre, der Liturgie und der Seelsorge. Bei der Ausübung dieses Amtes unterstehen die Laien der höheren kirchlichen Autorität.

In den Diözesen sollen nach Möglichkeit beratende Gre­mien eingerichtet werden. Dabei geht es um Unterstützung der apostolischen Tätigkeit der Laien in den verschiedensten Bereichen. Solche Gremien sollen auch im pfarrlichen, zwischenpfarrlichen, interdiözesanen, nationalen und interna­tionalen Bereich eingerichtet werden[92]. Ein kooperatives Se­kretariat zum Dienst und zur Anregung des Laienapostolates soll beim Heiligen Stuhl eingerichtet werden.

Dieses Sekretariat ist dann bei der Vorbereitung der Bi­schofssynode 1985 über die Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt aktiv geworden. Die von ihm erstellte Vorlage war sehr umstritten, wurde teilweise auch als Rück­fall hinter das Konzil erfahren. Die Auswahl der Laien, die an der Synode teilnehmen durften, war alles andere als re­präsentativ. Offensichtlich wollte oder konnte das Sekretariat noch nicht verstehen, was heute notwendig ist.

So fragte in einer Stellungnahme das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, ob das Dokument wirklich den Geist des Konzils atmet[93]. Weder die Vorbereitungstexte noch die Synode führten zu neuen theologischen Durchbrüchen oder zu Neuorientierungen[94]. Das Dokument selbst wird unter­schiedlich gewertet. Es spiegelt die auf der Synode bestehen­den Tendenzen wider. Die gleiche Würde und Berufung aller Christen wird betont. Die Laien werden eingeladen, ihre Aufgabe bei der Evangelisierung wahrzunehmen. Dabei sollen aber die Grenzen zwischen Ordo und Laien nicht verwischt werden[95].

Für die Frauen wird die volle Teilhabe am Geschehen in Ge­sellschaft und Kirche gefordert. Diese Passage müsste in der Kirche auch vielfältige Konsequenzen haben. Diskriminie­rung in dieser Teilhabe darf es z. B. bei der Mitarbeit auch bei Konsultationen und der Erarbeitung von Stellungnahmen in der Kirche nicht geben. Da mutet es fast schon wie ein Rück­zugsgefecht an, wenn gesagt wird, dass die Kirche der Frau den Ordo immer vorenthalten hat und -hält, weil sie dies aus dem eindeutigen, freien und souveränen Willen Jesu Christi herausliest, der nur Männer zu Aposteln berufen hat. Sie in­terpretiert dies also und muss sich fragen lassen, ob diese Inter­pretation die einzig zulässige ist. So weist sie doch in aller Deutlichkeit auf die Rolle hin, die die Frauen bei den entschei­denden Heilsereignissen wie Tod, Grablegung, Auferstehung und Sendung des Geistes hatten[96]. In der frühen Kirche wird Maria Magdalena sogar »apostola apostolorum« genannt von der die Legende sagt, dass sie vor dem Kaiser die Auferstehung gepredigt habe. Papst Gregor I. bezeichnete 591 in einer Predigt Maria Magdalena als Prostituierte, indem er sie mit der Sünderin, die Jesus die Füße wäscht (Lk 7,36-50), identifizierte. Dies wurde ein Teil der katholischen Tradition um Maria Magdalena. Inzwischen hat jedoch die katholische Kirche diese Verknüpfung für irrig erklärt. Aber diese Gleichsetzung erfolgte, um Frauen aus ihren wichtigen Gemeinderollen zu verdrängen und hatte auch ihre Wirkungsgeschichte bis heute. Hier ist exegetisch noch viel aufzuarbeiten. So sind Apostel nicht einfach mit dem Zwölferkreis gleichzusetzen. Das wirkt aber weiter, offensichtlich war hier das Konzil argumentativ etwas schnell. Auf die Frage, wie aus der Apostolin Junias in Römerbrief 16.7 wohl ein Mann wurde möchte ich hier nicht weiter eingehen. Maria wird unbestritten die »regina apostolorum« (Königin der Apostel) genannt. Ist das in diesem Zusammenhang noch glaubwürdig?

Jedenfalls ist für die Frauen ein umfassender Prozess der Entdiskriminierung in der Kirche zu fordern. Es muss immer wieder geprüft werden, ob bei kirchlichen Entscheidungen bis in die Ebene der Pfarrei Diskriminierungen in der Teilhabe von Frauen vorliegen.

Gerade in der Amtsfrage stellt sich für Frauen das Pro­blem, ob sie überhaupt ein Mitgestaltungsrecht in der Kirche haben. Bei einer derart auf das Amt fixierten Organisation eine durchaus berechtigte Frage. Das Wegschieben dieser Problematik könnte zu einem weiteren Auszug von Frauen aus der Kirche führen. Tendenzen auf eine »Frauenkirche« hin sprechen eine eigene Sprache und könnten, falls sie nicht rechtzeitig integriert werden, durchaus trennende Strukturen entwickeln. Dann hätte die Kirche schon wieder einmal eine Spaltung nicht verhindern können. Hoffentlich werden diese Alarmsignale erkannt. Wer im steten Gespräch mit kirchlich engagierten Frauen steht, spürt diese seismographischen Er­schütterungen wie Vorboten kommender Entwicklungen. Hier sind die Texte noch sehr zögerlich bis ablehnend und werden immer ablehnender.

Damit die Laien fähig sind, ihre Sendung in Kirche und Gesellschaft wahrzunehmen, bedarf es einer umfassenden Bildung. Zu einem solchen Bildungsprogramm gehören Theologie, Soziallehre, Pädagogik und Förderung persönli­cher Werte. Es geht um eine Lebenssynthese, die die Einheit des Seins der Christen zum Ausdruck bringt und die Bedin­gung für die Erfüllung ihrer Sendung ist. Dabei können in­nerhalb der Pfarreien kleine Gemeinschaften große Hilfen geben. Familien, Gruppen, Vereinigungen und Bewegungen sind solche Lernorte in der Kirche. Die menschliche Kultur des jeweiligen Ortes ist intensiv mit einzubeziehen, desgleichen die anerkannten Methoden der Humanwissenschaften. Der selbstbewusste Laie, der weiß, worauf es in der Kirche und in der Welt ankommt, ist gewollt.

Mehr Teilhabe in der Kirche bedeutet demnach auch, sich auf einen Prozess in dieser Richtung einzulassen. Dies wird aber auch ein immer stärkeres Selbstbewusstsein der Laien hervorbringen, wenn sie sich denn für eine menschenwürdige Gesellschaft in der ganzen Welt einsetzen sollen.

Bei dem Wandel von einer Klerikerkirche zur Kirche des Volkes Gottes ist dem Konzil der ganz große Wurf gelungen. Diese Änderung ist das, was man einen Paradigmenwechsel nennen könnte. Dies heißt, dass der Grundansatz des Kir­chenverständnisses sich geändert hat. Kirche wird nicht mehr zuerst vom Amt, sondern vom Volk Gottes her verstan­den. Aus der Sicht dieses Grundansatzes müssen viele Dinge in der Kirche neu bewertet werden. Dieses Volk hat ein ele­mentares Recht auf Teilhabe an der Gestaltung der Kirche. Eine solche Teilhabe muss in allen nur möglichen Bereichen realisiert werden.

4.4.3. Die Bibel kennt den »Laien« nicht

Die Frage nach dem biblischen Befund des Begriffes »Laie« wird negativ beschieden. In der Heiligen Schrift spielt dieser Begriff keine Rolle. Dafür kommt das Wort »laos«, das Volk, umso öfter vor. In der Zeit der Landnahme ist damit das schon sesshafte »Volk des Landes« im Gegensatz zu den Is­raeliten gemeint. Vor dem Exil meint es das einfache Volk im Gegensatz zu seinen Führern. In der nachexilischen Zeit sind es die nichtjüdischen Einwohner des Landes; in der Zeit der Rabbinen die Landbewohner (die dummen Bauern!), die das Gesetz nicht kennen[97]. Es wird zwischen »gojim« und »amm« unterschieden. Im Neuen Testament sind dann die »gojim« die » ethne« (Heidenvölker) und das »amm« ist das auserwählte »laos« (Volk Gottes). In der Zusammensetzung als »Volk Gottes« hat dieses Wort im Alten Testament die größte Bedeutung. Im Neuen Testament wird es dann, wie oben schon dargestellt, zum Gottesvolk des Neuen Bundes.

Volk heißt auf griechisch »laos«. »Zum Volk gehörig« hieße dann die Übertragung von Laie. Es wäre eine Würde Bezeichnung, die alle betrifft, die getauft und gefirmt sind. A. Weiser macht darauf aufmerksam, dass diese Auffassung sich als unhaltbar herausgestellt habe. Das Wort »laikos« kommt in der Bibel und in ihrem Umfeld nicht vor. Auch sei der Begriff des Gottesvolkes im Neuen Testament nie dafür ver­wandt worden, die innergemeindlichen Unterschiede heraus­zustellen[98]. Von daher sollte dieser Ausdruck ersetzt werden z. B. durch den Ausdruck »Christ«, der im Neuen Testament belegt sei. Das Wort »Laie« wird nach wie vor eher als »Nichtfachmann« verstanden. Damit erweist sich der ständische Wortgebrauch des Konzils und später amtlicher Texte als nicht schriftgemäß.

Sicher sind Begriffe wie »Christen« oder »Christgläubige« deutlicher. Sie umfassen alle Gläubigen und unterliegen da­mit keinem Missverständnis. Das schriftgemäße Verständnis von »Laie« meint alle, die zum Volke Gottes gehören, also alle Getauften, gleich welche Stellung sie in der Gemeinde haben. Die ständische Eingrenzung, die der Text bringt, muss beachtet werden; sie ergibt sich jeweils aus dem Kontext, kann sich aber nicht auf die Schrift berufen.

4.4.4. Die schwierige Geschichte im Verhältnis von Laie und Amt

Die ganze Begrifflichkeit hat aber auch eine Geschichte, de­ren negative Folgen ja nach wie vor noch wirksam sind, ob­wohl das Konzil eine Wende eingeleitet hat. Schon in den Pastoralbriefen und noch deutlicher im Klemensbrief driften Amtsträger und Nichtamtsträger auseinander. Der Auszug der großen Scharen von Mönchen aus den Gemeinden in Ägypten, im Okzident und im Orient schwächte die einfa­chen Christen. Den Gemeinden wurde geistige Substanz ent­zogen, die sich nun bei den Mönchen befand. Vom 5.Jahr­hundert an trat eine Professionalisierung des Amtes ein, die alle Charismen verdrängte. Der Konflikt mit der Staatskir­che führte zu einer Verschärfung des Gegensatzes von Klerus und Laien im damaligen Verständnis. Im Licht dieser Kon­fliktsituation sind viele spätere kirchliche Entwicklungen zu sehen.

Im alten Kirchenrecht wurde von zwei Arten von Christen gesprochen und eine deutliche Abgrenzung zwischen den beiden Ständen der Kleriker und Laien vorgenommen. In der Kirche haben die Laien jedenfalls nichts mehr zu mel­den.

Seine höchste Aufgipfelung hatte der Konflikt unter Gre­gor VII. (1072-1085) im Investiturstreit. Es ging letztlich darum, wer die größere Macht habe, der Papst oder der Kai­ser. Dies nicht nur im Vergleich von weltlicher und geistlicher Macht, sondern durchaus umfassend. Kaiser Heinrich IV. unterlag in dieser Auseinandersetzung. Damit war das Kai­sertum in der Substanz angeschlagen, was zu unguten poli­tischen Entwicklungen und Machtdestabilisierungen im Reich führte. In der Enzyklika »Dictatus papae« (1075) stellte Gregor 27 Leitsätze auf, in denen er die höchste Macht, letztlich auch im Reich, beanspruchte. Die Hierarchie wurde zur Hierokratie, zur Priesterherrschaft[99].

Im weiteren Verlauf des Mittelalters hat diese Einstellung zu erheblichen Spannungen geführt und zu Laienbewegun­gen, die in Häresie und Schisma endeten. Diese Bewegungen erkannten den umfassenden Anspruch des Klerus mit seinen umfangreichen gesellschaftlichen Privilegien nicht an. Im 12. Jahrhundert kam es zu den Ketzerbewegungen der Albigenser, Katharer und Waldenser. Blutige Auseinandersetzungen entwickelten sich. Diese Bewegungen wurden regelrecht aus­gerottet, wenn es sein musste, durch Kreuzzüge. Die Inquisi­tion, eines der tragischsten Kapitel der Kirchengeschichte, nahm ihren Anfang[100].

Aus diesen Fehlern hatten die Väter und Mütter des Grundgesetzes gelernt. Diese Verfassung trägt bewusst reprä­sentativen Charakter. Vielleicht ist er sogar zu sehr ausge­prägt. Dies führt dann zu den vielen demoskopischen Unter­suchungen, die eine eigene Auswirkung auf den Willen der Parlamentarier haben. In der Verfassung des Grundgesetzes spielen die Grundrechte der Menschen eine ganz wichtige Rolle. Hier schlagen sich die Erfahrungen des Dritten Rei­ches nieder. Das wird z. B. im Artikel 16, der das Asylrecht festschreibt (obwohl leider eingeschränkt gegenüber der Urfassung), besonders deutlich. Nicht die Rechte des Staa­tes, sondern die Rechte der Person werden in den ersten Kapiteln des Grundgesetzes abgehandelt. Das Grundgesetz will einen Bundesstaat. Dadurch soll nochmals eine Machtba­lance erreicht werden. Erstmals wird in einer deutschen Ver­fassung den Parteien ein verfassungsrechtlicher Status ge­währt. In den über vier Jahrzehnten seines Bestehens hat sich das Grundgesetz als stabile Verfassung bewährt, die auf andere Verfassungen wieder Einfluss gehabt hat.

5.3. Unterschiedliche Demokratiebegriffe

5.3.1. Eine kurze Theoriediskussion

Zur Demokratie gibt es unterschiedliche Positionen und Theorien. Einige davon sollen zum besseren Verständnis hier kurz dargestellt werden, auch deshalb, weil eine Reihe von Argumenten im nächsten Kapitel herangezogen werden[125]. Die Diskussion bezieht sich hauptsächlich auf Deutsch­land.

5.3.2. Eher konservative Auffassungen

Die Demokratie ist eine Gefahr für den Staat. Carl Schmitt vertrat mit dieser These vor allem 1931 eine antidemokrati­sche Staatsordnung. Auch der Pluralismus, der mit der De­mokratie gegeben ist, ist zerstörerisch. Das Staatsvolk muss homogen sein und mit sich selbst identisch. Nur so kann es einen klaren Staatswillen entwickeln. Es bedarf dazu keiner Parlamente und Parteien, die sind geradezu störend. Der Volkswille kann von den Regierenden erkannt werden, das Volk kann dann zustimmen. Feinde der Homogenität sind auszuscheiden oder zu vernichten. Diese Theorie ist durch die folgende Diktatur gründlich ad absurdum geführt wor­den, sie lebt aber in einzelnen Elementen durchaus fort.

Einer der Hauptvertreter der technokratischen Demokra­tie ist Helmut Schelsky. Er sieht (1963) die Technik als das entscheidende Steuerungszentrum an. Sachzwänge und Sachverstand erfordern etwas anderes als eine Demokratie, die für Schelsky zu einer »leeren Hülse« wird. Der Ruf nach »mehr Demokratie« muss für ihn bezahlt werden mit mehr Konflikten, weniger Rationalität, mehr Herrschaftsansprü­chen und weniger Sachlichkeit (1977).

Anders sieht dies eine liberale Regierung. Sie bejaht grundsätzlich die Demokratie, weil sie eine Möglichkeit ist, die Staatsgewalt gegenüber der Gesellschaft einzugrenzen. Dies geschieht durch Gewaltenteilung im System des Staates und durch Repräsentation, die den Einfluss der Gesellschaft auf den Staat sicherstellt. Eine Demokratisierung der Gesell­schaft ist abzuwehren, weil sie die Sachkompetenz in den einzelnen Bereichen nicht gewährleistet.

5.3.3. Realistische Demokratie

Bei dieser »realistischen Sicht« der Demokratie geht es vor allem um die theoretische Einordnung der Demokratie in der Bundesrepublik. Die Wirklichkeit einer modernen Massendemokratie ist in keines der herkömmlichen Demokratiever­ständnisse einzuordnen. Es trifft weder das klassische Kon­zept der Unmittelbarkeit des Volkswillens zu (wie soll sich ein Volk selbst regieren?) noch kann über die Phänomene von Massenparteien, Fraktionszwang und Gewaltenverschrän­kung zwischen Mehrheitsfraktion und Regierung hinwegge­sehen werden, wie in liberalen Ansätzen. Zur Aufarbeitung dieser Probleme seien drei Ansätze aufgeführt, die natürlich auch ihre kritischen Anfragen provoziert haben.

Die Theorie der Konkurrenzdemokratie (Schumpeter 1975) geht von einem Demokratieverständnis als Methode aus. In der Demokratie wird mit der Methode des Konkur­renzkampfes gearbeitet, bei der einzelne Entscheidungskom­petenzen durch den Konkurrenzkampf um Wählerstimmen erhalten. Das Volk regiert sich nicht selbst, die Regierung ist »vom Volk gebilligt«. Das verlangt regelmäßige Wahlen. Re­gierungswechsel müssen möglich, die Spielregeln der Demo­kratie gewährleistet sein, wie z. B. die Opposition. Dieses Modell vergleicht den Staat faktisch mit einem Unterneh­men, in dem Unternehmer (Politiker), aber auch Verbrau­cher (Wähler) ihren Nutzen maximieren wollen. Gelingt es einer Regierung nicht, den Wählerwillen der Mehrheit zufrieden zu stellen, dann wird sie abgewählt. So wird die Ein­heit zwischen dem Willen der Mehrheit und der Regierung am besten hergestellt.

Die Erfahrung der Apathie der Wähler führte zur Theorie der Elitenherrschaft. Nur so kann der Wert einer Demokratie gewährleistet werden. Sie ist so gut wie ihre Führung. Ohne eine solche ist sie sogar kaum denkbar. Wenn die Bürger dem politischen Geschehen apathisch folgen, dann sind sie im Großen und Ganzen zufrieden. Allzu große Anteilnahme ge­fährdet die Stabilität der Demokratie. Einfache Menschen müssen so organisiert werden, dass ihre Bedürfnisse nicht übergangen werden können (Schattschneider 1975). Das ist die Aufgabe der Elite, die vom Volk gewählt wird. Die Ma­jorität entscheidet, welche Minderheit über sie herrscht.

Die wohl vorherrschende Theorie in Deutschland ist je­doch die pluralistische Demokratietheorie, die vor allem von Ernst Fraenkel vorgetragen wurde[126]. Sie geht von der Ableh­nung einer Identitätstheorie aus. Es kann im Volk keine Identität geben, noch eine solche zwischen Regierenden und Regierten. An die Stelle der Identitäts- setzt Fraenkel die Konsenstheorie. Diese geht davon aus, dass wir in einer plu­ralistischen Gesellschaft leben. Die Gesellschaft ist in unter­schiedlichsten Gruppen mit unterschiedlichsten Interessen heterogen, nicht homogen strukturiert. Das Volk hat keine einheitliche Gestalt mit einem einheitlichen Volkswillen, es handelt sich weitgehend um Individuen, die in einem ständi­gen rationalen Diskurs versuchen, eine einheitliche Meinung in öffentlichen Angelegenheiten zu erreichen. Es ist ein Grundkonsens von Spielregeln notwendig, damit dieses Sy­stem funktioniert. Dies sind unter anderem die Grundwerte in unserer Demokratie, die nach Fraenkel naturrechtlich ver­ankert sind[127]. Das ist für ihn unverzichtbar, und zwar auch aus den persönlichen Erfahrungen des Dritten Reiches her­aus. Die Feststellung des Gemeinwohls dagegen kann immer nur a posteriori sein. Die Politiker sind »Treuhänder« des Volkes. Das imperative Mandat muss abgelehnt werden.

5.3.4 Identitätstheorien von Demokratie

Identitätstheorien von Demokratie gehen, wie oben schon erwähnt, von einer Identität der Regierten mit den Regieren­den aus. Die Gesellschaft ist homogen strukturiert, es gibt einen einheitlichen Volkswillen, der a priori erkannt werden kann, der Konsens ist allumfassend und Teilinteressen sind illegitim. Die Grundlagen zu diesen Gedanken bot J. J. Rous­seau. Darauf bauten Marx, Lenin und Carl Schmitt auf.

Für die neomarxistische Theorie sind Kapitalismus und Demokratie unvereinbar. In einem repräsentativ-parlamen­tarischen System kann keine wahre Demokratie vorhanden sein. Diese Demokratie ist in erster Linie dazu da, den Ka­pitalismus zu stabilisieren. Sie ist Organ der Herrschaft und nicht der Bevölkerung. Im Grunde gibt es auch keine Partei­enpluralität mehr, da diese sich immer mehr angleichen und aus ihnen eine herrschende Klasse erwächst. Demokratisie­rungsprozesse sind Verschleierungstaktiken und dienen ebenfalls der Stabilisierung des Kapitalismus.

Im »Stamokap« (Staatsmonopolkapitalismus) wird klar zwischen bürgerlicher und sozialistischer Demokratie unter­schieden. Die bürgerliche Demokratie ist eine Demokratie für die Ausbeuterklasse. Das sozialistische Modell der Demokra­tie ist »der höchste Typ der Demokratie« überhaupt. Dies sind Aussagen aus den 7oer und frühen 80er Jahren. Diese Überlegungen haben heute weniger Relevanz in der Theorie­diskussion, vor allem seit dem offenkundigen Scheitern des real existierenden Sozialismus in Osteuropa.

In diese Theorie gehören auch alle faschistischen Ansätze, die heute aber eher als Diktaturen angesehen werden. Solche Ansätze werden auch in staatlichen und anderen Institutio­nen deutlich, wenn Amtsträger glauben, den Willen des Vol­kes besser zu kennen als dieses selbst. Bei diesem Denken werden in einem Gemeinwesen plurale Ansätze nicht zugelassen und in allem und jedem, auch mit Gewalt, Konsens verlangt und Andersdenkende vernichtet oder hinausge­drängt.

5.4. Elemente einer demokratischen Ordnung

5.4.1. Grundlegend ist die Anerkennung der Menschenwürde

Für eine Demokratie ist die Anerkennung der Menschen­würde eines jeden Bürgers unverzichtbare Grundlage. Wenn diese nicht mehr unbedingt anerkannt wird, dann stellt sich eine Demokratie selbst in Frage. Diese personale Würde ist die entscheidende normative Basis des geordneten Zusam­menlebens von Menschen, die Voraussetzung für Frieden im Land und Frieden in der Welt ist.

Der Kern der Menschenwürde ist die Freiheit der mensch­lichen Person. Jeder Mensch hat das Recht auf Selbstbestim­mung, soweit es nicht die Rechte anderer oder die staatliche Ordnung verletzt. Dieses Recht beinhaltet auch das Recht auf Mitbestimmung im staatlichen Bereich. Freiheit ist Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsrecht. Das Leben eines Menschen darf nicht angetastet werden.

Vor dem Gesetz gilt auch die Gleichheit der Menschen. Es gibt da keine Unterschiede des Geschlechtes, der Sprache, der Herkunft, der politischen und religiösen Anschauung.

Es ist diskutiert worden, inwieweit diese Gleichheit auch in den sozialen Bereich hineingeht. Das Grundgesetz hat diese Frage mit dem Begriff der Sozialstaatlichkeit aufgegriffen. Hier kommt der Ruf der Französischen Revolution nach Brü­derlichkeit, nach Solidarität, zum Ausdruck.

Die Freiheitsrechte in einer Demokratie sind dann in der Regel in den Grundrechtskatalogen gefasst und beinhalten u. a. so wichtige Elemente wie die Freiheit der Meinungsäuße­rung, die Religionsfreiheit, das Recht auf Zusammen­schlüsse, auf Versammlung, den Schutz der Familie und die freie Berufswahl. Die Vereinten Nationen haben 1948 die In­ternationale Erklärung der Menschenrechte verabschiedet, in der die Menschenrechte festgeschrieben sind. Die Men­schenrechte sind damit auf dem Weg, zu Völkerrecht zu werden.

5.4.2. Alle Gewalt geht vom Volke aus

Der eigentliche Souverän in einer Demokratie ist das Volk. Von ihm geht alle Gewalt aus. Dies ist nahezu eine logische Konsequenz der anerkannten Menschenwürde, die eben nicht nur Selbstbestimmung beinhaltet, sondern auch Mit­bestimmung in der Gestaltung des gesellschaftlichen und staatlichen Bereiches. Die Freiheit des Menschen lässt es nicht zu, dass er sich nur als Objekt politischen Handelns versteht oder als ein solches verstanden wird. In dieser Form des Denkens ist das höchste Maß an politischer Partizipation gefordert.

Die Frage ist nur, wie der Wille eines Staatsvolkes zu fas­sen ist. Kann dieser in einer Massendemokratie noch völlig auf dem plebiszitären Weg gefunden werden? Die geschicht­liche Entwicklung und die unterschiedlichen Ansätze haben gezeigt, dass der Weg der Republik, der Weg der repräsenta­tiven Demokratie, dies besser gewährleistet. Dabei ist der Abgeordnete kein Delegierter seiner Wähler, er hat kein imperatives Mandat, sondern er ist zuerst seinem Gewissen und dem Gemeinwohl verpflichtet. Die Ausübung der Volksouveränität geschieht durch regelmäßige, freie, gleiche und geheime Wahlen.

5.4.3. Gewaltenteilung

Die Staatsgewalt muss in ihren Vollzugsorganen gegenseitig ausbalanciert sein. Keine Gewalt darf dominant werden. Die gesetzgebende, die vollziehende und die richterliche Gewalt seien hier genannt: das Parlament, die Regierung und die Gerichtsbarkeit. Dies ist die klassische Form der Gewalten­teilung.

Diese Teilung der Gewalt ist als Protest des politischen Liberalismus gegen den Monarchismus entstanden. Sie ist die beste institutionelle Sicherung des einzelnen gegen die Macht des Staates. In unserer Demokratie ist dies nicht mehr in der klassischen Form verwirklicht, sondern in einem Sy­stem von gegenseitiger Einflussnahme und Kontrolle.

Die Gewalten sind in der Bundesrepublik zusätzlich noch einmal vertikal geteilt. Im Bundesrat sind die Länder der Bundesrepublik vertreten und üben so ihren Einfluss auf das Ganze aus. Der Bundesrat - die Länderkammer - wirkt bei der Gesetzgebung mit. Die vertikale Gewaltenteilung geht aber auch bis in die Gemeinden. Hier kommt das föderative Prinzip zur Geltung; zugleich aber auch das Prinzip der Subsidiarität, dass möglichst alles dort geklärt werden soll, wo es klärbar ist, d.h. nahe bei und von den Betroffenen.

Der Bundespräsident hat in diesem System der Gewalten­teilung im Wesentlichen die integrative und repräsentative Funktion des Staatsoberhauptes, er ist nicht Mitträger der Regierungsgewalt. Der Reichspräsident in der Weimarer Republik war mit erheblich größeren Vollmachten ausge­stattet.

Das Verhältnis von Regierung und Regierungsfraktion zu den Oppositionsfraktionen gehört nochmals in den Bereich einer Gewaltenteilung, auch vitale genannt. Gerade die Op­position spielt in diesem System eine wichtige Rolle.

Als solche nicht in der Verfassung festgeschrieben, aber in ihrer Unabhängigkeit von dieser geschützt, sind die Massen­medien zu nennen. Sie haben für das Funktionieren einer Massendemokratie entscheidende Bedeutung. Gerade ihre Kontrollfunktion ist immer wieder dann wichtig, wenn Poli­tik oder Politiker drohen, auf Abwege zu geraten. Sie stellen aber auch für die parlamentarischen Diskussionen eine kriti­sche Öffentlichkeit her[128].

5.4.4. Rechtsstaat und Sozialstaat

Rechtsstaatlichkeit bedeutet zuerst einmal, dass in einem sol­chen Staat alles nach Gesetz und Recht zugeht. Verwaltungs­entscheidungen müssen daraufhin überprüfbar sein, aber auch die Gesetze müssen einer Überprüfung auf ihre Verfas­sungsmäßigkeit standhalten. Das Recht in diesem Staat ist nicht einfach positivistisch zu sehen, sondern es hat der Würde des Menschen zu dienen und diese zu achten. Eine rein formale Rechtsstaatlichkeit genügt nach Auffassung der katholischen Gesellschaftslehre nicht. Im Rechtsstaat ist die Verlässlichkeit eines Systems begründet.

Ein solcher Rechtsstaat verlangt auch eine gut funktionie­rende Verwaltung. Ihre Entscheidungen haben nach dem Gesetz zu erfolgen und müssen nachprüfbar sein. Ohne ge­ordnete Verwaltung funktioniert ein Gemeinwesen nicht. Eine Verwaltung arbeitet in den Zielen und Zwecken einer Rechtsordnung planmäßig auf Verwirklichung der durch die Regierung bestimmten Sozialordnung. Dies tut sie durch konkrete Maßnahmen. Ohne sie wäre das Arbeiten der Re­gierung nahezu konsequenzenlos.

Die Bundesrepublik ist laut Verfassung zugleich ein Sozial­staat. Dies ist im Artikel 20 des Grundgesetzes verankert, im Artikel 23 für Europa gefordert und im Artikel 28 für die Länderverfassungen festgeschrieben. Es ist umstritten, was diese Formel bedeutet. Ist sie der Weg in den Fürsorge- und Versorgungsstaat wie manche befürch­ten? Das Sozialstaatsprinzip ist eine sozialethische Option. Es fordert den Rechtsstaat heraus, die Frage nach der mate­riellen Freiheit und Unabhängigkeit seiner Bürger zu stellen und auch im Sinne des Ethos der Gleichheit und Brüderlich­keit (und Schwesterlichkeit) in seiner Gesetzgebung tätig zu sein[129]. Das Bundesverfassungsgericht vertritt in einem Urteil die Auffassung, dass die verstärkte Zuwendung des Staates auf soziale Sicherung und kulturelle Förderung neben der grundrechtlichen Forderung nach Freiheit eine komplemen­täre Sicherung nach grundrechtlicher Verbürgung der Teil­habe an staatlichen Leistungen fordert[130]. In einer modernen Industriegesellschaft können soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit nur in einem Rechtsstaat gewährleistet wer­den, der zugleich auch Sozialstaat ist.

5.4.5. Wertkonsens und Wertpluralismus

Der demokratische Staat existiert in einer pluralistischen Ge­sellschaft. In dieser Gesellschaft leben Menschen verschiede­ner Herkunft und Anschauungen zusammen. Die Unter­schiedlichkeit in Gruppen mit verschiedensten Zielsetzungen macht die Gesellschaft aus. In dieser pluralistisch struktu­rierten Gesellschaft ist es die Aufgabe des Staates die Frie­densordnung zu fördern.

Der Staat steht im Dienste der Gesellschaft und lässt sich nur von dieser her begreifen. Er hat den Schutz und die Wohlfahrt der Gemeinschaft zu fördern. Der demokratische Staat schafft die Rechtsordnung, die dem Menschen die per­sonale Entfaltung erlaubt. Dazu bedarf es einer inneren Ei­nigung in den Grundwerten, die sich in der Verfassung als Grundrechte und in der Grundordnung des Staates nieder­schlagen. Dieser Prozess der Einigung ist aber nie abgeschlossen. Er muss ständig neu gesichert werden. Würde in der Zentrifugalität der unterschiedlichen Meinungen dieser ge­sellschaftliche Grundkonsens zerbrechen, dann würde auch der Staat zugrunde gehen. Für Fraenkel sind diese Grundla­gen sogar »a priori«, der Existenz des Staates vorgegeben. Die gesellschaftlichen Gruppen müssen sich klar darüber sein, dass sie diesen Konsens hervorbringen und sichern.

Ringen muss der Staat auch immer wieder um die Erkennt­nis dessen, was das Gemeinwohl in einer konkreten Situation ist. Hierher gehört die politische Auseinandersetzung, die sich in den Regeln eines demokratischen Staates abzuspielen hat. Das konkret festgestellte Gemeinwohl ist nach Fraenkel »a posteriori«, im Nachhinein errungen. In diesen Ausein­andersetzungen hat der Pluralismus seinen Platz. Hier wird der Weg für eine konkrete Gemeinsamkeit in den Fragen der Politik, sofern sie nicht zum Grundkonsens gehören, nach den Regeln des »fair play« im Kampf der Meinungen festge­legt; hier erfolgt der notwendige Konfliktausgleich. Der Un­terlegene hat sich an die Entscheidung zu halten, aber auch das gute Recht, für eine Mehrheit zu kämpfen, die sie än­dert.

Zu diesem Vorgang gehört der Dialog. Dies meint einmal den Diskurs über die Grundsatzfragen unseres Verfassungs­konsenses. Der muss vor allem von den gesellschaftlichen Gruppen geführt werden, hier haben auch die Religionen ihren besonderen Platz.

Dieser Dialog, sei es im Interessenausgleich oder im Kon­flikt, ist zum anderen auch eine Frage des politischen Alltags­geschäftes. Die Gewaltenteilung kann nicht funktionieren, wenn die Gewalten nicht im ständigen Dialog miteinander stehen. Die Formen dieses Dialoges sind ja in der Verfassung in ihren wesentlichen Elementen vorgegeben.

Über die Parteien findet eine Verzahnung dieses Dialoges mit der Gesellschaft statt. Artikel 21 des Grundgesetzes bildet die Grundlage für die Funktion der Parteien in der Ge­sellschaft. Sie wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Weil sie in einem demokratischen Gemeinwesen eine solche Bedeutung haben, müssen sie auch demokratisch geordnet sein. Ihre Mittelbeschaffung muss offen gelegt wer­den.

Für die Parteien wird Öffentlichkeit gefordert. Dies ent­spricht dem Grundsatz der Öffentlichkeit in einem Rechts­staat. »Res publica« heißt die Republik, das heißt die Ein­richtung, die sich der öffentlichen Dinge annimmt. Auch in dieser Form muss das Volk am Diskurs und politischen Dia­log teilnehmen. Je mehr Öffentlichkeit, umso mehr Demo­kratie. Demokratische Öffentlichkeit ist mehr als Repräsen­tations-Öffentlichkeit, wie sie bei Hofe hergestellt wurde. Die Massenmedien haben die Aufgabe, diese Öffentlichkeit mit herzustellen. Dazu gehört aber auch das Arbeiten der Par­teien in Versammlungen, die Durchführung von Anhörungen und Podiumsdiskussionen und die politische Bildung.

Öffentliche Meinung kann keinen Absolutheitsanspruch erheben, sie ist weder Glaubensinhalt noch philosophische Wahrheit. Sie gibt im Konsensfall den Gemeinwillen wieder und hat ihre eigentliche Auswirkung bei Wahlen, weniger im laufenden Geschäft der Politik. Die Politik stellt im vorgese­henen Verfahren das Gemeinwohl fest. Dabei handeln die dafür bestimmten Verfassungsorgane. Aber auch dabei ist Öffentlichkeit sicher nicht ohne Erfolg. In der Geschichte der Demokratie ist gerade die erstrittene Öffentlichkeit der Justiz, des Staatshaushaltes und des Parlamentes der Aus­gangspunkt für die Kontrolle der staatlichen Gewalt.

Demokratie ist nie endgültig festgeschrieben. Ständig wan­deln sich die Aufgabenstellungen. Neue Herausforderungen werden an sie gestellt, die Menschen ändern sich. Sie ist nicht perfekt, sowenig es ihre Lösungen immer sein können. Demo­kratie ist auch als System immer auf ihre Grundlagen ange­fragt und braucht den gesellschaftlichen Prozess zu deren Si­cherung, damit der auf der Demokratie gegründete Staat nicht auseinander bricht. Demokratie ist aber auch die beste bekannte Staatsform, die die Würde des Menschen garantiert und ihm Teilhabe ermöglicht.

»Eine wahre Demokratie ist nur in einem Rechtsstaat und auf der Grundlage einer richtigen Auffassung vom Menschen möglich. Sie erfordert die Erstellung der notwendigen Vorbe­dingungen für die Förderung sowohl der einzelnen Menschen durch die Erziehung und die Heranbildung zu den echten Idealen als auch der >Subjektivität< der Gesellschaft durch die Schaffung von Strukturen der Beteiligung und Mitverantwortung.« So führte Papst Johannes Paul II. in der Jubiläums­enzyklika »Centesimus annus« aus[131]. Was bedeutet dies aber für die Kirche?


6. Demokratie in der Kirche – ein spannungsreicher Prozess

6.1. Dagegen und Dafür

6.1.1 Was ist bisher geschehen

Im Folgenden soll dem Rezeptionsprozess von Demokratie in der Kirche nachgegangen werden. Hat sich seit dem Konzil überhaupt etwas geändert? Sicher sind entgegengesetzte Argumente deutlicher geworden. Einiges wurde auch geändert. Manches hat hingegen schon eine lange Tradition oder staatskirchenrechtliche Absicherung und kann deshalb nicht aufgehoben werden. Entsprechen Aufwand und Ertrag ein­ander, wenn die Worte des Konzils über das Volk Gottes mit der postkonziliaren Praxis verglichen werden?

6.1.2. Was spricht eher gegen mehr Demokratie in der Kirche?

Zuerst aber soll das Kirchenrecht sprechen und dargelegt werden, was es gegen eine weitere Demokratisierung in der Kirche hat. »Videtur quod non« (schauen, warum es nicht geht) heißt dies in den quaestiones disputatae (den diskutier­ten Fragen) des Mittelalters, wenn eine theologische These aufgestellt wurde. So soll jetzt einmal im Codex nachgesehen werden, was dagegen spricht.

So heißt es in Kanon 331 vom Bischof der Kirche von Rom: »...; deshalb verfügt er kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universelle ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann.« Dies könnte in die Sprache der Herrschaft so übersetzt werden: »Alle Gewalt in der Kirche geht vom Papst aus.« Hiermit wären dann alle weiteren Überlegungen schon zu Ende.

Über den Bischof führt Kanon 391 aus: »Es ist Sache des Diözesanbischofs, die ihm anvertraute Teilkirche nach Maßgabe des Rechts mit gesetzgebender, ausführender und rich­terlicher Gewalt zu leiten.« Eine Gewaltenteilung ist nicht vorgesehen.

Auf der Ebene der Pfarrei sind die Zuständigkeiten offener, hier liegt ja auch keine gesetzgeberische Gewalt vor. Der Pfarrer übt nach Kanon 519 als Hirte der ihm übertragenen Pfarrei für die Gemeinschaft die »Dienste des Lehrens, Hei­ligens und Leitens« aus.

Kollegialität kommt auf der Ebene der Weltkirche vor, in­dem der Bischof der Kirche von Rom zugleich Haupt des Bischofskollegiums ist. Die Bischöfe stehen ihm bei der Aus­übung seines Amtes auf verschiedene Art und Weise zur Seite, wie Kanon 334 es darlegt.

Die Gläubigen haben auf Diözesanebene im Pastoralrat ein beratendes Stimmrecht, dies führen die Kanones 511-514 aus.

Wenn es dem Diözesanbischof zweckmäßig erscheint, ist gemäß Kanon 536 nach Anhörung des Priesterrates in jeder Pfarrei ein Pastoralrat mit beratendem Stimmrecht zu bil­den. den. Außerdem muss in jeder Pfarrei ein Vermögensverwal­tungsrat bestehen, so will es Kanon 537.

Dies sind in kurzen Zügen die wichtigsten Aussagen des derzeitigen Kirchenrechts zum Thema. Es darf aber gefragt werden, ob dies schon das Ende aller weiterführenden Über­legungen ist.

6.1.3. Was spricht eher für mehr Demokratie in der Kirche?

Die mittelalterlichen Thesen kamen in den Disputationen dann zur Passage: »sed contra« (dagegen ist anzumerken). So sollen denn im Folgenden einige Fragen und Auffassungen angerissen werden, die für mehr Demokratie in der Kirche sprechen

Das Zweite Vatikanische Konzil hat das Bild vom Gottes­volk wiederbelebt. Dies ist Grundlage eines erneuerten Kir­chenverständnisses. Das ganze Gottesvolk ist Träger des Heilsdienstes. Damit ist die Kirche endlich wieder vom Kopf auf die Füße gestellt worden. Petrus ist das Fundament, nicht das Haupt. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, wie das ganze Volk auch bei der Gestaltung dieses Heilsdien­stes mitwirken kann. Die Kirche muss neu gehen lernen. Dies hat etwas mit »Subjektwerden« der Kirche zu tun.

In der Geschichte des Gottesvolkes hat es immer wieder Situationen der Mitsprache und der Mitbestimmung gege­ben. Das Volk Israel gibt ausdrücklich seine Zustimmung zum Bund, der ihm von Moses übermittelt wird. »Das ganze Volk antwortete einstimmig und erklärte: Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun. Mose überbrachte dem Herrn die Antwort des Volkes« (Ex 19,8b). Dies wird noch zweimal wiederholt, so in Exodus 24,3 und beim Bundesabschlussritus Exodus 24,4-8. Damit hat das Volk eine freie Entscheidung über seine Zukunft mit Gott gefällt. Diese Gedanken sind nicht ohne Einfluß auf die Demokratietheorien der Aufklä­rung geblieben.[132]

In Numeri 11 werden die Ältesten eingesetzt, um bei der Leitung des Volkes mitzuwirken. Der Herr gibt dem Mose 70 Älteste, um die Last der Leitung zu teilen, und er nimmt von dem Geist des Mose und verteilt ihn auf die Ältesten. Zwei junge Männer, die nicht zu den Ältesten gehörten, wurden auch vom Geist ergriffen. Es sollte ihnen verwehrt werden, aber Mose ließ sie gewähren mit dem Hinweis, wenn nur der Herr auf das ganze Volk seinen Geist legte, dann wäre die Leitung die Sache aller. Auf diese Geistbegabung aller haben später die Propheten hingewiesen. An Pfingsten wurde sie schließlich geschenkt. Alle haben Anteil an der propheti­schen Existenz der Kirche, alle tragen Verantwortung für das ganze Volk[133]. Wie kann dies heute deutlich gemacht werden?

Paulus bemüht sich bei aller Autorität um Zustimmung. Ein typisches Beispiel dafür ist sein Brief an Philemon. Er formuliert seinen Befehl an Philemon, den Sklaven Onesimus als Bruder zurückzunehmen, als Bitte. Er wirbt um die in­nere Einsicht. Selbst das Anordnen wird zum kommunikati­ven Prozess.

Im Epheserbrief wird davon gesprochen, dass die Gläubi­gen einen Platz im Himmel haben (vgl. 2,6). In der Ge­meinde sind sie nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, son­dern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes (vgl. 2,19). Was beinhaltet ein solches Bürgerrecht? Muss die Kir­che nicht Sorge dafür tragen, dass dies auch so erfahren wer­den kann?

In der Apostelgeschichte lassen sich entscheidende Mit­wirkungsrechte der Gemeinde feststellen: So bei der Wahl des Matthias (vgl. Apg 1,15 ff), die Gemeinde akzeptiert die Taufe des ersten Heiden (vgl. Apg 11), und sie wählte den Kreis der Sieben (vgl. Apg 6), der ein Leitungsgremium war. Die Apostel legten den Sieben danach die Hände auf. Warum soll es heute in wichtigen Fragen der Kirche und auch bei der Wahl von Amtsträgern nicht solche Rechte geben?

Die Kirche ist das Volk Gottes unterwegs. Dieser Weg hat als Ziel die umfassende Gottesherrschaft. In dieser Herr­schaft wird keine Herrschaft von Menschen über Menschen ausgeübt. Es herrscht nur noch Gott. Die Menschen erleben dies aber nicht als Fremdherrschaft, weil ihnen Gottes Gesetz ins Herz eingeschrieben ist, ihr Lebenssinn liegt in der Erfül­lung des Willens Gottes. Herrschaft im Himmel ist frei von Gewalteinsatz. Wenn dies so ist, dann muss Kirche schon hier auf der Erde ein Zeichen für diese neue Geschwisterlichkeit sein. Demokratie ist auch ein Zeichen des geschwisterlichen Miteinander-Umgehens, des Wissens, dass die Vollendung noch nicht da ist und deshalb Herrschaft notwendig ist, aber auch des Zeugnisses für das neue Verständnis von der Zukunft her. Demokratische Formen in der Kirche können ein glaubwürdiges Zeugnis der kommenden Herrlichkeit sein. So kann die Kirche für die Menschen in unserer Zeit »Stadt auf dem Berge« sein.

In den Orden und geistlichen Gemeinschaften, die ja in besonderer Weise dem evangelischen Rat des Gehorsams ver­pflichtet sind, gibt es demokratische Formen der Wahl der Vorgesetzten und andere Mitbestimmungsregeln. Vielfach gibt es hier auch Wahlämter auf Zeit. Das hat sich bestens bewährt. Auch diese Gemeinschaften sind Kirche. Kirchli­che Verbände wählen sich ihre Leitungen selbst. Hier liegt also Demokratie in der Kirche vor.

Neuere kirchliche Dokumente loben die Demokratie als menschenwürdige Form der Organisation staatlicher Ge­walt. In vielen Ländern unserer Welt ist aber das genaue Gegenteil der Fall. Deshalb wird die Kirche mit Recht nicht müde, die Menschenfeindlichkeit von Diktaturen aller Art zu geißeln. Die leibhaftige Kritik in überzeugendster Art wäre das Vorleben einer demokratischen Alternative. Hiermit könnte die Kirche weltweit den Menschen ein tröstendes Zeugnis geben und für die Diktatoren eine ständige Heraus­forderung sein.

Subjektwerdung ist auch in der Kirche gefordert. Die Frei­heit ergibt sich unmittelbar aus der Menschenwürde. Die Freiheit des Menschen ist der Ort, an dem er sein Subjektsein am deutlichsten darstellen kann. Dort kann er aus eigener Entscheidung Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Zur Freiheit ist er befreit. Nun soll er auch die Möglichkeit haben, diese Freiheit in der Kirche zu leben. Freiheit bein­haltet Selbstbestimmung und Mitbestimmung. Die Kirche muss deshalb nur schwach entwickelte Formen der Mitbe­stimmung weiter verstärken.

Die Kirche hat eindeutig festgestellt, dass das Grundprinzip der Subsidiarität der Soziallehre auch in der Kirche Geltung hat. So hat es Pius XII. erklärt. Er hat aber dabei auch gesagt, dass »dies ohne Nachteil für die hierarchische Struktur der Kirche« sein müsse[134]. So muss im gleichen Sinne das Demokratieprinzip, das ja auch auf der Menschenwürde be­ruht, in der Kirche seine Gültigkeit haben. Ist das nicht na­hezu ein Widerspruch? Dies bedarf der näheren Klärung in einer besseren Verteilung der Gewichte.

Demokratie ist Teilhabe. Teilhabe gehört zu den grund­sätzlichen Begriffen, die in neueren kirchlichen Dokumenten immer wieder vorkommen. So wird für die Frauen volle Teil­habe am Geschehen in der Gesellschaft und der Sendung der Kirche gefordert[135]. Die Christgläubigen haben teil an der Communio der Kirche. Diese Teilhabe macht ihre Würde aus und begründet ihre Verantwortung und Sendung in der Kirche?[136]. Dieses Wort von der Teilhabe besagt also schon et­was sehr Grundsätzliches. Das wird auch deutlich, wenn den Priestern Teilhabe am Priestertum Jesu Christi zugesagt ist, das verschieden ist von der Teilnahme, die mit der Taufe gegeben ist[137]. Teilhabe begründet Teilnahme.

In einer Demokratie können die Bürger frei und verant­wortlich am öffentlichen Leben teilnehmen. Dies macht die Entwicklung des Menschen zum Menschen aus und zeigt die Gesundheit einer politischen Gemeinschaft an. Korrupte, diktatorische und autoritäre Systeme sind deshalb durch de­mokratische Ordnungen der Mitbeteiligung zu ersetzen[138]. Mitbeteiligung und Teilnahme sind hier die Schlüsselworte für das Wesen der Demokratie.

Gelten solche Aussagen nur für den Staat? Wenn die Kirche schon von Teilhabe spricht, dann muss sie diese auch ernsthaft bei sich selbst meinen, um nicht unglaubwürdig zu werden. Sollen Katholiken im Staat Erwachsene, in der Kir­che Kinder gegenüber der kirchlichen Autorität sein, »in kindlicher Anhänglichkeit gegenüber dem Papst«, wie es ein neueres Dokument sagt[139]?

Menschenwürde hat etwas mit »aufrechtem Gang« zu tun. Das Zweite Vatikanische Konzil und die Lehre der Kirche danach haben sich sehr für die Menschenwürde eingesetzt. Sie wollen die Menschen ermutigen, den aufrechten Gang zu gehen. Das gilt auch für die Menschen innerhalb der Kirche. Ist Mitbestimmung in der Kirche nicht Ausdruck eines sol­chen »aufrechten Ganges«?

Schließlich sind die Christgläubigen in besonderer Weise berufen, die Kultur auf ihr christliches Ethos hin kritisch zu befragen und entsprechende Ansätze in die Kultur einzu­bringen. Das bedarf um der Sendung der Kirche willen auch umfassender Strategien. Wenn die Christgläubigen es sind, die diese Aufgabe zu leisten haben, dann bringen sie hier die Sachkompetenz ihres Lebens und die christliche Kompetenz des Glaubens ein. Dies alles rechtfertigt umfassende Mitspra­che bei der konkreten Gestaltung des Sendungsauftrages in unsere Zeit, in unsere Kultur und in die verschiedenen Le­bensbereiche. Es kann doch wohl nicht angehen, dass allein die Amtsträger diese Wege der Evangelisierung und Inkulturation bestimmen, dazu haben sie gar nicht die hinreichende Kompetenz. Ihre Kompetenz ist eine andere. Es muss geklärt werden, wie die Mitsprache der Christgläubigen in diesem Zusammenhang von der Ebene eines freundschaftlichen Um­gangsstiles auf die Ebene von Mitbestimmung gehoben wird.

Dialog ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein Schlüsselbegriff. Dialog mit der Welt, mit der Ökumene und den nichtchristlichen Religionen. Wenn Kirche vom Prinzip her dialogisch sein will, orientiert am Gespräch Gottes mit den Menschen, am Gesprächsstil Jesu, dann muss dieser Dia­log auch in der Kirche erfolgen. Hier kommt auch die Un­fehlbarkeit in »credendo« (im Glauben) zum Ausdruck.

Wie erfolgt das Gespräch über den gemeinsamen Glau­benssinn aller in der Kirche? Spielt er bei Lehräußerungen überhaupt eine Rolle, wie wird er erhoben? Genügt es eigent­lich den Christgläubigen, diese Unfehlbarkeit nur in »credendo« an den Tag zu legen? Sie müssen doch in vielfältiger Weise Zeugnis für diesen Glauben in der Welt ablegen. Sie werden damit zu »Dozierenden«. Wie geht hier die Unfehl­barkeit in »credendo« in die Unfehlbarkeit in »docendo« über? Die Erklärung der Verbindlichkeit ist dann noch ein­mal etwas ganz anderes und obliegt dem Lehramt.

Wie wurde und wird das gesehen. Augustinus ist überzeugt, dass der Heilige Geist selbst die Gläubigen belehrt. Der innere Lehrer ist Christus. Die Predigt des Bischofs ist für ihn Werkzeug, Hilfsmittel und Dienstleistung[140]. Hilarius von Poitiers betont in den Wirren des Arianismus (nach dem Konzil von Nicäa), dass die Ohren der Gläubigen heiliger als die Herzen der Priester sind. Die Gläubigen hören trotz allem Reden das Richtige. Das Volk bewahrt den rechten Glauben. Newman betont in einer Untersuchung 1859, dass in dieser Zeit trotz großer Kirchenlehrer und glaubenseifriger Bischöfe die Tradition weit mehr durch die Gläubigen gesichert worden sei. Seine Ernennung zum Kardinal rettete ihn vor dem Index. Wörtlich sagte er: » …ich behaupte…; dass die Gesamtheit des Episkopates als Körperschaft seinem Amte untreu war, während der Laienstand als Ganzes seiner Taufgnade treu blieb[141].« Bei seiner These bezog er sich auf den italienischen Theologen G. Perrone, der im Zusammenhang der geplanten Dogmatisierung der unbefleckten Empfängnis Mariens die Bedeutung des »sensus fidelium« (Der Glaubenssinn der Gläubigen) für die Begründung eines Dogmas herausstellte. Deshalb bat auch Pius IX die Bischöfe zu erkunden, welches Verlangen das Gläubige Volk danach habe, dass dies vom Heiligen Stuhl entschieden würde. Scheeben unterschied Ende des 19. Jahrhunderts zwischen dem Lehrkörper und dem Glaubenskörper. Beide stehen unter dem Einfluss des Heiligen Geistes und sind aufeinander bezogen. Es war die Zeit, in der die Idee des Laienapostolates sich verbreitete. Im 20. Jahrhundert vor allem mit dem Mariendogma von 1950 mehrten sich die Stimmen zum »Sensus fidelium«. Sie sind Mitbürgen der Wahrheit. Das II. Vatikanische Konzil hat sich dafür entschieden, dass beide – das Lehramt und der Glaubenssinn – gleichunmittelbar von Gott bewirkt seien[142]. Die Gläubigen haben die Möglichkeit und sogar die Pflicht, was das Wohl der Kirche angeht, ihre Meinung zu sagen. So schreibt es: »(Lg 12.) Das heilige Gottesvolk nimmt auch teil an dem prophetischen Amt Christi, in der Verbreitung seines lebendigen Zeugnisses vor allem durch ein Leben in Glauben und Liebe, in der Darbringung des Lobesopfers an Gott als Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen (vgl. Hebr 13,15). Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie "von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien" ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert. Durch jenen Glaubenssinn nämlich, der vom Geist der Wahrheit geweckt und genährt wird, hält das Gottesvolk unter der Leitung des heiligen Lehramtes, in dessen treuer Gefolgschaft es nicht mehr das Wort von Menschen, sondern wirklich das Wort Gottes empfängt (vgl. 1 Thess 2,13), den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 3) unverlierbar fest. Durch ihn dringt es mit rechtem Urteil immer tiefer in den Glauben ein und wendet ihn im Leben voller an. Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern "teilt den Einzelnen, wie er will" (1 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden. Durch diese macht er sie geeignet und bereit, für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen gemäß dem Wort: "Jedem wird der Erweis des Geistes zum Nutzen gegeben" (1 Kor 12,7). Solche Gnadengaben, ob sie nun von besonderer Leuchtkraft oder aber schlichter und allgemeiner verbreitet sind, müssen mit Dank und Trost angenommen werden, da sie den Nöten der Kirche besonders angepasst und nützlich sind. Außerordentliche Gaben soll man aber nicht leichthin erstreben. Man darf auch nicht vermessentlich Früchte für die apostolische Tätigkeit von ihnen erwarten. Das Urteil über ihre Echtheit und ihren geordneten Gebrauch steht bei jenen, die in der Kirche die Leitung haben und denen es in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und das Gute zu behalten (vgl. 1 Thess 5,12.19-21).«

Es ist in der Regel so, dass die Christgläubigen Anteil haben am alltäglichen Lehren der Kirche. Hier ist Unfehl­barkeit nicht unmittelbar gefragt. In ihrem Verhalten aus dem Glauben heraus bestätigen sie ihre Überzeugung und entwickeln die Lehre der Kirche weiter, wenn sich neue gesellschaftliche Herausforderungen stellen. Wie bringen die Christ­gläubigen dies in die Lehräußerungen der Kirche ein, z.B. in die Soziallehre? Wenn sie zu Dialogpartnern berufen sind, dann bedarf dies der Gleichberechtigung der Partner in der Kommunikation, sonst kann ein Dialog nicht funktionieren. Das Lehramt ist letzt­lich dafür zuständig, dass die Ergebnisse dieses Dialoges im Glauben der Kirche stehen. Die Konkretisierung im Konzil fiel schon schwach aus. Nach dem Konzil gab es einige gelungene Versuche, so in den Gemeinsamen Synoden in Deutschland. Dieser Prozess ist eher eingeschlafen oder wird gezielt unterbunden.

In der Gestaltung von Ehe und Familie sind sicher nicht die Amtsträger die Experten. Sie pflegen ja einen ganz eige­nen Lebensstil, der kaum Erfahrungen über die komplexen Zusammenhänge von Ehe und Familie bietet. Trotzdem ent­wickeln sie auf diesem Gebiet präzise Handlungsmuster. Müsste da nicht von Kompetenzüberschreitung geredet wer­den? Gerade hier ist das Alltagswissen der Beteiligten ange­fragt. Sie müssen ihren Glauben in ihren Gemeinschaften realisieren. Wie aber können sie ihre Erfahrungen und Er­kenntnisse in den Prozess der kirchlichen Glaubensauslegung einbringen? Dafür sind keine Wege vorgegeben. Sie müssen aber geschaffen werden, wenn das Reden der Amtsträger und die Praxis der Ehen und Familien nicht noch mehr auseinander fallen sollen.

Sonntag für Sonntag erfahren Christen Gemeindegottes­dienst. Es gibt schon Formen der Mitsprache über Sachaus­schüsse. Vieles entzieht sich aber der Mitverantwortung. Die Antwort heißt dann in der Regel: »Wegbleiben«! Wie lange wird sich die Kirche dieses noch leisten können? Die Zahlen sprechen eine erschreckend deutliche Sprache. Dieser Trend wird durch den von der Amtskirche nicht gelösten Priestermangel nur noch stärker, auch der Dialog wird geringer.

Wie soll das mit den Eucharistiefeiern weitergehen? Die Gemeinden haben ein Recht darauf. Brautämter und Beerdigungsgottesdienste werden eingeschränkt. Wir wissen, dass gerade diese Gottesdienste eine große missionarische Bedeutung haben. Wer fragt die Be­troffenen? Auch dies macht deutlich, wie durch das fehlende kompetente Gespräch der Dissens in den Gemeinden wächst. Die Priester werden wegen der mangelnden Unterstützung »von oben« und den Ansprüchen der Gemeinden »von un­ten« zerrissen. Kommt es in pfarrlichen oder diözesanen Gre­mien einmal zu einem ernsthaften Gespräch, dann werden seitens der Amtsträger meistens die Schultern gezuckt, wenn es um deutliche Entscheidungen geht. Es wird auf den Bi­schof, die Bischofskonferenz und Rom verwiesen, das heißt konkret, es wird sich nichts ändern. Wie will aber eine Kir­che, die sich nicht ändern kann, zukunftsgestaltend wirken? Dafür bedarf es der Mitsprache der Christgläubigen in die­sen Fragen.

Es wird von einer Neuevangelisierung Europas gespro­chen. Kann so etwas nur in Zentralen vorbereitet und durch­dacht werden? Für Evangelisierung und Inkulturation sind doch vor allem die Christgläubigen zuständig. Wo ist der kommunikative Prozess, der so etwas von der Basis her in Bewegung bringt? Wer spricht Ziele, Methoden und Wege ab, wenn nicht die, die die eigentlichen Handlungsträger sol­cher Aktivitäten sind? So wird das Ganze wohl mehr eine gute Idee bleiben. Solche Prozesse lassen sich nur noch kom­munikativ und getragen von der Basis in Gang setzen. Groß­veranstaltungen mögen ermutigend wirken, sie ersetzen nicht den langwierigen Prozess einer kommunikativen Identifika­tion vieler mit einem gemeinsamen Anliegen. Dazu bedarf es demokratischer Formen.

Im Bereich der Ökumenischen Gottesdienste gibt es nach Auffassung vieler Laien Handlungsbedarf. Sie werden nicht einmal gefragt. Die Einheit der Kirchen scheint ihnen von der Zen­trale immer weniger gewollt. Es herrscht der Eindruck in den Gemeinden, dass nach einem ökumenischen Frühling schon wieder der Winter ausgebrochen sei. Die Szene in den höhe­ren Etagen ist von Verlustängsten geprägt. Echte Fragen an die Einheit von Seiten der Gemeinden werden eher abgewehrt als zugelassen. Auch dort, wo noch Möglichkeiten wären, wird eher hart reagiert. Wer aber fragt die, die im Gemeinde- und Lebensalltag mit Ökumene, z. B. in konfessionsverschie­denen Ehen, umgehen müssen?

Es gab und gibt in den letzten Jahren und Jahrzehnten ge­lungene Prozesse der innerkirchlichen Kommunikation. Der konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung zeigte eine Reihe von Möglichkeiten von basis­orientierten Aktionen. Viele Gruppen brachten sich in das Ge­schehen ein. Auch ökumenisch war ein neuer Aufbruch zu spüren. In wichtigen Zukunftsfragen der Menschheit wurden große Gemeinsamkeiten erzielt. Die Versammlung in Basel war nach über 1000 Jahren Zerspaltung der Christenheit in Europa ein großes Ereignis, das viele bewegt hat. Sie fanden neue Hoffnung, dass es mit den Kirchen doch weitergehen kön­ne, und sahen ernsthafte Wege, zur Inkulturation des Evange­liums beizutragen. Seoul (1990) brachte dann die Ernüchte­rung in jeder Beziehung. Gleich aus welchen Gründen auch immer, sah sich der Vatikan außerstande, offizielle Delegierte nach Seoul zu senden. Erfreulicherweise hat eine große Zahl von katholischen Einzelpersonen unter erheblichem finanziellen Aufwand die Reise nach Seoul gemacht, um an der dorti­gen Abschlusstagung des konziliaren Prozesses teilzunehmen. Die Enttäuschung über das offizielle Verhalten war jedoch groß. Es entstand der Eindruck, dass man im Vatikan nicht sehr bereit ist, mit solchen Initiativen von unten umzugehen.

Es gibt gelungene Beispiele für Diözesansynoden, in denen sich einiges bewegt hat, soweit dies möglich ist. Auch in den nachkommenden Gremien wird vielfach gute Arbeit gelei­stet, die aber immer wieder an ihre Grenzen stößt. Dies kann auf Dauer frustrierend wirken.

Es gibt andererseits genügend Beispiele für Alleingänge von Bischöfen und bischöflichen Verwaltungsstellen, die wichtige Entscheidungen im Bistum ohne Rücksprache mit ihren Gremien fällen. Beschlüsse von Gremien werden nicht in Kraft gesetzt, oder irgendwann hält man sich nicht mehr daran, ohne darüber zu reden. Dies geschieht auch manchmal nicht mit Absicht, sondern es wird einfach nicht daran ge­dacht, und das spricht Bände. Diese Vorgänge machen das Ungenügen und die Labilität des bisher Erreichten deutlich. Sie sind der beste Beweis dafür, dass es ohne klare Regelun­gen der Mitverantwortung nicht geht. Wenn Verstöße gegen den postkonziliaren Geist nur Stilprobleme sind, dann hat sich wenig geändert. Sie müssen zu Strukturproblemen wer­den, damit ihre Bedeutung erkannt wird. Einige synodale Prozesse wurden einfach abgebrochen. Das ist nicht gut.

All dies sind Anfragen an mehr Demokratie in der Kirche. Es ließe sich sicher noch mehr beibringen, aber diese mögen hier genügen. Lösungen sind damit noch keine gegeben. Um die muss gerungen werden. Dies ist aber bitter notwendig, um den Verdruss an der Kirche nicht noch weiter wachsen zu lassen.

In der Kirche kann bezüglich der Wahrnehmung von »Herrschaft« durchaus von einem erheblichen Legitima­tionsverlust gesprochen werden. Dieser braucht hier nicht herbeigeredet zu werden, er ist vorhanden und muss um der Autorität der Leitung willen aufgearbeitet werden. Legitima­tionsverlust liegt in der Sprache der Sozialwissenschaften dann vor, wenn die Begründung der Autorität in einem Sy­stem den Betroffenen nicht mehr plausibel ist. Wer sich auf den Weg des Fragens begibt, warum die Legitima­tion der Kirchenleitung abnimmt, wer sich bemüht, diesen Verlust aufzuarbeiten, leistet der Legitimität, dem Anerkanntsein einer Ordnung, einen Dienst. So sollen auch diese Ausführungen betrachtet werden[143]. Die Kirche lebt vom gegenseitigen Vertrauen, das scheint vielerorts gestört zu sein.

Die Kirche wird auf all ihren Ebenen um Communio bemüht sein müssen, damit sie nicht auseinander fällt. Zu Communio gehört auch die innere Zustimmung der Betroffenen. Für diese bedarf es einer umfassenden Kommunikation. Dabei muss auch die Kommunikation der Kirche mit der umgebenden Welt gefördert werden. In diesem kirchlichen Kommunikationsprozess hat das Amt die besondere Sorge des Dienstes an der Einheit, einmal mit der Tradition und zum anderen mit der Gegenwart des Glaubens in der Kirche. »Die Orientierung am Neuen Testament ermutigt dazu, auf allen Ebenen kirchlichen Lebens in Theorie und Praxis Formen der Kommunikation zu entwickeln und zu pflegen, die der geschwisterlichen Gemeinschaft der Glaubenden entsprechen.«[144]

6.2. Der Verlauf der Diskussion

6.2.1. Ende oder Anfang eines Änderungsprozesses

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil steht das Thema der Demokratisierung auf der Tagesordnung. In der letzten Zeit ist es darum etwas ruhiger geworden. Aus der Diskussion sollen zwei Richtungen wiedergegeben werden: Die erste, die mit der bisherigen Entwicklung im Prinzip zufrieden ist und allenfalls noch einige Ergänzungen und Änderungen erwar­tet. Hier ist dann Mitspracherecht oft nur als eine Art Anre­gung verstanden. Die andere, die glaubt, dass eigentlich die Überlegungen erst begonnen haben und noch Entscheiden­des geschehen muss. Nicht diskutiert werden sollen die An­sätze, die hinter das Erreichte noch zurückgehen wollen.

6.2.2. Es kommt auf den Stil des Umgehens an

A. Dordett geht davon aus, dass in der Kirche nicht von einer überwundenen Zwei-Klassen-Theorie gesprochen werden könne. Alle Glieder stünden zwar in der Nachfolge der Apo­stel, jedoch nicht in der gleichen Sendung und Vollmacht. Nach seiner Auffassung sind auch die Pfarrer vom Konzil mit einer qualifizierten Hirtenautorität und Verantwortung aus­gestattet, die sie in Unabhängigkeit ausüben können. »Sie selbst müssen nach ihrem gewissenhaften Ermessen über die Weise ihres Leitungsdienstes, über Personalfragen und über Schwerpunkte des Apostolates bestimmen.«[145] Was bleibt, ist ein Recht »auf Gehör«, ein Mitspracherecht, das bald beratend, bald mitentscheidend anzuwenden ist. Dies begründet sich daraus, dass alle am Apostolat Anteil haben. Ob der Autor die Gedanken des Konzils adäquat erfasst hat, erscheint sehr fraglich.

Weiter geht L. Roos. In seinem Grundsatzbuch über »De­mokratie als Lebensform« unterscheidet er diese von der De­mokratie als Herrschaftsform. Dies bedeutet für ihn, dass in analoger Weise Prinzipien der Demokratie als Herrschafts­form auf andere gesellschaftliche Gebilde übertragen werden. Dabei ist sowohl die Gültigkeit des Prinzips als auch die Ei­gengesetzlichkeit der jeweiligen gesellschaftlichen Institution zu beachten[146]. Nachdem ein wertfreies Demokratieverständ­nis einem solchen gewichen ist, das zur Grundlegung der Demokratie durchaus eine Wertebasis braucht, hält er dies für möglich. Im Sinne einer Demokratie als Lebensform be­jaht er eine Demokratisierung der Kirche. Konkrete Schlüsse zieht er nur wenige, sondern stellt nur einige grundsätzliche Fragen. So ist über das Ethos der Demokratie weiter nach­zudenken. Es kann gefragt werden, ob das Konsensprinzip nicht demokratischer sei als das Mehrheitsprinzip. Können Befreiungstheologie und »Kirche von unten« in ihrem Be­streben zur Demokratisierung noch als legitim bezeichnet werden? Hier sieht er deutliche Grenzen[147].

6.2.3. Es bedarf der Änderung

1970 erschien ein Memorandum des Bensberger Kreises über die Demokratisierung der Kirche in der Bundesrepublik Deutschland[148]. Es handelt sich hierbei um eine umfangreiche Arbeit, die den historischen und theologischen Kontext die­ser Problematik intensiv angeht. Damals herrschte noch die Aufbruchstimmung des Konzils und es war die Zeit kurz vor der Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutsch­land. Des Weiteren beschäftigt sich das Memorandum mit den Problemen, die sich einer Demokratisierung in den Weg stel­len. Es werden konservative Einstellung im Sinne des behar­renden Bewahrens und ernsthafte dogmatische Fragen ge­nannt und unterschieden. Die erstere müsse überwunden werden. Bei den letzteren wird vom Ansatz des Konzils und einer geschichtlichen Auffassung der Entwicklung kirchli­cher Strukturen her ein intensiver Denkprozess notwendig sein. Dabei wird die Unterschiedlichkeit zur Demokratie im staatlichen Bereich durchaus gesehen. Die Kirche hat eine Stiftung von Jesus her zu bewahren und weiterzugeben. Ohne Ämter geht es weder im Staat noch in der Kirche.

Die gegenwärtige Verfassung der Kirche kennt jedoch keine Elemente demokratischer Willensbildung, sieht man einmal von den Bischofskonferenzen und Domkapiteln ab, die ihrerseits nicht demokratisch legitimiert sind. Einzig in den Verwaltungsräten gibt es eine demokratische Struktur. Die nachkonziliaren Gremien rechtfertigen es meist nicht, von einer »Demokratisierung der Kirche« zu sprechen, in vielen ist die Mehrheit nicht gewählt, und sie haben alle nur beratende Stimme.

Gegen Demokratie steht oft »Hierarchie«. Wird darunter »Heilige Herrschaft« verstanden, dann ist dies tatsächlich ein Widerspruch. Wird damit aber »Heilige Ordnung« oder noch besser »Heiliger Ursprung«, wie das Wort in seiner Ur­bedeutung sagt, gemeint, dann ist darin die Ordnung der Dienste in Charismen in der Kirche angesprochen. Die real existierende Ordnung ist nur zum Teil theologisch notwen­dig. Das hat ja auch das Konzil gezeigt. Über Weiterentwick­lungen muss ständig nachgedacht werden.

Das Amt hat unter den Charismen in der Kirche seine unvertauschbare, unabdingbare und eigenständige Funk­tion. Seine Aufgabe ist nicht die Kumulation, sondern die Integration der Charismen, der Dienst an der Einheit[149]«. Am Prozess der Erkenntnis der Wahrheit ist die ganze Kirche beteiligt, die authentische Bezeugung der Wahrheit ist Sache des Amtes.

Es gab immer demokratische Elemente in der Kirche. Die hierarchische Struktur ist nie in Vollendung durchgeführt worden. Sie wurde immer durch andere Strukturelemente durchbrochen. »Zumindest unter den heutigen gesellschaftli­chen Bedingungen können demokratische Formen in der Kirche ein weit größeres Recht beanspruchen als ehedem feudale, monarchische, aristokratische und absolutistische Formen.[150]« Es kann hinzugefügt werden, dass dies auch für Formen gilt, die aus dem römischen Beamtenrecht übernom­men wurden.

Der Bensberger Kreis entwickelte 1970 kein fertiges Mo­dell einer Demokratisierung der Kirche. Demokratisierung von Staat und Gesellschaft ist ein nie abgeschlossener Prozess, der auch für die Kirche eine bleibende Aufgabe darstellt. Ein solcher Prozess wird auch Auswirkungen auf die Struktur der Kirche und das theologische Selbstverständnis haben. Das Memorandum wollte einige Wegweiser für diesen Prozess setzen.

Das KirchenVolksBegehren, begonnen im Sommer 1995 in Österreich, Deutschland und der Schweiz, will im Geiste des 2. Vatikanischen Konzils und der Gemeinsamen Synode der deutschen Bistümer die vorhandenen Dialogprozesse und Initiativen zusammenführen, unterstützen und voranbringen, damit die katholische Kirche ihre Aufgaben in der weltweiten Ökumene wahrnehmen kann. Die Forderungen beziehen sich auf folgende Themenfelder: Aufbau einer geschwisterlichen Kirche, volle Gleichberechtigung der Frauen, freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform, positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen und Frohbotschaft statt Drohbotschaft[151].

Dabei kann sich diese Erklärung auch auf das neue Kirchenrecht berufen, die den Gläubigen das Recht und manchmal sogar die Pflicht zuspricht, die geistlichen Hirten in Sachen die das Wohl der Kirche angehen ihre Meinung mitzuteilen[152].

Diese Bewegung -aus Österreich kommend- hatte sicher eine Vorgeschichte z.B. in den Erklärungen von Theologen wie der Kölner (1989) und der Tübinger (1990) Erklärung. Maßnahmen wie Bußschweigen oder Treueid und andere hatten eine große Unzufriedenheit gestiftet[153] ,die auch die Gläubigen ergriff.

Hingewiesen sei noch auf die Bewegung "Kirche von unten". Die IKvu versteht sich als eine Initiative für die Erneuerung der Kirche. Nach ihrer Überzeugung ist Kirche die Gemeinschaft der Gläubigen der gesamten Christenheit. Von oben erleben die Christen zu sehr das Vertrauen in die Konservierung bestehender Strukturen. Dagegen setzt IKvu auf eine Erneuerung von unten, aus der Erfahrung des gelebten Christentums, das den Nöten der Zeit nahe ist. Wenn sich die Kirche dem Wirken des Geistes öffnet, wird sie Pluralismus zulassen, ohne sich in Beliebigkeit zu verlieren[154].

Wie man auch dazu stehen mag, diese Bewegungen sind deutliche Symptome für Unzufriedenheit und nicht gelöste Probleme. Das Konzil sagt in Lumen gentium: »Auf ihrem Weg durch Prüfungen und Trübsal wird die Kirche durch die Kraft der ihr vom Herrn verheißenen Gnade Gottes gestärkt, damit sie in der Schwachheit des Fleisches nicht abfalle von der vollkommenen Treue, sondern die würdige Braut ihres Herrn verbleibe und unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes nicht aufhöre, sich selbst zu erneuern, bis sie durch das Kreuz zum Lichte gelangt, das keinen Untergang kennt.[155]«

Wenn Kirche Einfluss auf die Kultur einer demokratisier­ten Gesellschaft behalten will, dann muss sie sich selbst dahin auf den Weg machen. Die Kirche muss dauernd reformiert werden (ecclesia semper reformanda). Diese Reform steht mit der Demokratisierung in ei­nem Wechselverhältnis.

Wichtig in diesem Prozess sind die Anerkennung der inner­kirchlichen Öffentlichkeit und die Zulassung von Kritik als Innovations- und Kontrollinstrument der Kirche. Dabei geht es nicht um eine Scheinöffentlichkeit. Beratungen und Ver­handlungen müssen Öffentlichkeitscharakter haben.

Ebenso wichtig ist aber auch der Raum der Privatheit. Hier hat die Freiheit des Menschen ihren besonderen Ort. Insbesondere ist die Freiheit seines Gewissens zu achten. Dazu gehört eine intensive Gewissensbildung.

Pluralität ist in unserer Gesellschaft gegeben. Sie muss auch in unserer Kirche und den Gemeinden geachtet wer­den. Minderheiten müssen ihr Recht haben. Knappe Mehr­heitsbeschlüsse sind in organisatorischen Fragen durchaus möglich. Je mehr es um Grundsatzfragen geht, muss versucht werden, einen Konsens zu erreichen. Ist dieser nicht mög­lich, so muss nach alter kirchlicher Praxis eine Frage offen gelassen werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Frei­heit der Forschung und des Lehrens zu sehen.

Zur Demokratisierung der Kirche gehört auch die volle Gleichberechtigung der Frau.

Es bedarf einer Demokratisierung der Strukturen der Kir­che. Dazu müssen Gremien geschaffen werden, die auf Grund von freier und geheimer Wahl zustande kommen und Dauereinrichtungen sind. Die Institution der Pfarrgemeinde­räte ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Der Pfarr­gemeinderat muss über die kirchlichen Fragen in der Pfarrei mitentscheiden. Ihm gehört auch die finanzielle Kompe­tenz.

Auf Diözesanebene muss das eigentlich entscheidende Gre­mium - auch in Finanzfragen - der Seelsorgerat sein. Auf der Ebene der Bundesrepublik ist eine nationale synodale Struk­tur zu schaffen. Dieses Gremium muss echtes Entscheidungs­recht haben und darf nicht erneut von Rom abhängen. Die residierenden Bischöfe müssen in diesem Gremium Mitglie­der sein und in wichtigen Fragen ein Vetorecht haben.

In der Kirche muss es Amtsträger geben. Mit der Aus­übung eines Amtes ist aber die Gefahr der Isolierung gege­ben. Die Legitimierung des Amtes durch das Wort Gottes und den Glaubenssinn der Gläubigen ist gefordert. Dies ist noch nicht genügend theologisch reflektiert. Das Konzil sagt in der Konstitution über die Kirche:»Denn die Amtsträger, die mit heiliger Vollmacht ausgestattet sind, stehen im Dienste der Brüder.«[156] Stil und Mittel der Machtausübung in der Kirche müssen von diesem Geist geprägt sein. Laien wer­den vom Konzil zur Kritik aufgerufen. Sie sollen den Amts­trägern in Wahrhaftigkeit, Klugheit, Ehrfurcht und Liebe die Meinung darüber sagen, was dem Wohl der Kirche dient. Dazu sollen entsprechende Einrichtungen geschaffen wer­den. Zu dieser Meinungsäußerung haben die Laien das Recht und gelegentlich auch die Pflicht. Hierzu müssen Formen gefunden werden, wie Amtsträger kritisch befragt werden können.

Die Demokratisierung der Kirche fordert auch eine Wahl der Amtsträger. Diese kann ja in der Kirche auf eine lange Tradition zurückgreifen. Es geht dem Memorandum vor al­lem um die Wahl der Pfarrer, der Bischöfe und des Papstes. Damit sollen in Deutschland die vorhandenen Gremien befasst werden. Dazu sind entsprechende Modalitäten zu ent­wickeln. Der Bischof kann dem Pfarrgemeinderat eine Kan­didatenliste einreichen, zu der dieser schon Vorschläge ge­macht hat. Ähnliches wäre für den Diözesanbischof denkbar. Es müsste eine Altershöchstgrenze, am besten jedoch eine Begrenzung der Amtszeit geben. Schiedsstellen sind einzurichten, an die sich überstimmte Minderheiten oder der Pfarrer bzw. der Bischof wenden könnten.

Die Synode in der Bundesrepublik war ein Testfall für die Bistümer der Bundesrepublik. Sie sollte ja die Entwicklungen des Konzils auf Deutschland übertragen. Im Nachhinein lässt sich sagen, dass die Synode diesen Test im Wesentlichen bestanden hat. Nur ist in der Folgezeit die Türe zu weiteren Entwicklungen zugeschlagen worden. Jedenfalls hat die Synode gezeigt, was schon möglich ist.

Auch muss es einen Weg in der Gesamtkirche oder den Regionalkirchen geben um festzustellen, wo Wahlen nicht, z.B. aus politischen Gründen, oder noch nicht möglich sind.

6.2.4. Autorität bedarf der Demokratisierung

Für Hoefnagels bedeutet Demokratie in der Kirche nicht, dass das Volk die von Gott in seiner Kirche ausgeübte Autorität übernimmt, sondern nur: »... dass das Kirchenvolk an der Führung der Kirche als der die Unterwerfung unter Gottes Willen wollenden menschlichen Vergemeinschaftung aktiv beteiligt ist«[157]. Demokratie in diesem Sinne ist in der Kirche nur möglich, wenn sich demokratische Haltung, de­mokratische Spielformen und Sitten entwickeln. Sie kann nur das Ergebnis eines Prozesses von »trial and error« (Versuch und Irrtum) sein.

Durch eine demokratische Autorität ist nicht die Sendung in das Belieben der Mitglieder gestellt. Der Gemeinschafts­wille zielt, insofern er vom Geist Gottes getragen ist, darauf hin, dass Gottes Wille die Kirche führe. Dazu muss, soziologisch gesprochen, das Maß an Konsens gesichert werden, das die Einheit im Glauben erhält, sonst bricht die Kirche auseinander. Diese Einheit bezieht sich nicht nur auf die Ge­genwart, sondern auch auf die Vergangenheit. Die Kirche muss immer in der Offenbarung Gottes bleiben, sonst ent­zieht sie sich selbst die Existenzgrundlage. Demokratisierung aber führt zu Pluralismus, so wird gesagt, und das macht Leuten mit zentralistischen Autoritätsvorstellungen Angst. Um der Eigenverantwortung der Gläubigen willen muss diese Form der Autoritätsausübung aber geändert werden. Leider erfahren Vertreter maßvoller Erneuerungen immer wieder so viel Widerstand, dass sie der Versuchung des Radikalismus erliegen oder aber resignieren.

Zur Demokratisierung in der Kirche gehören eine Mentalitätsänderung und der Dialog. Die Sicherung einer fruchtba­ren Diskussion mit Konservativen und Progressiven ist ein wichtiger Schritt. Die Öffentlichkeit der Debatten trägt zur Beteiligung des Kirchenvolkes und so gewissermaßen zur Kontrolle bei. Dazu gehört auch Meinungsfreiheit in der Kirche. Bei einem zukünftigen Konzil müssen Laien Sitz und Stimme haben. Über nationale und internationale Bischofs­konferenzen kann der weltweite Dialog gefördert werden, daraus kann sich dann ein Weltrat der Bischöfe entwickeln, der sich gegenüber der römischen Bürokratie eher durchset­zen kann. Klerus und Kirchenvolk müssen bei der Bestellung und Abberufung von Bischöfen mitwirken. Es muss Raum für Gemeindeexperimente mit andern Strukturen geben.

»Aufbruch der Christen, das Ende der klerikalen Kirche« nennt Leo Karrer sein Buch, das er nach der Bischofssynode 1987 geschrieben hat[158]. Er geht dabei von der Feststellung aus, dass die umfangreiche und vielfältige Mitarbeit von Laien in der Kirche auch andere Formen der Mitbestim­mung nötig macht. Er fordert eine synodal verfasste Kirche. Damit greift Karrer die Idee auf, die die beiden Limburger Bischöfe Wilhelm Kempf und Walther Kampe auf dem Kon­zil anstießen und die damals zur Bezeichnung Synodalord­nung im Bistum Limburg führte. Die Grundoption ist die polare Verfasstheit der Kirche aus Laien und Amtsträgern auf allen kirchlichen Ebenen. Es darf keine Sieger und Besiegte geben, sondern in dieser synodalen Option muss gewährlei­stet sein, dass ein fairer Diskurs stattfindet. Ämter in der Kirche sind grundsätzlich keine Herrscher, sondern Dienste. Das „Hochwürden“ muss nicht nur auf dem Papier, sondern auch in den Köpfen abgeschafft werden. Ämter sind Dienste und die Gläubigen sind Trägerinnen und Träger von geistgeschenkten Charismen zur Auferbauung der Gemeinde. Diese Charismen gilt es intensiv zu nutzen. Die Charismen sind in den paulinischen Gemeinden die grundlegenden Funktionen, alle Funktionen der Gemeinde werden hierzu gerechnet, auch die Aufgabe der Verwaltung und Leitung. Erst in den Pastoralbriefen geschieht hier eine Unter- und Überordnung. Im kommunikativen Prozess wurde immer wieder versucht, die Einheit herzustellen[159].

Die Form der kommunikativen Demokratie in der Kirche ist zwar schwieriger zu praktizieren als die übliche Demokratie, aber der Kirche durchaus gemäß. Dazu bedarf es klarer Kompetenzregelungen von der Basis der Pfarrei her, über Bistümer, Nationen/Regionen bis auf die Ebene der Weltkirche. Wenn auf den anderen Ebenen die Mitwirkung von Laien möglich und gefordert ist, dann muss sie dies auch auf weltlicher Ebene sein, bis hin zur Teilnahme an Konzilien.

Mit diesem Weg gibt sich die Kirche die Möglichkeit, den Menschen differenzierter zu begegnen. Bei einer Option für eine synodale Kirche stellt sich heraus, dass dies auch eine dezentralisierte Kirche erfordert. »Damit sind Impulse zur Kirchenreform aufgegriffen worden, deren Nichteinlösung als schwere Konfliktursachen und Störungen des innerkirchlichen Friedens namhaft gemacht worden sind.«[160]

6.2.5. Linien der Diskussion - Fazit

Es geht bei der Demokratisierung der Kirche um mehr als um einen neuen Stil. Der Prozess der Demokratisierung ist in der Kirche möglich, da auch die moderne Demokratie nicht wertfrei und ohne verbindliche Grundlage ist. Langfristige Prozesse müssen in die Wege geleitet werden. Viele Fragen sind zu diskutieren, so z. B. wann Mehrheiten gefragt sind oder wann Konsens erreicht werden muss. Dieser Konsens ist nicht nur zwischen den heute Lebenden herzustellen, son­dern muss den Willen des Stifters beachten und sich auf seine Wiederkunft ausrichten. In der Kirche herrschen weder das Amt noch das Volk, sondern alle sind dazu gerufen, den Wil­len Gottes zu tun. Es geht darum, wie dieser Wille in unserer Zeit am besten erkannt und umgesetzt wird. Darüber muss zwischen den Konservativen und Progressiven, zwischen Amtsträgern und Christgläubigen ein geschwisterlicher Dia­log in Gang gesetzt werden.

An diesem Dialog sind Frauen und Männer gleichberech­tigt zu beteiligen. Der Dialog könnte in einer strukturierten synodalen Option in einer bipolar verfassten Organisation wie der Kirche geschehen. Dazu gehört aber auch, dass die Amtsträger umfassend gewählt werden. Mentalitätsänderung muss von der Basis her wachsen. Wenn eine von der Basis her erneuerte Kirche entsteht, dann werden sich viele dieser Fragen wie von selbst lösen.

6.3. Zur bisherigen Rezeption

6.3.1. Die Entwicklung von Mitverantwortungsstrukturen

Im Verlauf der letzten Jahrzehnte haben sich in der Kirche in Deutschland Mitverantwortungsstrukturen entwickelt, auf die hier besonders eingegangen werden soll. Dabei haben diese Strukturen teilweise eine Geschichte, die schon vor das Konzil zurückreicht.

6.3.2. Die Vermögensverwaltung

Die älteste verbindliche Mitbestimmungsstruktur ist im kirchlichen Vermögensverwaltungsrecht gegeben. Dieses Recht ist in der heutigen Form überwiegend eine Folge des Kulturkampfes. Damals wurde es der Kirche vom Staat auf­gedrängt, heute ist es durchaus positiv angenommen. Es geht von dem Prinzip aus: »No taxation without participation.« Steuern können nur erhoben werden, wenn die Steuerpflich­tigen bei der Verteilung der Steuern mitwirken. In den verschiedenen Ländern der Bundesrepublik gibt es verschiedene Ausformungen dieses Rechtes. Die Kirchengemeinden sind eigene Rechtspersonen im Sinne des öffentlichen Rechts, nämlich Körperschaften des öffentlichen Rechts[161]. Die Beschlussgremien kommen durch Wahl zustande, mancherorts durch Urwahl, im Bistum Limburg in der Wahl durch den Pfarrgemeinderat, der seinerseits, abgesehen vom Pfarrer, durch Urwahl zustande kommt[162]. Im Folgenden soll das Ver­mögensverwaltungsrecht des Bistums Limburg zugrunde ge­legt werden.

Dem Verwaltungsrat obliegt die gesamte Vermögensver­waltung einer Kirchengemeinde. Er hat das Haushaltsplan­recht, zugleich hat er die Jahresrechnung festzustellen. Er setzt sich zusammen aus dem Pfarrer als Vorsitzenden oder dem vom Bischöflichen Ordinariat Beauftragten für die Ver­mögensverwaltung und den vom Pfarrgemeinderat gewähl­ten Mitgliedern. Es ist ein stellvertretender Vorsitzender zu wählen, der im Verhinderungsfall oder im Auftrag des Vor­sitzenden handelt. Kapläne, so genannte Bezugspersonen (pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Pfar­reien wohnen und arbeiten, in denen kein Pfarrer mehr am Ort wohnt) und der Vorsitzende oder Stellvertreter des Pfarr­gemeinderates sind zu den Sitzungen einzuladen. Entschei­dungen kommen durch Stimmenmehrheit zustande. Das Bi­schöfliche Ordinariat hat bei bestimmten Rechtsgeschäften eine Aufsichtsfunktion. Hier ist echte demokratische Mitbe­stimmung gewährleistet. Der Pfarrgemeinderat hat be­stimmte Anhörungsrechte, so beim Haushaltsplan und einer Reihe von Baumaßnahmen.

Zum Diözesankirchensteuerrat gehören überwiegend ge­wählte Mitglieder. Er beschließt den Haushaltsplan, legt die Hebesätze fest und genehmigt die Jahresrechnung. Dabei gibt es Kooperationsformen mit dem Diözesansynodalrat. Zum Beispiel sind die von diesem festgelegten pastoralen Grundsätze vom Steuerrat zu berücksichtigen. Die Be­schlüsse werden mit Mehrheit gefasst. Erhebt der Bischof ge­gen einen Beschluss binnen vierzehn Tagen Einspruch, so muss neu darüber verhandelt werden. Kommt eine Zweidrit­telmehrheit der anwesenden Mitglieder zustande, dann ist der Beschluss endgültig. Im anderen Fall kann der Bischof entscheiden. Auch hier ist Demokratie gewährleistet. Hier wie bei den Pfarreien ist die Öffentlichkeit des Haushaltspla­nes gesichert.

Der Verband der Deutschen Diözesen lebt von Geldern der Bistümer. In den Entscheidungsgremien sind die Bistümer repräsentiert. Diese sind auch wieder an die Rahmenent­scheidungen ihres Steuerrates gebunden.

Auf der Ebene der Weltkirche gibt es für Christgläubige noch keine Mitwirkung bei der Finanzverwaltung. Es gibt allerdings auch keine Steuern, die auf dieser Ebene erhoben werden.

6.3.3. Die synodalen Gremien

Die Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland hat bewusst den Beschluss, in dem es um die Beteiligung des Gottesvolkes an der Sendung der Kirche geht, »Verantwor­tung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche« genannt[163].

Als Begründung für die gemeinsame Verantwortung wird die Schrift herangezogen: »Einer ist euer Meister, ihr alle seid Brüder« (Mt 23,8). Alle Glieder haben an dieser Verant­wortung kraft Taufe und Firmung Anteil. Dazu spendet der Geist seine Charismen aus.

Soweit die Amtsträger in »persona Christi« handeln, sind sie allein zu Entscheidungen legitimiert. Wenn die Kirche un­ter innerweltlichen Bedingungen handelt, ist Mitentschei­dung unter den Bedingungen unserer Zeit auch notwendig. Nach diesem Grundprinzip ist der Beschluss aufgebaut[164].

Die Laien haben in besonderer Weise den Auftrag zur Hei­ligung der Welt. Den Amtsträgern sind die Einheit und das Zusammenwirken der Dienste anvertraut. Der Amtsträger repräsentiert Christus als das Haupt der Kirche und übt in seinem Namen Autorität aus.

An dieser Stelle muss Bezug genommen werden auf das Amt »als die Repräsentation Christi als des Hauptes«. Diese Formulierung wird mehr und mehr zu einer Standard­formulierung in der Beschreibung des Amtes. Der Text (Eph 4,7-16) baut auf den Gnadengaben auf. Dabei haben Ämter den besonderen Dienst der Zurüstung des Heiligen für deren Dienst zur Auferbauung des Leibes Christi. Beides sind also Dienste. Ziel dieser Dienste ist es, in Wahrheit und Liebe das Haupt Christi zu erreichen. Von einer Repräsenta­tion des Hauptes durch die Ämter ist im Text und im Ver­ständnis des Textes keine Rede. Vor Überinterpretationen warnen auch Exegeten[165].

Die Synode betont dann, dass es für das kritische und so­lidarische Wirken der Christen in der Gesellschaft freie In­itiativen gibt, die nicht unter der Leitung des Amtes stehen. Hier muss es Formen der Zusammenarbeit geben[166].

Kommunikation, Kooperation und Teamarbeit sind Er­möglichungen von Mitverantwortung. Mitverantwortung beinhaltet aber auch das Mittragen von Entscheidungspro­zessen und dann auch das Mittragen der Konsequenzen. Umfassende Information und eine innerkirchliche öffentliche Meinung gehören dazu. Notwendig ist gediegene Sachkennt­nis und somit umfangreiche Bildungsarbeit.

Dem Pfarrgemeinderat wird zugewiesen, in allen Fragen, die die Pfarrgemeinde betreffen, je nach Sachbereichen und kirchlichen Regelungen beratend oder beschließend mitzu­wirken. Danach wird ein umfangreicher Handlungskatalog aufgestellt. Die Einrichtung eines Pfarrgemeinderates wird allen Pfarreien zur Pflicht gemacht. Wichtig ist das Einspruchsrecht des Pfarrers: »Erklärt der Pfarrer förmlich auf­grund der durch sein Amt gegebenen pastoralen Verantwor­tung und unter Angabe der Gründe, dass er gegen einen An­trag stimmen muss, so ist in dieser Sitzung eine Beschlussfassung nicht möglich. Die anstehende Frage ist im Pfarrge­meinderat in angemessener Frist erneut zu beraten. Kommt auch hier keine Einigung zustande, kann die zu bildende Schiedsstelle angerufen werden«[167]. Beschlüsse, die der ver­bindlichen Glaubens- und Sittenlehre oder dem diözesanen oder allgemeinen Kirchenrecht widersprechen, können nicht gefasst werden.

Auf Diözesanebene ist ein Pastoralrat zu bilden, in dem Priester, Ordensleute und Laien durch Beratung des Bischofs an der Willensbildung und Entscheidungsfindung und an den der gemeinsamen Verantwortung unterliegenden Aufgaben der Diözese teilnehmen. Wenn der Bischof förmlich und unter Angabe der Gründe erklärt, dass er einen etwaigen Beschluss nicht bestätigen könne, so kommt ein Beschluss in dieser Sit­zung nicht zustande. Beschlüssen, die mit großer Mehrheit gefasst werden, wird der Bischof nur dann seine Bestätigung versagen, wenn er einen überwiegenden Grund dafür hat, den er in der Regel dem Diözesanpastoralrat bekannt gibt[168]. »Die Beschlüsse des Diözesanpastoralrates werden für die einzelnen Diözesen verbindlich, wenn der Bischof dies für sein Bistum verfügt oder ein entsprechendes Gesetz erlässt.«[169]

Auf Ebene der Bundesrepublik wird eine gemeinsame Konferenz aus zwölf Mitgliedern der Bischofskonferenz und zwölf Mitgliedern des Zentralkomitees eingerichtet. Zu ihren Aufgaben gehören wechselseitige Information, Beratung von Schwerpunkten für den Verbandshaushalt, Koordinierung der Arbeit, z. B. der Beiräte. Dieses Gremium hat sich bisher als relativ ineffektiv erwiesen, da es keine echte Kompetenz hat.

Dem Verband der Diözesen Deutschlands soll in der Voll­versammlung je Bistum ein Mitglied aus dem Pastoralrat mit beratender Stimme angehören. Im Verwaltungsrat wird je­des Bistum durch drei Stimmen vertreten, gemeinsam Ver­waltungsrat und Domkapitel eine Stimme, dann noch je eine Stimme vom Diözesankirchensteuerrat und vom Pastoralrat[170].

Zu erwähnen sind noch die Katholikenräte, in denen Ka­tholiken ohne Einfluss des Amtes zur Koordinierung des Laienapostolates ein Gremium haben. Neben der Möglich­keit der Stellungnahme zu Fragen des öffentlichen und kirch­lichen Lebens hat der Katholikenrat vor allem das Wahlrecht zum Pastoralrat. In manchen Bistümern sind diese Räte in­zwischen durch gesellschafts- und kirchenpolitische Äuße­rungen auf einem vorsichtigen Weg der Profilierung.

In diesem Zusammenhang muss auf das Statut der Synode selbst hingewiesen werden. Die Mitglieder der Synode waren mehrheitlich gewählt. Die Mitglieder der Bischofskonferenz waren geborene Mitglieder. Eine Beschlussfassung war mög­lich, wenn mindestens zwei Drittel der Mitglieder anwesend waren, davon war dann eine Zweidrittelmehrheit für das Zu­standekommen eines Beschlusses notwendig. Falls die Bi­schofskonferenz erklärte, dass sie einer Vorlage aus Gründen der verbindlichen Glaubens- und Sittenlehre der Kirche nicht zustimmen könne, so war ein Beschluss der Vorlage nicht möglich, er konnte aber an die Ausschüsse zurückver­wiesen werden. Wenn eine Vorlage Anordnungen für den Be­reich der Bistümer enthielt, so kam eine Beschlussfassung in Form einer Anordnung nicht zustande, wenn die Bischofs­konferenz erklärte, dass einer solchen Anordnung für die Ge­setzgebung in den Bistümern die Zustimmung versagt werden müsste[171].

Das neue Kirchenrecht regelt inzwischen die Teilnahme von Laien an einer Diözesansynode in den Canones 460-468. Dabei wird das Stimmrecht aller Mitglieder außer dem Bi­schof für beratend erklärt. Er ist einziger Gesetzgeber der Synode. Nur kraft seiner Autorität dürfen Erklärungen und Dekrete der Synode veröffentlicht werden. Was soll da die Rede vom Volk Gottes und seiner Bedeutung?

Im neuen Kirchenrecht sind ferner Plenarkonzilien für den Bereich einer Bischofskonferenz, Provinzialkonzilien für eine Kirchenprovinz vorgesehen. In den Canones 439-446 werden deren Zuständigkeiten geregelt. Mit Stimmrecht neh­men alle Bischöfe (einschließlich Titularbischöfe) daran teil. Hinzu kommen mit beratender Stimme leitende Geistliche im Bistum wie der Generalvikar und die nichtbischöflichen Bischofsvikare. Die anderen eingeladenen Priester und Gläu­bigen haben auch nur beratende Stimme, ihre Anzahl darf aber die Hälfte der oben genannten nicht übersteigen. Das ist ein entscheidender Rückschritt gegenüber der Synode.

Bei der Bischofssynode, deren Einberufung und Mitglie­derbestätigung in der Hand des Papstes liegt, kommen nach Canon 342-348 Laien im eigentlichen Sinne nicht vor.

6.3.4. Der Prozess der Demokratisierung am Beispiel des Bistums Limburg

Auf der Synode wurde in etwa die Linie bestätigt, die im Bistum Limburg schon einige Jahre zuvor mit der Synodal­ordnung begonnen worden war. Es mussten aber auch einige entscheidende Kompromisse hingenommen werden, die sich schon zuvor teils sehr schmerzhaft angezeigt hatten.

Die Anfänge der Synodalordnung im Bistum Limburg ge­hen auf die Katholische Aktion (KA) zurück, die in Frank­furt schon 1946 offiziellen Status erhielt. Sie war eine eigen­ständige Organisation von Laien. 1965 fanden Wahlen in fast allen Pfarreien des Bistums statt. Es war die erste echte Wahl zu solchen Gremien. Weihbischof Kampe machte 1966 deut­lich, dass mit der Hereinnahme von Laien in die kirchliche Struktur die KA als Sonderorganisation zu bestehen aufhö­ren werde. Dies geschah aber nicht in einem Bruch, sondern die Gremien der KA beschlossen, einen vorläufigen Diöze­sanrat der Laien zu gründen. Der Priesterrat war schon zu­vor entstanden. Dieses Gremium entsandte mit dem Priester­rat Mitglieder in den ersten Seelsorgerat.

Dessen Hauptaufgabe war es, eine neue Ordnung zu ent­wickeln. Allein schon die Präambel von 1968 erregte den Zorn von Kirchenrechtlern.

»Das Volk Gottes im Bistum Limburg

- berufen von unserem Herrn Jesus Christus durch Taufe und Firmung zur Mitwirkung an der Heilssendung Seiner Kirche

- geeint in unserem Bischof und dem ihm unterstellten Diözesan-Presbyterium und

- getragen von dem Willen, dieser Berufung zur Verkündi­gung und zur Heilung, zum Weltdienst und zur Caritas zu folgen

- gibt sich folgende Grundordnung für die Ausübung seines Dienstes.«

Bei diesem Text war noch die unmittelbare Stim­mung des Konzils zu spüren, aber auch der Aufbruchsgeist der endsechziger Jahre[172].

Dieser Text war nicht durchzuhalten. Es kam dann auch zu dem Begriff der Synodalordnung, der sicher das Zu­sammen von Amt und Mandat gut ausdrückt und eine eigene kirchliche Tradition hat. Am 20. November 1968 wurde dann die Synodalordnung zur Erprobung in Kraft gesetzt. Sie ging weit über die Mustersatzung des Zentralkomitees hinaus. An die Stelle der Zuordnung »Amt und Laien« trat die Zuord­nung »Gemeinde und Amt«. Neu war, dass die stimmberech­tigten Mitglieder der Pfarrgemeinderäte außer dem Pfarrer alle durch Urwahl zustande kamen.

Es ging um kirchliche Demokratisierung. Dabei sollte nicht alle Gewalt vom Volke ausgehen, aber nach Möglichkeit sollten alle Entscheidungen vom Volk mitgetragen wer­den. Ein Beschluss sollte einerseits ohne die Zustimmung des Bischofs nicht zustande kommen, andererseits waren Be­schlüsse nur Wünsche und Anregungen an den Bischof, der sie durch eigene Entscheidung in Kraft setzen musste. Im Verlaufe der Entwicklung wurde dann die Kompetenz des Amtes auch durch römischen Druck wieder deutlicher her­ausgearbeitet. Eigentlich sollten Beschlüsse im Dialog erar­beitet werden und nach Zustimmung des Bischofs zustande kommen. Jetzt wurden sie erst durch einen eigenen Rechts­akt des Bischofs wirksam.

Diese Sicht der Synodalordnung und die Richtlinien für das Verfahren bei der Besetzung von Pfarrstellen und leiten­den Mitarbeitern des Ordinariates führten zum bekannten Bafile-Konflikt. Der damalige Nuntius Bafile hatte 1973 in einem Geheimschreiben dem Papst empfohlen, wegen dieser Großzügigkeiten den Bischof von Limburg faktisch abzuset­zen. Der Bischof wurde wieder angehalten, seine Autorität nicht aus der Hand zu geben. Im Kern war dies das Ende des Limburger Modells. Damit war auch der Kirche in Deutsch­land klar, wohin der synodale Weg zu gehen hatte. Aber im­merhin konnte einiges vom Limburger Modell in die Synode gerettet werden.

Bei der Novellierung der Synodalordnung im Bistum Lim­burg von 1977 durch eine Diözesansynode wurde im wesent­lichen die Synode Grundlinie der neuen Ordnung. Der Prozess der Demokratisierung hatte zwar gegenüber dem Zu­stand aus der Zeit vor dem Konzil Fortschritte zu verzeich­nen, aber doch noch nicht das erhoffte Ergebnis gebracht. Wenn der Eindruck nicht täuscht, nahm von da an die Be­deutung dieser Gremien ab. Ab etwa 2004 laufen Änderungsprozesse, die aber überwiegend auf räumliche Strukturen gehen.

Trotzdem ist diese Regelung immer noch fortschrittlich im Vergleich zu anderen Bistümern, in denen teilweise sogar re­striktiv vorgegangen wird.

6.3.5. Die Forderung einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit

Als Votum nach Rom hat die Synode eine umfassende Ver­waltungsgerichtsordnung und Ordnung für Schiedsstellen entworfen, nicht zuletzt deshalb, weil die entsprechende rö­mische Ordnung noch nicht fertig gestellt war. Ausgeschlos­sen sind Lehrstreitigkeiten und die Überprüfung von Rechts­normen. In diesem Fall muss das Verfahren ausgesetzt und eine Voranfrage nach Rom gestellt werden[173]. Außerdem ist dieser Weg nicht gegeben für Gottesdienst, Verkündigung und Sakramentenspendung. Hier bleibt es bei der unmittelbaren Zuständigkeit des Bischofs. Damit sollte verhindert werden, dass Beichte und Priesterweihe z. B. Thema solcher Verfahren werden. Wie aber ist es bei Entscheidungen über Taufaufschub? Sie wären nach diesem Verfahren nicht zuläs­sig; oder so wichtige Fragen wie Zahl der Gottesdienste, Ehe­vorbereitung, Brautmessen an Samstagen; all dies fällt aus der Kompetenz dieser Gerichtsbarkeit. Leider ist diese Ord­nung nie in Kraft gesetzt worden.

Das neue Kirchenrecht sieht ein Beschwerdeverfahren in den Canones 1732-1739 vor, das im Grunde nur Dekrete des Papstes und der Konzilien von einer Beschwerde ausnimmt. Der Beschwerdeweg geht über den Betroffenen oder direkt an den Vorgesetzten. Die Bischofskonferenzen können entspre­chende Ämter oder Räte einrichten, die billige Lösungen su­chen und anraten. Für diese Ämter oder Räte sind entspre­chende Bestimmungen zu erlassen. Bei Nichthandeln der Bi­schofskonferenz kann der Bischof für sein Bistum eine solche Einrichtung schaffen. Für den allgemeinen Verwaltungsbe­reich gibt es dies noch nicht, Schiedsstellen gibt es aber im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht der Kirche.

6.3.6. Mitwirkung bei der Bestellung von Amtsträgern

Wahlen für Amtsträger hat es im Verlauf der Kirchenge­schichte durchaus gegeben. Damit wäre also der Gegenbeweis, dass so etwas nicht möglich sei, ausgeschlossen. Hier hat sich nach dem Konzil nahezu nichts getan. Es gibt zwar ausführliche Bestimmungen über kanonische Wahlen, aber Mitwirkungsrechte von Laien bei der Bestellung von Amts­trägern in der Kirche tauchen im Codex nicht auf. Es können zwar bei einer Bischofsernennung von päpstlichen Gesand­ten Laien einzeln und geheim befragt werden (Can 377 § 3) Die Bischöfe werden jedoch vom Papst frei ernannt oder er bestätigt die rechtmäßig Gewählten.

Ratzinger hat zum Thema Demokratie in der Kirche schon Ende der 60er Jahre interessante und weit reichende Ausführungen gemacht. Er sieht Ansatzpunkte bei denen die Kirchenverfassung auf mehr Demokratie hinweist in der Radiusbegrenzung des Geistlichen Amtes, im Subjektcharakter der Gemeinden, in der kollegialen Struktur der kirchlichen Ämter und in der Lehre vom Glaubenssinn. Zum Wahlrecht in der Kirche führt er in einer vom ihm 2000 verifizierten Fassung des Buches aus: »a) Zu einer Amtsbestellung gehört entsprechend dem Ver­hältnis von Orts- und Gesamtkirche immer sowohl der ortskirchliche wie der gesamtkirchliche Aspekt. Wie die Gesamtkirche keine Bestellung ohne die jeweils nächste untere Einheit unternehmen sollte, so kann sachgemäß umgekehrt die Lokalkirche nie allein eine Amtsbestellung vornehmen. Der Anteil der Gesamtkirche muss umso um­fassender sein, je mehr das betreffende Amt ins Ganze der Kirche hineinragt. Da Wahl und Bestellung nicht zu tren­nen sind, kann das gesamtkirchliche Element keinesfalls einfach in die Weihe verlegt werden.

b) Oberster Gesichtspunkt bei der Bestellung kirchlicher Amtsträger muss immer die libertas Evangelii als Freiheit des Evangeliums von lokalen und partikulären Interessen sein - jene Regelung ist am besten, die diesem Gesichts­punkt am meisten gemäß ist.[174]«

Für die Ernennung der Pfarrer ist nach Canon 524 der Bischof zuständig, und zwar durch freie Übertragung, inso­fern nicht ein Vorschlags- oder Wahlrecht vorliegt. Die Über­tragung ist auf unbegrenzte Zeit, eine andere Anordnung für die Dauer der Übertragung kann die Bischofskonferenz erlas­sen.

Im Bistum Limburg gibt es, bei ähnlichen Lösungen nach der Synode, ein gewisses Mitwirkungsrecht bei der Bestel­lung von Pfarrern. Dies wird zwar durch den herrschenden und noch wachsenden Priestermangel immer obsoleter, aber es soll kurz dargestellt werden. Zur Vorbereitung der Aus­schreibung entwirft der Pfarrgemeinderat eine Beschreibung der Pfarrei und der Aufgaben. Neben Bewerbungen und Vor­schlägen kann auch der Pfarrgemeinderat Vorschläge ma­chen. Der Bischof designiert dann einen Pfarrer, der zusam­men mit dem Bezirksdekan ein Gespräch mit dem Pfarrge­meinderat führt. Über den Verlauf des Gespräches berichtet der Bezirksdekan dem Bischof. Ein zweites Gespräch mit Meinungsbildung des Pfarrgemeinderates ist auf Wunsch des Designierten möglich, falls schwerwiegende Bedenken geäu­ßert werden. Der Bischof ist jederzeit Herr des Verfah­rens[175].

Bei der Benennung von Dezernenten und dem Regens des Priesterseminars gibt es verschiedene Möglichkeiten des Vor­schlages und der Bewerbung. Der Bischof berät vertraulich mit einem kleinen Kreis, dessen Mitglieder der Generalvikar, der Personaldezernent, der Präsident der Diözesanversamm­lung und der Sprecher des Geschäftsführenden Ausschusses des Priesterrates sind, die Vorschläge und Bewerbungen und stellt eine Liste auf. Diese wird in der Plenarkonferenz bera­ten. Danach designiert der Bischof einen Kandidaten und holt dazu die Stellungnahme des Diözesansynodalrates ein[176].

Bei der Ernennung der Bezirksdekane gibt es (1973) ein ähnliches Vorschlags- und Anhörungsverfahren.

In früheren Zeiten waren die Mitwirkungsrechte bei der Ernennung von Amtsträgern in der Kirche viel umfangrei­cher. Auf die biblische Situation wurde schon hingewiesen. Bei der Bestellung von Bischöfen, ja sogar des Papstes, wirkte das Volk bis etwa 1059 entscheidend mit. Dazu wurde Näheres schon weiter oben abgehandelt[177].

In der Befreiung der Kirche im Investiturstreit konnten sich die Domkapitel als Wahlgremien durchsetzen, der Einfluss der Laien und des niederen Klerus wurde ausgeschal­tet[178]. Zu einer rein innerkirchlichen Bestellung kam es aber nie. Innerkirchlich setzte sich der vom Staat her übernom­mene Feudalismus durch. Der Kompromiss des Patronats­rechts, bei dem der Grundherr den Pfarrer kürte, ist ein Sym­ptom dafür, wie dieses System sich in die Kirche eingearbei­tet hat. Die dem Volk zugehörenden Pfarreien wurden mehr und mehr zur Minderheit oder verschwanden völlig. Die Besetzung der geistlichen Ämter wurde trotz allen Redens von kirchlicher Freiheit zu einem »Deal« zwischen Adel und hö­herem Klerus, der seinerseits auch immer wieder aus dem Adel stammte.

Der Papst wurde im ersten Jahrtausend unter der Mitwir­kung des Volkes gewählt. Als Nikolaus IL 1059 das Recht zur Wahl des Papstes auf die Kardinäle begrenzte, gestand er dem Volk noch ein Zustimmungsrecht zu.

In den Domkapiteln in manchen Gebieten Deutschlands gibt es noch das Auswahlrecht des Domkapitels aus einer päpstlichen Dreierliste. Dagegen hat sich in der Schweiz in Basel ein unmittelbares Wahlrecht des Domkapitels für den Bischof aus dem Diözesanklerus erhalten. Der Staat hat ein Vetorecht und der Papst hat das Recht der Bestätigung.

Unter den besonderen Voraussetzungen der Schweiz gibt es dort - nach Kantonen unterschiedlich - das Wahlrecht der Kirchengemeinden für ihren Pfarrer einschließlich der Mög­lichkeit der Wiederwahl nach bestimmten Fristen.[179]. Hier ist als erstes Ausweitung auf mehr Teilhabe möglich.

6.3.7. Das private Vereinsrecht in der Kirche

Neu ist die Ausgestaltung des innerkirchlichen Vereinsrechts. Hier sind die Erfahrungen der kirchlichen Verbände mit ein­geflossen. Es gibt ein Koalitionsrecht in der Kirche. In pri­vaten Vereinen von Gläubigen wählen sich die Mitglieder ihre Leitung selbst, desgleichen den geistlichen Assistenten. Die jeweils höhere kirchliche Autorität hat die Aufsicht bezüglich des Glaubens und der Sitten und der Statuten. Nur mit Zu­stimmung dieser Autorität dürfen sich Vereine »katholisch« nennen. Hier ist in gewissem Umfang eine demokratische Form von Kirche gewachsen und anerkannt, die neue Ent­wicklungen zulässt. In den Bruderschaften des Mittelalters hatte es ja schon einmal analoge Entwicklungen gegeben. Mit den neueren Entwicklungen ist auch die starke Einbin­dung der Laien in eine ausschließlich vom Amt zu steuernde Katholische Aktion nicht mehr möglich, wie sie den Päpsten seit Pius X. vorgeschwebt hatte und in manchen Konzilstex­ten noch nachklingt.

6.4. Noch wenig Ergebnisse

Unter Berücksichtigung des theologischen Aufwandes, der mit dem Begriff des Volkes Gottes und der Laien auf dem Konzil und danach betrieben wurde, sind die Ergebnisse der Mitwirkung, auch unter Beachtung des kirchengeschichtlich Möglichen, noch sehr gering. Zu sehr bleibt die Kirche in der Praxis noch früheren Vorstellungen verhaftet. Das kann nicht das Ende der Überlegungen sein, zumal die Gläubigen auch aufgrund des Konzils ein neues Selbstverständnis gewonnen haben. Strukturelle Fortentwicklungen sind dringend gebo­ten, wenn die nachkonziliare Kirche glaubhaft bleiben will. Das Konzil hat Richtungen für weitere Entwicklungen auf­gezeigt. Diesen soll nachgegangen und in einigen Thesen sol­len Möglichkeiten zur Demokratisierung der Kirche aufge­zeigt werden. Zuvor soll aber über ein Erneuerungsmodell der Kirche von der Basis her gesprochen werden in dem Demokratisierungspotential enthalten ist.


7. Gemeinde der Zukunft als Netzwerk

7.0 Es geht um eine demokratische Erneuerung der Kirche

An der Basis finden die größten Änderungen der Kirche statt. Die Menschen weigern sich einer reinen „Top down –Leitung (von oben nach unten)“ unbefragt Folge zu leisten Viel effektiver und motivierender ist ein „bottom up (Leitungsprozesse und –diskurse werden von unten nach oben geführt)“, er erweist sich allenthalben als ein gelungener Leitungsvorgang. Dieser muss aber an der Basis anfangen. Leitung ist Zielorientierung in die möglichst alle eingebunden sein müssen. Dazu sollen einige Gedanken unterbreitet werden. Es geht um eine demokratische Erneuerung von der Basis her.

7.1 Frühe Einsichten

K. Rahner ist schon in den 80er Jahren der Auffassung, dass die Kirche der Zukunft sich immer mehr von Basisgemeinden, freien Initiativen und Assoziationen her aufbaut. Nur so kann ein neuer Lebensstil gewonnen werden. Der bisherige autoritäre Stil wird ja im­mer weiter geradezu vererbt. Solche neue Gemeinden haben das Recht, von den Bischöfen anerkannt zu werden, dazu müssen sie die Grundfunktionen der Gemeinde gewährlei­sten. Sie bedürfen auch eines eigenen Typs von Gemeindelei­tern. Der Hinweis auf den Priestermangel ist kein Gegenbe­weis. Wenn die Kirche wegen der Zölibatsverpflichtung nicht mehr genügend Gemeindeleiter stellen kann, dann steht es außer Frage, dass diese Verpflichtung fallen muss[180]. Wenn genügend solcher erneuerten Gemeinden die Kirche tragen, dann werden sich die Fragen der Demokratisierung wie von selbst lösen lassen. Das Amt in der Kirche wird trotzdem weiter bestehen. Bei der Bestellung der Amtsträger muss aber geregelte Mitwirkung z. B. durch Wahlen möglich sein. Kooptation ist der Bürokratie zwar sympathischer, sie entspricht aber weniger den Regeln einer Mitwirkung. Entscheidungs­prozesse müssen möglichst an der Basis angesiedelt werden, dann wächst durch die Demokratisierung auch nicht der Apparat.

Das bisherige volkskirchliche Gemeindemodell, meist mit Pfarrei bezeichnet, verliert an Bedeutung. Eine nahezu alle erfassende Arbeit ist schon lange nicht mehr möglich. Viele ziehen sich zurück, andere treten aus, der Gottesdienst verliert an kommunikativer Kraft, weil die Besucherzahlen dramatisch zurückgegangen sind. Neue Formen der Gemeinde innerhalb der herkömmlichen Pfarrei sind sich am entwickeln, die Pfarrei muss sich erneuern. Die allenthalben zu spürenden Versuche, die Pfarreien durch pastorale Räume zu ersetzen, werden durch die größere Entfernung zur Basis die Probleme wohl nur noch verstärken.

»Das neue Kirchenrecht umschreibt die Pfarrei als „eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen, die in einer Teilkirche auf die Dauer errich­tet ist und deren Seelsorge unter der Autorität des Diöze­sanbischofs einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anver­traut wird“ (CIC, can. 515,1). Ist in dieser Formulierung die Betonung auf die Gemeinschaft der Gläubigen gelegt, so umschrieb das frühere Kirchenrecht aus dem Jahre 1917 die Pfarrei territorial als klar umschriebenen Teil der Diö­zese (can 216,1). Dahinter verbirgt sich der allgemeine Wandel in Kirche und Theologie und der Umbruch im Ver­ständnis der Pfarrei als „Gemeinde“.«[181]

7.2 Volkskirche oder kleine Herde?

Über Kirche heute, hier als katholische Kirche gesehen, kann lange reflektiert werden. Hier sollen nur einige wichtige Punkte festgehalten werden. Meist wird mit dem Wort Kirche heute in unserem Land das Wort „Krise“ angewandt. Damit soll ein negativer Sachverhalt ausgedrückt werden. Theologisch wird Kirche dann auch beschrieben „als die kleine Herde“. Gemeint ist dann eher das armselige Häuflein von noch Unentwegten als die Gruppe, die die Verheißung des Reiches Gottes hat, wie es bei Johannes 12,32 steht: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ Dies besagt, dass wir eine Verheißung haben, die uns Mut macht, die Herausforderungen anzunehmen.

Man kann durchaus von der Erosion einer Gnadenanstalt sprechen (N. Ebertz). Der Gottesdienstbesuch ist drastisch zurückgegangen, es gab und gibt viele Kirchenaustritte. Die Kirche ist nicht mehr einfach ein flächendeckendes System zu dem man gehören muss. Das gilt für die neuen Bundesländern erst recht nicht. Trotzdem haben die beiden Großkirchen in den alten Bundesländern nach 1990 noch über 80% Mitglieder (aber nur 30% in den neuen Bundesländern) und mit den neuen Bundesländern heute (2000) sind es 65%. Es hat sich aber im Verhältnis der Menschen zu ihren Kirchen Entscheidendes verändert.

Was ist gesellschaftlich geschehen? Hier ist vor allem die Entwicklung von Ende der 60-er Jahre an zu sehen. Negativ wird sie oft als Säkularisierung gesehen, davon kommt man aber mehr und mehr ab, weil Religiosität durchaus in hohem Umfang vorhanden ist, aber oft nicht mehr bei den großen Kirchen zu Hause. Positiv wird sie als Individualisierung beschrieben. Der Mensch wird auch hinsichtlich seiner religiösen Entscheidungen von seiner Freiheit herausgefordert. Er muss wählen, welchen Weg er geht. Zulehner sagt: »Er wird zum Freiheitskünstler«. Dies stellt einerseits viel überkommene Gegebenheiten in Frage, führt aber auch andererseits zu einem Suchprozess der zu neuen religiösen Entscheidungen führt, die viel mehr im einzelnen Subjekt verankert sind, als sie es früher institutionell waren. Das Problem ist, dass Kirche hierauf kaum kompetent antwortet, denn eine solches Verständnis von subjektfundierter Religion war sie bisher nicht gewohnt, obwohl es in wesentlichen Punkten schon im Zweiten Vatikanischen Konzil begründet ist, aber der Streit um die Enzyklika »Humanae vitae« Ende der 60-er Jahre bezüglich der Geburtenregelung machte den ganzen Zwiespalt noch einmal deutlich. Durch die wieder gewonnene Einheit Deutschlands hat sich dieser Prozess der Individualisierung noch einmal faktisch in den drastischen Zahlen von Menschen, die nicht mehr getauft sind, verstärkt.

Nach wie vor gehört aber die Mehrzahl der Menschen unseres Landes zu einer der großen Kirchen. (1994 70,4%, die Zahlen dürften heute gegen 65% tendieren). Es muss auch festgestellt werden, dass das vielfältige ehrenamtliche Engagement in den Gemeinden nicht geringer geworden ist. Es kann sogar vorkommen, dass in einer Gemeinde mehr Menschen ehrenamtlich engagiert sind als am Sonntag regelmäßig den Gottesdienst besuchen.

7.3. Ermöglichungspastoral

Zulehner hat schon in seiner Theorie der Seelsorge darauf aufmerksam gemacht, dass die Gnade Gottes unserem Handeln immer zuvorkommt[182]. Das ist ein Grundparadigma der Pastoral. Der Mitarbeiter erzeugt die Gnade Gottes nicht, er hilft dabei, den Mitgliedern der Gemeinde ein Leben aus dem Glauben zu ermöglichen. Diese sind die eigentlich Handelnden. Die Hauptamtlichen sind nicht die großen »Macher«. Damit wird ihnen ein Auftrag zugeschrieben, den sie weder verwirklichen können noch wollen. Alle Gläubigen sind nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch die Kirche, das Volk Gottes und dieses ist Träger der Pastoral. Dabei werden die Christgläubigen von den Hautamtlichen unterstützt und gefördert. Dies könnte für eine Ermöglichungspastoral bedeuten:

·         Die Subjekthaftigkeit der Christen fördern,

·         die Erfahrung von Freiheit und Solidarität ermöglichen,

·         die heute das ganze Leben lang währende Identitätsbildung des Menschen als selbst organisierenden Prozess zu sehen und zu bestärken,

·         darauf vertrauen, dass alle ein Charisma haben,

·         dies aufspüren und zum Einsatz ermutigen,

·         Freiräume zur Gestaltung von Gemeinde schaffen,

·         zulassen können,

·         Mitsprache und Mitbestimmung fördern.

All das geschieht in der Begleitung, im Hören, im Bestärken, aber auch in der Kritik aus dem Evangelium, keinesfalls durch Indoktrination und Weisung. Dialog ist die gemäße Kommunikation. Ermöglichungspastoral zielt auf das Hineinwachsen in die Freiheit der Kinder Gottes. Sie ist Weg begleitende Pastoral.

In ihr werden die Gemeindemitglieder zu den eigentlichen Seelsorgern. Freie Subjekte zeichnen sich durch Selbststeuerung und ein hohes Maß an Beteiligung bei der Steuerung von Systemen aus, zu denen sie gehören. Das ist ihrem Verständnis der eigenen Würde gemäß. So kann Kirche von der menschennahen (räumlich und geistig) Beziehungsebene der Gemeinde/Pfarrei, einer Volk-Gottes-Kirche im Sinne des Konzils und der Synode werden. Hier wird ein verantwortbarer Weg zur basisnahen Demokratisierung beschritten[183]

Gemeinde lebt vor allem von konkreten Beziehungen »von Angesicht zu Angesicht«. Wie kann das aber heute gehen?

7.4. Gemeinde als Netzwerk

In der neueren Soziologie spricht man vom »enbedding« der Menschen, das könnte als Entwurzelung oder Entörtlichung im geistigen und räumlichen Sinne verstanden werden. Bedingt ist dies durch die oben genannte Individualisierung. Es ist eine radikale Enttraditionalisierung von Lebensformen erfolgt. Das Großmilieu trägt nicht mehr. Auch neue Sozialmilieus, die auch als Lebensstilenklaven bezeichnet werden, sind in unserer Erlebnisgesellschaft eher »events«, die als »Epiphanieerfahrungen« ihre Bedeutung haben, aber in strukturierte Beziehungen eingebunden werden müssen, damit sie dauernde Wirksamkeit entfalten können. Es gilt in einer mobilen Gesellschaft in Selbstorganisation Beziehungszusammenhänge (Personifikation) zu schaffen, die über menschliche Zweckrationalitäten hinaus vom Glauben getragen werden. Es gilt eine neue geistige Verortung für die Menschen in aller Mobilität zu schaffen[184].

Netzwerke sind Flechtwerke von an Beziehungen orientierten Gruppen. Sie leben aber auch davon, dass der Austausch zwischen diesen Gruppen in Gang kommt. Dazu bedarf es der Moderation. Bei der heutigen Mobilität und Individualität der Menschen sind Netzwerke eine gute Organisationsform zu Bildung von Gemeinde[185]. Sie stellen eine »echte Entfaltungsmöglichkeit des Individuums in einem sozialen Rahmen dar, der das größtmögliche Entwicklungspotential bietet.«[186]

Theologisch bilden Netzwerke »Gemeinde als Gemeinschaft von Gemeinschaften«. Ihre Gemeinschaft wird entscheidend begründet in der Feier der Gemeinde (ecclesia), in der wesentlich die Gemeinde konstituierenden Eucharistie.

In der Gemeinde als Netzwerk ist die Aktivität der Christen selbst gefragt, die Beziehungs-Netzwerke in Gruppen bilden. Die Knotenpunkte dieser Netze sind die einzelnen Personen. Die über die kirchlichen hinaus in viele gesellschaftliche Netze verknüpft sind. So kommt es auch zu einer Vernetzung von kirchlicher und örtlicher Gemeinde. Diese Netzwerke leben erheblich von dem sich Begegnen von Angesicht zu Angesicht. Eine frühmittelalterliche Regel fordert vom Pfarrer, dass er seine Schafe von Angesicht zu kennen habe (cognoscet oves suas facie). Diese unmittelbare Beziehung muss heute von Gliedern der Gemeinde selbst getragen werden.

Daneben muss es die Netzwerke der professionellen MitarbeiterInnen geben, die mit den entsprechenden Gremien die Gesamtmoderation haben, bei denen den Pfarrern noch einmal eine besondere Aufgabe der Vernetzung zum geistlichen Amt des Bischofs zukommt.

Also auch der Pfarrgemeinderat muss sich als eine besondere Steuergruppe in diesem Netzwerk verstehen. Nach Möglichkeit müssen die wichtigsten Gruppen auch dort vertreten sein, ggf. sind entsprechende Arbeitskreise zu bilden, nicht um zu reglementieren, sondern um den gemeinsamen Auftrag besser zu erfüllen.

Vom Konzept her ist für dieses Netzwerk und seine Gruppen die Öffentlichkeitsarbeit von großer Bedeutung. Diese geht vom Internet (hier kann der Raum und Bezirk Hilfestellung geben), über die Lokal- und Regionalzeitungen bis hin zu Pfarrbriefen und Schaukästen.

Diese Netzwerke sollten möglichst ortsnah sein, in die Lebenswelten der Menschen hinein reichen. Familie, Freundschaft und Nachbarschaft gehören zu hohen Werten in unserer Gesellschaft. Diese Netzwerke gehen aber in der Spezialisierung der Menschen über den ortsnahen Raum hinaus und verknüpfen sich in den pastoralen Raum als subsidiarische Größe, den Bezirk, das Bistum bis in die Weltkirche hinein. Gemeinde als Netzwerk von Aktivitäten wird eine in Kirche und Gesellschaft eingebundene Größe sein, die den Menschen Verortung im Sinne von Beziehungen mit Angesicht und Sinn- und Wertestiftung gibt. Sie sammelt in einer Gemeinde als Gemeinschaft von Gemeinschaften und trägt zur Gemeindebildung bei. Sie ist missionarisch, weil sie sich in das soziale Umfeld vernetzt und es beeinflusst.

Diese Netzwerke erstrecken sich in alle Funktionen der Gemeinde:

Der Verkündigung (Beispiel Bibelkreis), hier ist Kommunikationspastoral angesagt, über die Netzwerke steht die kirchliche Gemeinde im kommunikativen Prozess der Ortsgemeinde, sie erfährt die wichtigen Dinge aus dem Ort und kann ihrerseits sich aktiv am Ortsgespräch beteiligen.

Der Liturgie (Beispiel MinistrantInnengruppe), hier ist Feierpastoral gefragt, der Zugang zur Liturgie muss offen gestaltet werden und präsent bleiben. Bei besonderen Anlässen wie Kirchweih, Jubiläen und Dorffeste bringt sich auch die kirchliche Gemeinde in den Feiervorgang ein.

Der Diakonie (Beispiel, Caritaskreis, Dritte Weltgruppe, Büchereiarbeit), dienende Pastoral ist unverzichtbarer Auftrag, hier gilt es die Probleme von Menschen und Situationen zu erkennen.

Ganz wichtig ist aber auch immer wieder der Dienst an der Einheit in der kirchlichen Gemeinde und in die örtliche Umgebung hinein. Versöhnung ist ein unverzichtbares Thema. Diese Grundaufgabe der Kirche, sich im Sinne des Reiches Gottes für Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen, ist wesentlicher Auftrag von allen.

Es gibt noch eine Fülle von anderen Gruppierungen, die heute schon faktisch in diesem Netzwerk existieren.

Dabei spielt die Ökumene eine besondere Rolle, weil die evangelische Kirche ja den gleichen Grundauftrag hat. Er sollte soweit als möglich und notwendig gemeinsam wahrgenommen werden.

So werden diese verknüpften Netzwerke von Menschen und ihren Aktivitäten zu einer Form von Selbstbestimmung in und für die Kirche und prägen so das Bild einer Kirche, die Teilhabe und damit Demokratisierung fördert. Diese Netzwerke sind ja getragen von den Geistesgaben zur Auferbauung der Gemeinde, sie sind echte charismatische Erneuerung. Dazu gehören vor allem auch die Verbände, die eine wichtige Aufgabe im Netzwerk der Gemeinde wahrnehmen.

7.4 Verbände im Netzwerk Gemeinde z.B. die KAB (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung)

7.4.1. Kirchliche Aussagen

Im Dekret über das Apostolat der Laien heißt es[187]: »In der Kirche gibt es nämlich sehr viele apostolische Werke, die durch freie Entschließung der Laien zustande kommen und auch nach ihrem klugen Urteil geleitet werden. Durch solche Werke kann die Sendung der Kirche unter bestimmten Umständen sogar besser erfüllt werden.« Diese Werke sind Kirche. In Deutschland sind sie oft als Vereine und Verbände organisiert.

Vereine sind Zusammenschlüsse von Personen (in der Regel natürlichen Personen), die sich zu einem bestimmten Zweck zusammenfinden. Es gibt ein Vereinsziel, die Mitglieder und in der Regel auch eine Satzung, nach der sich das Leben dieses Vereines tätigt.

Die Verbände und Vereine in unserem Lande haben sich überwiegend nicht nach kirchlichen, sondern nach staatlichem Recht organisiert, sei es als eingetragener oder nicht eingetragener Verein. Das Vereinsrecht des BGB schreibt die entsprechenden Rahmenbedingungen dann für solche Vereine vor. Die Kirche in unserem Land hat es unterstützt, dass katholische Vereine sich in dieses Rechtssystem hineinbegeben.

Die Verbände haben sich in ihrer missionarischen Arbeit bewährt, die zur Verbreitung christlicher Überzeugungen in der Gesellschaft in vielen Bereichen führt. Sie sind nicht nur christliche Strukturen in der Gesellschaft, sondern auch gesellschaftliche Strukturen in der Kirche[188]. Diese Ausführungen gelten analog im Wesentlichen für alle katholischen Verbände.

7.4.2 Selbstverständnis der KAB

»Kirche als Gesamtheit der Gläubigen versteht sich als Volk Gottes, das von Gott in Jesus Christus berufen und gesandt ist, am Aufbau des Reiches Gottes in dieser Welt mitzuwirken. Als Volk Gottes ist die Kirche unterwegs in der Tradition der Befreiungsgeschichte, die Gott mit dem Volk Israels verbunden hat. Jesus Christus fordert durch sein befreiendes Leben und Handeln, Leiden und Auferstehen die Kirche heraus, nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit zu suchen (Matthäus 6,33). Diese Hoffnungsbotschaft im persönlichen und politischen Leben heute Wirklichkeit werden zu lassen, sieht die KAB als ihren spezifischen Auftrag. So ist sie Teil des Volkes Gottes. KAB ist Kirche«.So steht es im Grundsatzprogramm der KAB.

»(26) Als Kirche ist die KAB berufen, an der Verwirklichung des Reiches Gottes mitzuwirken:

Im prophetischen Auftrag, um soziale Missstände aufzuzeigen, anzuklagen und zu verändern,

in der Option für die Armen, um Anwalt zu sein für die gesellschaftlich Benachteiligten und Ausgegrenzten,

durch Aktion und Bildung, um den Auftrag zur Verkündigung der befreienden Botschaft zu erfüllen,

durch internationale Solidarität, um weltweit Gerechtigkeit, Frieden und Entwicklung zu fördern,

durch die Verwirklichung und Weiterentwicklung der kirchlichen Sozialverkündigung,

in der ökumenischen Zusammenarbeit.[189]«

Dieses Kirche sein vollzieht sich in demokratischen Formen innerhalb der Lehre der Kirche, besonders bezüglich der Leitung in demokratischen Formen. Die Leitung wird gewählt. So heißt es z.B. in der Gesamtsatzung der KAB im Bistum Limburg für die Vereine:

Ȥ 13 Generalversammlung

Die Generalversammlung ist das oberste Beschluss fassende Organ des KAB-Ver­eins/Katholischen Arbeitervereins. Ihr gehören alle Mitglieder des KAB-Vereins/Katholischen Arbeitervereins gemäß § 11 der Satzung als stimmberechtigte Mitglieder an.

Der Generalversammlung obliegen:

a) die Wahl des Vorstandes

b) die Wahl eines Präses oder einer Geistlichen Begleiterin/eines Geistlichen Be­gleiters. Als Präses kann nur ein Priester gewählt werden. Die Wahl einer Geistlichen Begleiterin/eines Geistlichen Begleiters richtet sich nach den je­weils geltenden Bestimmungen über die geistliche Leitung in den kirchlich aner­kannten Katholischen Verbänden im Bistum Limburg. Die Beauftragung des Prä­ses bzw. einer Geistlichen Begleiterin/eines Geistlichen Begleiters erfolgt durch den Diözesanpräses, wobei die Amtszeit sich auf die Zeit der beruflichen Tätigkeit an dem Ort dieser Tätigkeit zum Zeitpunkt der Wahl erstreckt;

c) die Wahl von Kassenprüfern/innen auf zwei Jahre;

d) die Wahl der Delegierten für den Bezirkstag und den Diözesantag; …«

Die Leitung einschließlich des Präses wird gewählt, weiterhin werden Kassenprüfer und Delegierte gewählt. Auch die Entlastung des Vorstandes gehört dazu. Analog gilt das auch für Bezirk und Bistum. Hier liegt also in der Kirche eine demokratische Leitungsstruktur vor.[190]

7.4.3. KAB im Netzwerk Gemeinde

Der Verein ist selbst ein Netzwerk seiner Mitglieder. Sie kennen sich in der Regel unmittelbar. Sie pflegen Beziehungen über den Verein im Sinn seiner Aufgabenstellung. Gerade auch die Vertrauensleute tragen intensiv zu dieser Vernetzung bei. Die Mitglieder haben ein Gesicht, sie geben damit auch dem Verein ein Gesicht. Der Verein ist eine Vernetzung von lebendigen Beziehungen, eine unmittelbare Verortung der Mitglieder untereinander und in ihrer Lebenswelt. Sie sind untereinander solidarisch. Die Mitglieder selbst sind wieder vernetzt mit vielen privaten, pfarrlichen und gesellschaftlichen Bereichen.

Der jeweilige Verein strebt eine gute Verbindung an mit der gesamten Pfarrei in der er lebt. Er existiert im Netzwerk der Gemeinde mit all ihren Funktionen und Gruppierungen. In Zusammenarbeit mit dieser übt er seinen Dienst für diese Welt aus. Er hat mit ihr einen gemeinsamen Heilsdienst zu tun. Er stärkt sich in der Pfarrei, in der Verkündigung und Eucharistie. Hier ist der entscheidende Kern der Gemeinsamkeit. Die verschiedensten Gruppen und Vereine haben in der Pfarrei ihren Platz. Sie müssen die Beziehung zueinander suchen. Dies zu fördern ist vor allem Aufgabe des Amtes; man nennt dies auch die Vernetzung der Aktivitäten. Der jeweilige Verein trägt aber die Aktivitäten der Pfarrei in vielfältiger Weise mit. Die Gemeinde der Zukunft wird eine Gemeinschaft von Gemeinschaften sein, die sich in den verschiedensten Welt- und Lebensbereichen entwickelt. Ihre Frömmigkeit ist dann vom Dienst an der Welt bestimmt. Verbände folgen den Menschen, deshalb sind sie auch in Bereichen tätig, wo Pfarreien nicht hinkommen, sie sind in besonderer Weise missionarisch. Diese größere Gemeinschaft wird in ihren Aktivitäten vielfältig von dem KAB-Verein mitgetragen und trägt diesen. Über die Gemeinde ist die KAB dann auch mit den größeren Räumen und dem Bistum vernetzt.

Die Vereine pflegen aber auch die Beziehungen zu ihrer Umgebung über die Schule bis zum Betreiben von Freizeiteinrichtungen. Dazu gehört natürlich auch die Ökumene. Auch über sie ist damit Gemeinde missionarisch tätig.

Der Verein ist im Verband mit der Bezirks-, Diözesan- und Bundesebene und darüber hinaus international vernetzt. So trägt er auch mit den anderen katholischen Verbänden bei zum großen Netzwerk Kirche in der Welt und leistet durch seine Struktur und seinen Auftrag einen Beitrag zu Menschenwürde in Freiheit und Solidarität, die er am ehesten in demokratischen Strukturen gesichert sieht.


8. Thesen zur Demokratie in der Kirche

8.1. Erste Abgrenzungen

Wer sich auf den Weg macht, über Demokratie in der Kirche nachzudenken, muss mit erheblichen Widerständen und Pro­blemen rechnen. Es kann ja nicht um irgendeine Augenwi­scherei gehen. Vielmehr muss es um der Kirche willen um Aussagen gehen, die auf Veränderungen hin zielen. Dies bringt aber allemal Schwierigkeiten mit sich.

Es gibt ein zweites Problem. Das ist die fachliche Kompe­tenz. Es geht um die gesellschaftliche Verfasstheit der Kirche. Wenn es sich um gesellschaftliche Bezüge handelt, fühlt sich ein Sozialethiker kompetent. Die gesellschaftliche Verfasstheit der Kirche ist aber eigener Natur. Sie steht in der Schutzzone göttlicher Stiftung; Kirche ist sakramental. Hier sind vor al­lem die Fundamentaltheologen und Dogmatiker gefragt, die in der Regel aber nicht kompetent für gesellschaftliche Ge­bilde sind. Der Ansatz von der Soziallehre her ist wohl zu beachten. Er führt notgedrungen auf dogmatisches Terrain. Auch deshalb ist das Ganze ein Denkversuch, kein fertiges Ergebnis, geschweige denn eine dogmatische Aussage. Die anderen Fächer mögen dies auch als eine Anfrage an ihr Wissen betrachten. In diesem Sinne sind die folgenden The­sen abgefasst.

Es sind aber Thesen, deren mögliche Verifizierung der Autor fest annimmt und deren Falsifizierung er nicht sieht. Sie wollen zum Nachdenken und Handeln einladen. Thesen in diesem Sinne sind Teil einer Theorie zur Demokratisierung der Kirche. Eine Theorie hat dann ihre Berechtigung, wenn sie besser geeignet ist, die Zusammenhänge zu deuten und Handlungs­orientierungen abzugeben, als bisherige Theorien. Dies wird sich für die vorgetragenen 'Thesen als selbstverständlich her­ausstellen.

Eine Theorie darf in sich keine Widersprüche enthalten. Dies ist sicher die kritischste Anfrage an die hier vorgetrage­nen Thesen. Schließen sich Demokratie und Hierarchie von ihrem Wesen her nicht aus? Es stimmt, dass hier noch unüber­brückbare Gegensätze aufscheinen. Es muss aber auch zuläs­sig sein zu fragen, ob diese tatsächlich für alle Zeiten festge­schrieben sind. Dies wird immer wieder neue Überlegungen erfordern. In dieser Phase geht es um eine Demokratisierung der Kirche, die bewusst die Hierarchie als Trägerin einer sol­chen Entwicklung einsetzt. Dies ist aber nur zulässig, wenn Demokratisierung als Option auf ein Ziel hin eingesetzt wird und nicht schon als eine konkrete Lebens- und Herrschafts­form verstanden wird, die alles bereits genau beschreibt. Wo­hin dieser Prozess die Kirche führen wird muss offen bleiben. Die Hoffnung des Autors ist: Zu einer Kirche hin, die real und nicht nur verbal auf das Volk Gottes gegründet ist. Dabei könnte einer Erneuerung von der Basis her durch in Netzwerken strukturierte Charismen in den Gemeinden eine große Hilfe sein.

Eine Theorie muss die vorhandenen Strukturen aufgreifen und in ihren auf die Theorie bezogenen Funktionen erläutern können. Dies ist das Verifizieren einer Theorie. In diesem Fall wird zum Beispiel einerseits der Begriff des Volkes Got­tes auf Demokratisierung hin ausgelegt, die Hierarchie ande­rerseits als das notwenige Amt gesehen, das sich aber Wahlen zu stellen hat.

Eine Theorie darf nicht widerlegt sein. Sie wäre dann falsifiziert. Eine solche Widerlegung sieht der Autor bisher nicht. Sie müsste sich in der nachfolgenden Diskussion ergeben, die durch die Thesen angestoßen werden soll.

Zu jedem Abschnitt gibt es einige Thesen. Diese sind kursiv gesetzt. Ihre Ausfaltung und Begründung erfolgt je­weils im nachfolgenden Text.

8.2. Eine Option zur Demokratisierung in der Kirche

1. These: Alle Prozesse in der Kirche müssen unter der Rücksicht einer Option zur Demokratisierung der Kirche kritisch gesehen werden. Diese kritische Sicht muss zum Einsatz für mehr Demokratie in der Kirche führen. Sie verpflichtet zuerst die Christgläubigen selbst, die Pfarreien, Bistümer, Regionalkirchen und auch die Weltkirche.

Eine Option ist zuerst ein Wunsch, wie etwas eigentlich sein sollte. Sie ist zukunftsorientiert. Gleichermaßen fließt sie aber schon für unser Handeln. Sie selbst klärt noch nicht, wie nun konkret gehandelt werden muss, aber das konkrete Han­deln muss vor ihr bestehen können. Unter allen möglichen Lösungen ist die zu wählen, die am besten vor dieser Option bestehen kann. Sie denkt vom Ziel her, ist aber auch fähig, die Situation des Weges förderlich und zugleich kritisch zu begleiten.

In diesem Sinne muss die Option zur Demokratisierung der Kirche gesehen werden. Dabei meint diese Demokratisie­rung durchaus Lebens- und Herrschaftsform. Es geht darum, die Herrschaftsform in der Kirche weit möglichst zu demo­kratisieren. Dabei hat diese Demokratisierung gute Argu­mente in der biblischen Begründung der Kirche als Volk Got­tes und der kommenden Herrlichkeit des Volkes Gottes, in der Gott alles in allem sein wird. Kein Mensch braucht mehr über den anderen zu herrschen. Alle sind Geschwister, die in der vollen Einsicht der Größe und Weisheit Gottes stehen und die das Vollalter Jesu Christi in endgültiger Form er­reicht haben. Das gilt unterschiedslos für Männer und Frauen. Hierbei könnte ein Verständnis der Gemeinde als Netzwerk hilfreich sein, weil es freie Initiativen ermöglicht und verknüpft.

Demokratisierung heißt nicht, ohne die Eigenart der Kir­che zu sehen, alle Strukturen des Staates auf die Kirche zu übertragen. Demokratie hat ihre tiefen Wurzeln im christlich-jüdischen ebenso wie im antiken Menschenverständnis. Dies muss auch in der Kirche wieder erkennbar werden. Da­hin ist noch ein weiter und mühsamer Weg, der aber um der Kirche und der Menschen willen gegangen werden muss. Es geht um das gelebte Beispiel von mehr Menschenwürde in Freiheit und Solidarität. Könnte bei aller Eigenständigkeit und Unterschiedlichkeit von beiden nicht Kirche in vielen Bereichen gerade in Ländern der Dritten Welt modellhaft Beispiel sein?

Wen aber verpflichtet eine solche Option? Dies sind alle Christen. Die Christgläubigen selbst müssen sich auf den Weg machen, ihre Sache in die Hand zu nehmen. Genau das ist die Verwirklichung des erneuerten Kirchenbegriffes des Zweiten Vatikanischen Konzils. Im Zeugnis in der Welt und in der Mitverantwortung für die Art und Weise, wie Kirche in ihren Strukturen und Funktionen dieses Zeugnis begleiten will, ist ihr eigentlicher Ort. Dies beinhaltet eben auch Mit­bestimmung in der Kirche.

Die Zukunftsentwicklung wird die Menschen noch selbstbestimmter machen. Weitere Demokratisierung ist die Folge. Organisationen, die dies nicht erkennen, geraten in Gefahr, an den Rand gedrängt zu werden. In der Industrie hatte man schon einmal erkannt, dass im Rahmen der Betriebsziele eine sich selbst verantwortende und damit hochmotivierte Gruppe der Unternehmenseffektivität dienlicher ist als die alten Weisungs- und Herrschaftsstrukturen, beim Rückbau dieser Mitbeteiligung ging es gleichzeitig abwärts mit der Wirtschaft. Warum erkennt das die Kirche nicht auch, wie sie es doch schon im Konzil angedeutet hat, als sie Laien ermutigte, sich in freiem Koali­tionsrecht zur Erfüllung apostolischer Aufgaben zusammen­zuschließen? So könnte das Ziel der Kirche gelegentlich so­gar besser erreicht werden, wird vorsichtig optimistisch be­tont. Hier muss angesetzt werden. Weiterhin gilt es, die vor­handenen Strukturen voll auszuschöpfen und nach allen Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Die Gremien müssen Orte echten Ringens um den gemeinsamen Weg werden und aus dem Image herauskommen, dass die Amtsträger nach Gutdünken darauf hören können oder auch nicht. Es gilt, deutlich seine Meinung zu sagen.

Verantwortung für diese Option tragen die Pfarrer und örtlichen Amtsträger. In ihren Gemeinden haben sie die Möglichkeit, die Christgläubigen in ihrem Dienst zu ermuti­gen und zu bestätigen. In einer konsequenten Ermöglichungspastoral können sie den Charismen Wirkraum verschaffen. Sie können ihnen helfen, unverdros­sen durch viele Widerstände den Weg des sich seiner Verant­wortung bewusst werdenden Gottesvolkes zu gehen. Sie kön­nen über den Priesterrat dialogische Formen in der Kirche einfordern. Sie gehören zum Amt und haben deshalb auch dem Amt etwas zu sagen.

Dies setzt aber ein geändertes Verantwortungsbewusstsein der Amtsträger voraus. Es geht um eine Verantwortung für das Ganze, nicht um eine Verantwortung für alles und jedes im Sinne einer Totalverantwortung. Der Dienst an der Ein­heit ist zu leisten, nicht der Superdienst, der alle Charismen in sich aufsaugt; im Gegenteil: das Amt muss die im Verlaufe der Kirchengeschichte geschluckten Charismen wieder frei­geben, sonst wird Kirche keine Chance zur Erneuerung ha­ben. Dies wäre reine Erzeugungspastoral anstelle von Ermöglichungspastoral und nicht dem Subjektcharakter der Gläubigen gemäß.

Die Bischöfe haben viele Möglichkeiten, in ihren Bistü­mern zur Demokratisierung beizutragen. Kommunikativer Leitungsstil ist gefordert. Das Kirchenrecht legt den Bischö­fen zwar hohe Verantwortung auf, gibt ihnen aber auch die Möglichkeit, kommunikativ damit umzugehen. Dies nehmen bei weitem noch nicht alle Bischöfe wahr. Es muss gefragt werden, warum das so ist. Vielleicht liegt es daran, dass die in den letzten 25 Jahren in der Kirche eingeschlagene Richtung ihnen mehr Sicherheit bietet als ein offener Weg.

Leitung in dieser Zeit wahrzunehmen ist wahrlich nicht leicht. Die Erfahrungen mit den Entwicklungen der Kirche in Deutschland in ihrer Verdunstungsproblematik sind ja auch alles andere als Mut machend. Zu viele wenden der Kir­che den Rücken zu. Trotzdem darf Angst kein Berater sein. Angst führt in die Enge, nicht in die Weite. Dahin will aber Gott uns führen. Das ist eine verwirklichte christliche Hoff­nung. Alles Handeln der Bischöfe müsste von ihnen selbst darauf befragt werden, ob es der Option der Demokratisie­rung dient. Strukturen der Mitverantwortung müssen ernst genommen werden. Beraten lassen und dann doch nichts in dieser Richtung tun, das wirkt auf diese Gremien lähmend und auf Dauer tödlich. Die schon vorhandenen Chancen, Strukturen auf mehr Demokratie hin zu verändern, müssen voll ausgeschöpft werden. Hier bieten auch Diözesansynoden Möglichkeiten, obwohl das neue Kirchenrecht nicht gerade ermutigend ist.

Auf nationaler Ebene gilt es, dialogische Prozesse in Gang zu setzen. Die Würzburger Synode hat gezeigt, was machbar ist. Dies müsste doch auch heute noch möglich sein. Was hat sich in den 30 Jahren nach der Synode grundlegend geän­dert? Dramatischer Rückgang der Zahl der Amtsträger, er­heblicher Verlust an Gottesdienstbesuchern, Einflussverlust des Amtes, besonders des Bischofs von Rom, z. B. in Fragen der christlichen Gestaltung der Ehe; Änderung der gesell­schaftlichen Situation, Postmoderne, Einheit, Wegfall des Ost-West-Konfliktes, Verstärkung der Nord-Süd-Spannun­gen, Ökologie und Friedensproblematik, resignierte Öku­mene; das sind nur einige Punkte, die ein intensives Gespräch notwendig machen. Die Synode wollte ja, dass alle zehn Jahre eine solche stattfände. Aber bitte nicht im reduzierten Ver­ständnis nachsynodaler Zeit, sondern dort anknüpfend, wo aufgehört wurde! Wie anders kann der gemeinsame Glau­benssinn erhoben und gestärkt werden?

Auf der Ebene der Weltkirche haben die Bischöfe ihren größten Einfluss bei einem Konzil. Die Zeit ist noch nicht reif, auf einem Konzil Wege zur Demokratisierung zu suchen. Das Vatikanum I hat als offene Frage die Frage nach den Bischö­fen hinterlassen. Das Vatikanum II hat die Frage nach den Laien angestoßen, aber keineswegs gelöst, eher eine Rich­tung aufgezeigt. Das nächste Konzil muss den Weg zum Volk Gottes, das auch faktisch der Träger der Heilssendung ist, finden. Die theologischen Möglichkeiten sind noch nicht durchdacht. Sie müssen zielstrebig angegangen werden. In autoritärer Form wird die Kirche in diesem Jahrtausend wenig Chancen haben. Wie das genau gehen kann, dafür liegen noch keine Modelle vor. Aber niemand hätte die Er­gebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils vorher für mög­lich gehalten. Diese gedankliche Arbeit ist auch im Sinne der oben genannten Option notwendig.

Auch auf den Bischofssynoden gibt es gewisse Möglichkei­ten. Jedenfalls dürfen diese ohne Laien nicht mehr durchge­führt werden. Die delegierten Laien müssen repräsentativ ausgesucht werden und nicht aus den Zettelkästen der Kurie stammen. Es gibt in den Ländern schon genügend Möglichkeiten, Laien repräsentativ zu gewinnen. Hier müssen die Bischöfe ihren Einfluss geltend machen.

2. These: Der Papst als Inhaber des Organisationsrechtes hat die beste Möglichkeit, diese Option zur Demokratisierung der Kirche zu realisieren.

Der Papst hat gute Möglichkeiten, die Demokratisierung in der Kirche vorwärts zu treiben. Teilhabe an der Sendung der Kirche ist eine Christenwürde, für diese sich zu verwenden, ist Sache des Papstes. Wenn Christen nicht nur mit beraten, sondern auch gelegentlich mit bestimmen können, dann ist es vor allem Aufgabe des Papstes, diesen Bereich der Mitbe­stimmung auszudehnen. Er hat dazu die gesetzgeberische Kompetenz. Er vergibt sich und seiner Autorität nichts, wenn er sich ernsthaft um einen kommunikativen Leitungs­stil und eine kommunikative Leitungsstruktur in der Kirche bemüht.

Das Erste Vatikanische Konzil gibt dem Papst die Mög­lichkeit, Demokratisierung in der Kirche einzuführen. Er kann dies umfassend tun, er kann dies je nach Situation unterschiedlich in Absprache mit den Regionalkirchen tun. Er kann auch um der Kirche willen dies mit einem Vorbehalt tun, wenn Kirche in Unterdrückungssituationen gerät oder in Gefahr ist, unterwandert zu werden. Damit wären auch Entwicklungen auf Zukunft hin offen. Der Papst kann in freier Entscheidung und aus innerer Einsicht Demokratisie­rung in weiten Feldern der Kirche möglich machen. Viel­leicht könnte das der zeitgemäße Ertrag des Ersten Vatikanums für die Kirche heute sein. Im Sinne der Organisationssoziologie hat der Papst das Organisationsrecht in der Kirche. Dieses kann er auch für Demokratisierung einsetzen. Das wäre im Sinne der Option für die Demokratisierung. Sein grundsätz­liches Organisationsrecht wird dadurch nicht berührt, es bleibt die Möglichkeit der Änderung und Weiterentwick­lung. Ein Anfang wäre eine stärkere Kollegialisierung und Synodalisierung der kirchlichen Leitungsstrukturen.

8.3. »Wir sind das Volk Gottes«

3. These: In der Kirche geht alle Gewalt von Jesus Christus aus. Er ist in seinem Volk gegenwärtig und führt und leitet es. Seine Stiftung und sein Wille sind für dieses Volk nicht disponibel. Sie sind die Grund­lage der Kirche. Das Amt hat in besonderer Weise dafür Sorge zu tragen, dass diese Grundlage der Kirche nie verlassen? wird.

In der Demokratie gilt der Grundsatz, dass alle Gewalt vom Volk ausgeht, letztlich ist aber auch hier alle Autorität in christlichem Verständnis an Gott zurückgebunden. In einem neopluralistischen Demokratieverständnis ist die Wertebasis einer solchen Demokratie nicht in Frage gestellt. Ohne diese würde eine Demokratie sich ihrer eigenen Grundlage entzie­hen. Für Christen sind die nicht zu disponierenden Werte einer Demokratie, vor allem die Grundrechte, festgemacht in Gott. Insofern hat der Wille Gottes in einer Demokratie Grundlagen stiftende Kraft. Dies muss zur Vermeidung von Missverständnissen nochmals verdeutlicht werden.

Demokratie steht auch im Staat in einem Zusammenhang mit der Vergangenheit. So kann sich z. B. der demokratische deutsche Staat nicht der Verantwortung für die dunklen Sei­ten der deutschen Vergangenheit entziehen. Entscheidungen müssen auch in der Verantwortung für die Zukunft gesehen werden. Dies wird uns z. B. bei der Umweltdiskussion wieder aufrüttelnd deutlich. Somit ist der Entscheidungsprozess in einer Demokratie nicht einfachhin voraussetzungslos, son­dern er muss die Grundlage und die Verantwortung für Ver­gangenheit und Zukunft mit berücksichtigen. Dies geht aber nur so lange gut, als diese Grundlagen und Verantwortungen von der Mehrheit des Volkes getragen werden. Verfassungs­gerichte sind dazu da, immer wieder die Treue zur Verfas­sung einzufordern. So etwas ist ja auch Aufgabe des Amtes in der Kirche, die von Gerichten wahrgenommen werden kann.

Alle Gewalt geht in der Kirche von Jesus Christus aus. Er ist in ihr und allen ihren Gliedern gegenwärtig. Sein Volk hat Anteil an ihm und setzt sein Wirken fort, ist sichtbarer Träger seiner Gewalt, die in seinen Organen wirksam wird. Die Christgläubigen sind in diesem Volk nicht unmündige Kin­der, sondern erwachsene Vollbürger, die mitzureden haben. Es sind Wege zu finden, wie diese Bürgerschaft in Mitverant­wortung und Mitbestimmung umgesetzt werden kann.

Der Auftrag der Kirche ist nicht disponibel. Es ist der Auftrag des Evangeliums. Die uns tradierte Botschaft Jesu muss bis zu seiner Wiederkunft weitergesagt und zum Glau­ben an sie eingeladen werden. Hier ist dem Volk Gottes aber die Garantie gegeben, dass es als Ganzes nicht aus der Bot­schaft herausfallen kann. Dies ist katholische Lehre. Es geht um das »Wir des Glaubens«. Die Sicherung der authen­tischen Botschaft ist dem Papst und den Bischöfen übertragen. Das ganze Gottesvolk ist aber an der Verkündigung der Botschaft des Evangeliums zu beteiligen.

4. These: Darüber hinaus muss es Wege geben, wie das »Wir des Glau­bens« sich bei der Auslegung des Glaubens und seiner Verkündigung in unserer Zeit voll verantwortlich einbringen kann. Es muss den Bereich der Diakonie mitbestimmen können. Gleiches gilt für die Liturgie. In all diesen Aufgaben ist die Grundlage immer zu gewährleisten.

Hier ist zu fragen, ob nicht auch die Christgläubigen heute in umfangreicher Form am Lehren Anteil haben können und müssen. Erinnert sei an die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Religionslehrerinnen und Religionslehrer und Referentinnen und Referenten in der theologischen Er­wachsenenbildung. Welche Kompetenz haben sich Absol­ventinnen und Absolventen der Fernkurse erworben! Jede Mutter, jeder Vater hat die Aufgabe der Verkündigung und sei es in der Form des Glaubenszeugnisses. Gerade in den neuen Wegen der Gemeindekatechese wird dies deutlich. In allen Lebensbereichen ist im Sinne einer erneuernden Evan­gelisierung, im Sinne der Inkulturation des Evangeliums in unsere Zeit und ihre Lebensbereiche lebensweltorientierte Verkündigung gefragt. Warum sollen die Menschen für ver­schiedene Lebensbereiche nicht gemeinsam festlegen kön­nen, wo sie Richtungen und Schwerpunkte ihres Evangelisie­rungsauftrages sehen? Wenn Christgläubige auch »gelegent­lich etwas beschließen können«, warum eigentlich nicht hier. Dies würde die Einsatzfreude zusätzlich stärken.

Die Botschaft des Evangeliums ist unantastbar. Das Amt hat darüber zu wachen, dass diese nicht verletzt wird. Seine Sorge geht noch weiter. Es hat auf Defizite in der Verkündi­gung aufmerksam zu machen und dafür Sorge zu tragen, dass die Beteiligten immer wieder zum gemeinsamen Glaubens­diskurs zusammenkommen und in der Evangelisierung nicht nachlassen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Wächteramt und steht als solches auch dem Volk gegenüber. Dies ist seine Verantwortung. Warum aber alles und jedes an Be­schlüssen über Glauben in unserer Zeit nur durch die Stimme des dafür zuständigen Amtes zustande kommen kann, ist den Christgläubigen vom Auftrag des Evangeliums her kaum noch deutlich zu machen.

Deshalb gilt es Diskursformen zu entwickeln. Die gemein­same Synode war ein Schritt auf dem richtigen Weg. Auf diesem Weg muss zielstrebig weitergegangen werden. Hirten­briefe und besondere Lehrtexte dürfen in der Regel nicht mehr »vom Himmel fallen«, sondern müssen im Kontext ei­nes diskursiven Prozesses entstehen. Amerikanische Hirten­briefe sind dafür ein Beispiel. Es geht nicht darum, dass Amtsträger nicht mehr frei reden könnten, sondern dass sie sich in ihren Überlegungen von Anfang an in das Volk als Trägerin der Botschaft eingebunden wissen. Dabei ist auch das kritische Wort unabdingbar.

Die katholische Soziallehre kann als Beispiel einer solchen Verkündigung dienen. Sie ist als soziale Botschaft der Kirche Verkündigung. Durch sie muss dem christlichen Leben in der Gesellschaft Gestalt gegeben werden. Dies ist die Aufgabe der Christgläubigen in ihren Lebens- und Wirkungsberei­chen. So führt es Johannes Paul II. im Schlusskapitel seiner Enzyklika »Centesimus annus« aus[191] Nach Auffassung des Papstes ist dort die experimentelle Dimension der Lehre, wo sie in Suchprozessen Wege für menschlicheres Handeln er­schließt.

So entsteht »Soziallehre von unten«. Evangelisierung oder Inkulturation des Evangeliums gewinnt zeitgerechte Gestalt. Um diese zeitgerechte Gestalt geht es aber bei einer wirksa­men Verkündigung heute. Es müssen Wege gefunden wer­den, wie diese heutige Form der Verkündigung in der Kirche diskutiert werden kann und wie entsprechende Konsequenzen daraus gezogen werden können, z. B. durch die Frage nach den Zielen, die die Verkündigung der sozialen Botschaft in und für die Familie haben muss. Dies hat ja auch Bedeu­tung für Aussagen der Kirche im politischen Bereich.

Im Feld der kirchlichen Grundfunktion der Diakonie dürfte es kaum Einschränkungen geben. In diesem Bereich ist das Mitbestimmungsrecht in vollem Umfang möglich. Hier sind kaum theologische Grenzen sichtbar. Es muss aber gewährleistet bleiben, dass sich dieser Bereich nicht völlig den kirchlichen Gremien entzieht. Er wäre dann zwar ver­einsmäßig organisiert, aber die kirchliche Basis hätte kaum darauf Einfluss. Auch für die kirchlichen Hilfswerke gilt die Notwendigkeit der Demokratisierung. Erwachsenenbildung im Sinne von Gesellschaftsdiakonie kann auch demokratisch organisiert werden und ist dies schon in großem Maße.

Im Bereich der dritten Grundfunktion, der Liturgie, ist sehr viel durch gesamtkirchliche Richtlinien geregelt. Diese dürfen nicht einfach angeordnet werden, sie brauchen die Mitwirkung des Volkes Gottes. Es ist ja schließlich seine Li­turgie, die gefeiert wird. Die entsprechenden römischen Kon­gregationen bedürften der Gremien, die beratend und be­schließend den Arbeitsprozess in wichtigen Fragen begleiten müssten. Nur so sollten noch Vorlagen an den Papst erstellt werden. Dies gilt natürlich auch für die anderen Kongrega­tionen. Bei liturgischen Richtlinien auf Ebene der Bischofs­konferenzen sind entsprechende Mitspracherechte zu ge­währleisten.

Im Rahmen der kirchlichen Richtlinien ist Mitbestim­mung in der Pfarrei und in der Liturgie schon jetzt möglich. Aber auch hier gibt es Grundsatzfragen, die das Volk selbst betref­fen. Jede Gemeinde hat ein Recht auf die Eucharistiefeier. Wie lange ist dies noch zu gewährleisten? Warum werden immer weniger Brautämter gefeiert und die Zahl der Beerdi­gungsmessen eingeschränkt? Es müsste auch ein ernsthaftes Mitspracherecht der Gemeinden bei ökumenischen Gottes­diensten geben. Hier kann an Sonntagen auf Dauer nicht mehr mit Verboten gearbeitet werden. Dies wird noch pro­blematischer, wenn eine Eucharistiefeier am Sonntag in Zu­kunft nicht mehr in allen Gemeinden gesichert werden kann.

5. These: Wenn das Volk Gottes im Besitz des Amtes Jesu zur Evan­gelisierung dieser Welt ist, dann muss es auch Wege geben, wie es dies den Amtsträgern gegenüber zum Ausdruck bringt. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um die Abschaffung des Amtes oder die Schmälerung seiner unverzichtbaren formellen und materiellen Kompetenz, es geht darum, wie jemand in dieses Amt gelangt. Wahlen, die auf allen Ebenen wie­derbelebt werden müssen, haben eine uralte kirchliche Legitimation und sind von der Kirchenverfassung her durchaus möglich.

Die grundlegende Form der Wahlen ist, seine Repräsentan­ten zu wählen[192]. Bei der Größe der Gemeinden, der Bistümer und der Kirche insgesamt ist unmittelbare Mitwirkung nur in seltenen Fällen möglich. Die Wahl der Repräsentanten sollte in der Regel generell durch Urwahl erfolgen. Geborene und kooptierte Mitglieder der Gremien dürfen nie die Mehr­heit bilden, im Gegenteil muss ihre Zahl weit unter der der Gewählten liegen. Solche Wahlen müssen auf allen Ebenen erfolgen bis hin zur höchsten Kirchenebene. Die Mitwirkung durch Repräsentanten hat sich im Staat bewährt. Sie schafft die bessere Möglichkeit, den Gemeinwillen in Form des Mehrheitswillens zum Ausdruck zu bringen, und lässt schnel­ler und besser Diskurse führen. In der Kirche muss aber vor allem in Lehrfragen ein breiter Diskurs stattfinden und mög­lichst auch ein umfassender Konsens gesucht werden. Dies ist umso wichtiger, je verbindlicher eine Lehre ist. Das geht in der entscheidenden Form nur durch Repräsentanten.

Danach ergibt sich die Wahl der Amtsträger, beginnend bei den Pfarrern. Der Priestermangel ist kein Gegenargument. Den kann die Kirche ohne größere theologische Pro­bleme beheben. Hinzu kommt die noch lange nicht ausdis­kutierte Frage von weiblichen Amtsträgern z.B. beim Diakonat. Wahlen sollten immer durch ein repräsentatives Gremium erfolgen. Bei der Wahl von Pfarrern gibt es ver­schiedene Möglichkeiten. Die weitestgehende ist, dass die Ge­meinde dem Bischof einen Kandidaten für die Weihe präsen­tiert. Danach käme die Präsentation von schon Geweihten. Es gibt alternierende Möglichkeiten. Einmal präsentiert der Bischof Kandidaten, das andere Mal die Gemeinde. Die evangelische Kirche kennt solche Formen[193]. Die Ernennung muss immer durch den Bischof erfolgen. Auch hier sind somit Systeme der Kontrolle und Machtbalance möglich.

Das Mitwirkungsrecht der Domkapitel in einigen Bistü­mern Deutschlands könnte Ausgangspunkt für eine schritt­weise Einführung einer Wahlmitwirkung des Gottesvolkes bei der Wahl eines Bischofs sein. Canon 377 § 1 sieht ja die Ernennung von rechtmäßig Gewählten durch den Papst vor. Der Papst hat durchaus die Möglichkeit, für die Gesamtkir­che oder für Teilkirchen weitergehende Wahlmöglichkeiten zu schaffen. Auch hier wären alternierende Verfahren mög­lich, um sowohl die Interessen der Ortskirche als auch der Weltkirche im Blick zu behalten. Auch die Nachbarbischöfe sollten in das Verfahren einbezogen werden. Es kann nicht im Vorhinein bewiesen werden, dass durch ein solches Verfahren die Besetzung der Bischofsämter unqualifizierter würde. In politisch kritischen Situationen müssen Einschränkungen der freien Wahl, die aber nicht den Vorwand für ein Unter­laufen bieten dürfen, möglich sein.

Das Papstamt ist traditionell ein Wahlamt. Das Wahlrecht hatte ursprünglich das Volk von Rom. Der Wahlmodus be­darf dringend einer Änderung. Das Volk Gottes ist wieder in geeigneter Form daran zu beteiligen. Dies kann dadurch ge­schehen, dass das Wahlgremium vom ihm entscheidend beeinflusst werden kann. Anstelle der Kardinäle könnten an­dere, bei deren Bestellung das Gottesvolk mitgewirkt hat, das Wahlgremium bilden. Es wäre aber auch möglich, dass der größere Teil des Kardinalskollegiums auf Vorschläge der Ortskirchen unter Einschaltung des ganzen Gottesvolkes er­nannt würde. Auch hier ist schrittweise ein neuer Weg zu gehen. Dabei muss beachtet werden, dass weltkirchliche und ortskirchliche Interessen zum Zuge kommen. Päpste haben das Wahlrecht mehrfach geändert, warum sollte dies heute nicht erneut möglich sein?

Wahlen müssten auch für andere wichtige kirchliche Ämter eingeführt werden. Es sprechen keine begründeten theologischen Probleme gegen solche Wahlen[194].

Insgesamt gilt, dass kirchliche Ämter befristet sein sollten. Wiederwahl müsste möglich sein. Damit sollte beim Pfarramt angefangen werden. Die Wahlperiode könnte acht Jahre be­tragen. In dieser Zeit ist pastorale Arbeit durchaus zu prä­gen. Die Möglichkeit der Befristung von Bischofsamt und auch Papstamt ist zu prüfen. Sie wäre kirchengeschichtlich neu, deshalb aber theologisch nicht unmöglich. Mit befriste­ten Wahlämtern wurden in Orden und geistlichen Gemein­schaften gute Erfahrungen gemacht. Es muss auf jeden Fall die Möglichkeit des Rücktritts und eine ernsthafte Möglich­keit zum Aussprechen des Misstrauens geben. Wie soll sonst »die Einheit von Hirt und Herde« gewährleistet werden?

6. These: Die Vermögensverwaltung in der Kirche bedarf auf allen Ebenen der demokratischen Kontrolle.

Das System der Vermögensverwaltung, das in den Pfarreien und Bistümern der Bundesrepublik Deutschland ähnlich dem im Bistum Limburg eingeführt ist, hat sich bestens be­währt und muss auch auf Weltkirchenebene ausgebaut wer­den. Auch hier hat sich ja gezeigt, dass eine unkontrollierte Verwaltung zu erheblichen Problemen führen kann. Das Vermögenskontrollrecht gehört zu den ältesten demokratischen Rechten. Es ist nicht begründbar, warum es nicht auch in der Kirche gelten soll.

In Deutschland ist auf Ebene des Verbandes der Deut­schen Diözesen der Einfluss der Diözesanpastoralräte ent­scheidend zu stärken. Auch hier muss das Prinzip zur Gel­tung kommen, dass eine Steuer ohne Mitentscheidung der Besteuerten nicht möglich ist. Die Synode hatte Wege aufge­zeigt, wie dies in einem ersten wichtigen Schritt verwirklicht werden kann. § 7 Abschnitt 1 der Satzung des Verbandes führt für den Verwaltungsrat den Diözesankirchensteuerrat neben drei anderen und weiteren möglichen Gremien auf, deren Voten bei der Stimmabgabe zu berücksichtigen sind. Dies ist ein relativ unbedeutendes Recht[195]. Da in der Regel das Prinzip der Einstimmigkeit gilt, kann aber ein Diözesan­kirchensteuerrat im Vorfeld doch erheblichen Einfluss aus­üben.

Auf der Diözesanebene und der Ebene der Pfarrei ist volles Mitbestimmungsrecht gegeben. Der Haushalt wird von den dazu zuständigen Gremien mehrheitlich beschlossen. Die Mitglieder dieser Gremien sind in der überwiegenden Mehr­zahl gewählt.

8.4. Die Gewaltenteilung

7. These: Die klassische Form der Gewaltenteilung ist nach dem der­zeitigen Stand der Diskussion in der Kirche noch nicht möglich. Es muss aber eine Machtbalance und Kontrolle der Macht gefunden wer­den, damit die Würde der einzelnen Christen hinreichend gewahrt wird. Durch vom Papst und von den Bischöfen übertragene Gewaltenteilung, die ja im Kirchenrecht schon ansatzweise vorgesehen ist, sind erste Schritte in dieser Richtung zu gehen. Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung müssen an Institutionen mit echter Kompetenz gebunden werden. Unmittelbares Durchregieren ist zu vermeiden.

Das Prinzip der Gewaltenteilung gilt der Kontrolle und der Ausbalancierung der Macht, damit kein Machtübergewicht entsteht. Nach dem derzeitigen Stand der theologischen Dis­kussion ist die klassische Form der Gewaltenteilung für die Kirche nicht möglich. Es wird im Kirchenrecht deutlich ge­macht, dass alle drei Gewalten, die gesetzgebende, die aus­führende und die richterliche Gewalt, in der Hand des Amtes liegen. Inwieweit dies für das Bischofsamt in dieser Art und Weise festgelegt bleiben muss, müsste noch theologisch hinter­fragt werden. Hier werden ja Prinzipien der modernen De­mokratie auf die Amtsvorstellung der Kirche übertragen. Dadurch soll ein Grundanliegen der modernen Demokratie abgewiesen werden. So sieht es Canon 391 § 1 des Kirchen­rechts.

Dabei betont § 2, dass der Bischof nur die gesetzgebende Gewalt unmittelbar ausübt, die ausübende Gewalt nehmen nach Maßgabe des Rechts der Generalvikar (bzw. die Bi­schofsvikare) und die richterliche Gewalt nach Maßgabe des Rechts der Gerichtsvikar und die Richter wahr. Hier ist der Weg der Entflechtung durch Delegation von Rechts wegen aufgezeigt, der konsequent weiter gegangen werden muss. Dies sind erste Ansätze zur Gewaltenteilung.

Bezüglich der gesetzgebenden Gewalt muss wenigstens er­reicht werden, dass kein Gesetz ohne Zustimmung der ge­wählten Vertreter des Gottesvolkes verkündet werden kann. Umgekehrt muss auch der Pastoralrat gesetzgeberisch aktiv werden können. Auch seine Beschlüsse brauchen nach der­zeitigem Amtsverständnis die Inkraftsetzung durch den Bi­schof. Schwierig wird es in Konfliktfällen. Eine Lösung sollte nach Möglichkeit innerhalb des Bistums erfolgen. Dies heißt, dass in unlösbaren Konfliktfällen ein Beschluss nicht zustande kommt. Eine andere Möglichkeit ist, dass bei einer Ableh­nung durch den Pastoralrat der Vorgang erneut beraten wer­den muss. Eine erneute Ablehnung muss mit einer Zweidrit­telmehrheit erfolgen. Falls der Bischof seinerseits nach einer erneuten Beratung ablehnt, sollte auf ein Gespräch mit den Bischöfen in der Kirchenprovinz verwiesen werden. Dabei wird die Mitwirkung der Christgläubigen bei deren Wahl vorausgesetzt. Dies könnte eine Lösung sein, die dem heuti­gen Verständnis des Bischofsamtes entspricht.

Die Gerichtsbarkeit muss dringend ausgebaut werden. Die Schiedsstellen des Kirchenrechts sind wirklich nur ein aller erster Schritt. Wenigstens die Verwaltungsgerichtsbarkeit muss eingeführt werden, die die Synode vorgeschlagen hat. Die dort gemachten Eingrenzungen sind nochmals kritisch zu prüfen. Bei der Bestellung der Richter muss es natürlich auch eine Mitwirkung des Gottesvolkes geben.

Dies verlangt dann aber auch nachprüfbare Entscheidun­gen der Verwaltung und wird damit die ausübende Gewalt in eine andere Rolle bringen. Sie muss sich mehr noch als bisher auf für alle verbindliche Richtlinien beziehen. Die Amtsinhaber in der ausübenden Gewalt müssen unter Mitwirkung des Gottesvolkes, also hier des Pastoralrates, in ihr Amt kom­men.

8. These: Dem Aufbau der Kirche über die Bistümer muss Priorität eingeräumt werden. Der Einfluss der Bischöfe auf die zentrale Leitung der Kirche ist zu sichern und über größere regionale Gliederungen der Kirche zu stärken.

Eine andere Form der Gewaltenteilung sind der Aufbau der Kirche und das Bischofsamt in seiner Spannung zum Papstamt, die am deutlichsten im Konzil wird. Sie darf nicht ni­velliert werden. Die Bischöfe und die Bischofskonferenzen müssen eher noch Einfluss gewinnen. Dies heißt keineswegs, die Bedeutung des Papstamtes zu schmälern. Eine weltweite Kirche muss aber dezentraler organisiert werden, wenn sie ihrem Auftrag an allen Orten gerecht werden will. Dies geht nur, wenn die Nationen, eher noch die Regionen, an Kom­petenz gewinnen. Der Nationalismus sollte ja in der Kirche überwunden werden. Eine großräumige Regionalisierung der Kirche ist notwendig. Ansätze dazu gibt es in Südame­rika, Afrika und manchen Gebieten Asiens. In Europa domi­nieren ebenso wie in Nordamerika die nationalen Konferen­zen. Sie werden aber kaum ein ernsthaftes Gegengewicht im Sinne einer lebensförderlichen Machtbalance werden.

Das Papstamt ist unverzichtbar. Gerade bei dem Zusam­menwachsen der Welt und ihrer Probleme zeigt sich dies deutlich. Dieses Amt kann aber in unserer Welt nur noch kommunikativ ausgeübt werden, sonst verliert es an Akzep­tanz und damit an dem notwendigen Einfluss. Dies verlangt eine echte Repräsentanz dieser Regionalkirchen in Rom, da­mit wirklich ernsthaft kollegial gearbeitet werden kann. Sonst bleiben die vorgeschriebenen »ad limina«-Reisen der Bischöfe eher eine reine Kontrolle der Bistumskirche durch römische Kongregationen, vor denen der einzelne Bischof eher Angst als brüderliche Freude empfindet. Die Bischofs­synoden haben sich als ein allererster Schritt in die richtige Richtung erwiesen. Echte kollegiale und kommunikative Gremien müssen aus größerem als nur nationalem Selbstver­ständnis entstehen und nicht nur gelegentlich tagen. Eine von der Struktur her schon angelegte weitere Föderalisierung der Kirche kann der schwierigen Aufgabe der Leitung der Gesamtkirche heute nur dienlich sein.

9. These: Es muss Sorge dafür getragen werden, dass die Kontrolle kirchlicher Macht auch durch die Herstellung von Öffentlichkeit im inner- und außerkirchlichen Raum gewährleistet wird. Hofberichter­stattung ist völlig ungenügend.

Zur Gewaltenteilung gehört auch die Öffentlichkeit kirchli­chen Arbeitens. Sie wurde beim Konzil erreicht. Nach dem Konzil ist sie eher wieder vergessen oder verdrängt worden. Die deutsche Kirche hatte den Mut, sich nach dem Konzil mit der Zeitung »Publik« auf den Weg einer echten inner­kirchlichen Öffentlichkeit zu begeben, die zugleich auch eine gesellschaftliche war. Offensichtlich war sie damit überfor­dert. Seit dieser Zeit geht es mit der Darstellung der Kirche in der Öffentlichkeit drastisch bergab. Ereignisse um den Papst finden aber nach wie vor eine große Öffentlichkeit.

Auch die innerkirchliche Öffentlichkeit ist eher einem Konflikt- und Beschwichtigungsmanagement zu vergleichen. Repräsentations-Öffentlichkeit gibt es in der Kirche mehr als genug. Es geht um demokratische Öffentlichkeit, die das Volk einbezieht. Hier müssen die Christgläubigen selbst den Mut zu eigenen Wegen in die Öffentlichkeit finden. Ohne diese wird die Legitimationsproblematik in der Kirche noch grö­ßer, die Gräben zwischen Christgläubigen und Leitung, Kir­che und Gesellschaft werden breiter und tiefer.

8.5. Ernsthafte Synodalität ist gefragt

10. These: Eine alte demokratische Struktur in der Kirche ist die Synodalität. Diese muss umfangreich unter Beteiligung der Christgläu­bigen erneuert werden. Die Synodalität soll den Konsens und die Ge­meinschaft in der Kirche stärken. Die Kirche von morgen braucht dies bei ihren weltweiten Dimensionen in besonderer Weise. Ein neuer Weg der Synodalität ist das strukturierte Gespräch mit dem Amt. Auch dieses bedarf der Intensivierung und deutlicheren Kompetenzbeschrei­bung der Christgläubigen in diesem Gespräch. Auch bei der weiteren Ausgestaltung dieser Gremien gilt die Option zur Demokratisierung.

Die Synodalität der Kirche ist ein altes demokratisches Grundmuster der Kirchenstruktur, das der umfassenden Verlebendigung bedarf. Sie beruht auf der Brüderlichkeit oder besser Geschwisterlichkeit der Bibel[196]. In den Ostkirchen und in den Kirchen der Reforma­tion ist sie auf unterschiedliche Weise lebendig. In der West­kirche hat sie auch immer existiert, aber in ihrer Bedeutung eher abgenommen. Nach dem Konzil gewann dieser Ge­danke wieder an Einfluss. Die Synodalität dient letztlich dem geschwisterlichen Gespräch und der Einheit im Glauben.

Synode meint den gemeinsamen Weg, das Zusammenkom­men, um wichtige Fragen zu besprechen und zu bereden. Es kann auch mit »das gemeinsame Verfahren« übersetzt wer­den. Synoden waren späterhin ausschließlich Angelegenheit der Amtsträger. Diese Verengung muss wieder überwunden werden. »Synodal« muss dafür stehen, dass die Sache der Kir­che die Sache des ganzen Gottesvolkes ist.

In der derzeitigen Kirchenorganisation und dem entspre­chenden Amtsverständnis kommen bei diesem synodalen Konzept die Christgläubigen zu kurz. Ihre Verantwortung für das Ganze muss aufgewertet werden. Bei den nachkonziliaren Versuchen, dies zu verwirklichen, hat »synodal« einen neuen inhaltlichen Akzent bekommen. Es meint die Gemein­samkeit von Christgläubigen und Amt. Gemeinsam und je­der auf seine Weise sollen sie die Verantwortung für die Sen­dung der Kirche wahrnehmen.

Dem dienen die synodalen Gremien, die Pfarrgemeinde­räte und Pastoralräte. Die folgenden Ausführungen beziehen sich, soweit nicht eigens angemerkt, auf das Bistum Lim­burg. In vielen anderen Bistümern ist dies, basierend auf der Synode, ähnlich.

Auf der Pfarrebene kann gemeinsam mit dem Pfarrer be­schlossen werden. Beschlüsse kommen in Anwesenheit des Pfarrers zustande, wenn dieser nicht vor Ende der Sitzung förmlich widerspricht. In diesem Fall muss in einer neu an­gesetzten Sitzung beraten werden. Kommt es zu keiner Eini­gung, wird die Angelegenheit dem Ordinariat zur Entschei­dung vorgelegt. Hier ist also ein Beschlussrecht im Sinne von echter Mitbestimmung gewährleistet. Der Pfarrgemeinderat müsste aber auch das Haushaltsgremium der Pfarrei werden. Die laufenden Geschäfte könnte ein Verwaltungsrat führen.

Auf Diözesanebene sind die Beschlüsse nur Empfehlungen an den Bischof. Der Bischof wird ihnen folgen, wenn nicht schwerwiegende Gründe entgegenstehen. Diese wird er in der Regel benennen.

Diese Form legt es natürlich sehr auf den guten Willen der Beteiligten an. Das Synodalmodell hat seine Stärke in der Harmonie, seine Schwäche im Konflikt. In diesem unterlie­gen in der Regel die Gewählten. Hier muss es zu anderen Entwicklungen kommen.

Dazu gehört, dass der Synodalrat echte Entscheidungs­kompetenzen erhält. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat er diese. Dort ist sowohl der Kirchengemeinderat gleich­zeitig für die Vermögensverwaltung verantwortlich als auch der Diözesanrat, der gleichzeitig die Funktion eines Kirchen­steuerrates hat. Dies kommt aus dem Verständnis, dass das Haushaltsrecht der Parlamente eines der ältesten und wich­tigsten Rechte ist. Ohne dieses Recht wären die Parlamente weithin ineffizient. Wird dieses Recht auf den Pastoralrat übertragen, dann kann er nur an Bedeutung gewinnen.

Hinzu müssen schrittweise echte Rechte der Mitbestim­mung kommen. »Christifideles laici« sieht durchaus vor, dass eine Mitwirkung der Laien in Räten in einzelnen Fällen Mit­bestimmung sein kann[197]. Dies müssten vor allem Wahlrechte sein. Auch Mitwirkungsrechte bei der Gesetzgebung, wie oben schon beschrieben, müssten festgeschrieben werden. Dieser Weg ist systematisch zu beschreiten.

Zu einer weiteren Entwicklung gehört es auch, dass die Verfahren deutlicher beschrieben werden. Wer ist antragsbe­rechtigt, wie laufen die Beratungswege, und wann sind meh­rere Lesungen notwendig? Dies wird alles noch eher dilettan­tisch gehandhabt. Die Gremien sind bezüglich ihres eigenen Stiles noch auf der Suche. Insgesamt gibt es auf Bistums­ebene viel zu viele Gremien. Diese Fülle führt nicht zu einer Bedeutungssteigerung, sondern eher durch Zersplitterung zur Schwächung. Jedenfalls muss eine klare Letztkompetenz auf der Ebene der Mitsprache beim Pastoralrat festgemacht werden. An die Abschaffung überzähliger und historisch überholter Gremien ist zu denken.

Der synodale Umgang erfordert ein hohes Maß an Sensibilität von den Amtsträgern, weil er sehr stark auf Leitungs­stil abhebt und weniger eine Leitungsstruktur ist. Das ist seine entscheidende Schwäche. Es liegt vor allem an den Bi­schöfen, wie sie diesen Stil handhaben.

Auf Dauer müssen aber die strukturellen Elemente, d. h. die gefügten, des synodalen Modells gestärkt werden, sonst wird dieses kaum Zukunft haben. Auch hier gilt das Prinzip der Demokratisierung.

8.6. Wandel der Strukturen durch Wandel im Bewusstsein

11. These: Strukturwandel wird bewirkt durch Bewusstseinswandel und regt diesen seinerseits auch wieder an. Der Prozess des Bewusstseinswandels im Sinne des Konzils zum Ernstnehmen der Christgläubigen muss intensiviert werden. Dazu gehört intensive Bildungsarbeit.

Grundlegender Wandel in der Kirche braucht seine Zeit. Das Konzil kann nur als Anstoß betrachtet werden. Es wurde ja inhaltlich über nahezu zwei Generationen vorbereitet, wenn wir nur an die Liturgiereform denken.

Verlangt ist ein erneuertes Verständnis der Würde der Christen. Noch haben sich die Erkenntnisse des Konzils nicht hinreichend durchgesetzt. Auch die Christgläubigen selbst haben noch nicht völlig dieses neue Selbstbewusstsein gewonnen. Das dauert in der Regel wesentlich länger als eine Genera­tion. Hier muss noch ein erheblicher Wandlungsprozess ein­treten. In weiteren Generationen werden dann die Amtsträger wie selbstverständlich von diesem Geist getragen sein.

Dieses neue Bewusstsein der Amtsträger ist darin begrün­det, dass ihre eigentliche Würde die der Christgläubigen ins­gesamt ist. Durch die Weihe haben sie ein besonderes Dienstamt übertragen bekommen, das notwendig, unverzichtbar und nicht disponibel ist. Die Weihe bestätigt es in seiner elementaren Bedeutung. Dieses Amt ist ihr eigenes Charisma und dient in besonderer Weise dem Ganzen. Daneben gibt es viele andere Charismen, die austauschbar und flexibel sind. Sie benötigen keine eigene Bestätigung durch eine Weihe, ohne sie kann Gemeinde aber auch nicht leben.

Zu dieser Erneuerung gehört, wie die Enzyklika »Christifideles laici« betont, eine umfassende Bildungsarbeit der Christgläubigen[198]. Nur so können sie kompetent ihre Aufgabe in Kirche und Welt wahrnehmen. Bildung führt zur Entfal­tung der Persönlichkeit, zur Emanzipation. Dies hat dann aber auch wieder Konsequenzen im Hinblick auf die Kirche, in der diese geschenkte und gewonnene Freiheit in Selbstbe­stimmung und Mitbestimmung lebbar sein muss. Bildung in der Kirche muss aber auch zur Solidarität hinführen, vor al­lem da unterscheidet sie sich von anderer Bildungsarbeit. Die kirchliche Bildung muss die gesamte Persönlichkeit betreffen, die familiären und gesellschaftlichen Bezüge und den kultu­rellen Bereich im umfassenden Sinne. Sie muss aber auch die vertiefenden theologischen Fragen, das christliche Verständ­nis von Gott, Welt und Mensch und die Aufgaben der Kirche beinhalten. So kann Selbstbewusstsein und zugleich Verantwortungsbewusstsein gefördert werden für Kirche und Welt. Das Sendungsbewusstsein wächst.

Dies hat natürlich auch Konsequenzen für das Verhalten in der Kirche. In dieser Weise gebildete Menschen sind eigenständiger und selbstbewusster. Sie wollen sich auch in der Kirche als freie und verantwortliche Menschen erfahren kön­nen. Auf diesem Weg wird notwendigerweise Demokratisie­rung in der Kirche gefördert.

Der Bewusstseinswandel der Menschen in unserer Gesell­schaft führt zu Anfragen an die Struktur der Kirche, die diese sich zur Zeit noch nicht zu erfüllen in der Lage sieht. Dieser Bewusstseinswandel muss auch in der Kirche eingeleitet wer­den. Er braucht aber auch Felder der Erfahrung, Räume, in denen der Christ sich als frei und verantwortlich erleben kann. Christgläubige müssen ermutigt werden, sich solche Räume zu schaffen; Amtsträger müssen dies nicht nur dul­den - dies wäre schon viel-, sondern auch fördern, soweit es in ihren Kräften steht. So kann es zu einer in geschwisterli­chem Geist erneuerten Kirche kommen, in der demokrati­sche Formen eine Selbstverständlichkeit sind.

Strukturen müssen sich wandeln. Dies geschieht durch ein erneuertes Bewusstsein. Dieses braucht aber immer wieder Erfahrungsräume, das heißt also erneuerte Strukturen. Über diesen wechselseitigen Vorgang muss ein demokratisierender Verwandlungsprozess der Strukturen in der Kirche betrieben werden. Die Anfänge sind gemacht.

12. These: Die Demokratisierung der Kirche muss sich von der Basis her entwickeln. In den Gemeinden müssen Experimentierräume für eine Erneuerung der Kirche ermöglicht werden. Es muss Freude machen, an solchen Experimenten beteiligt zu sein. Hier haben die Verbände in ihrem demokratischen Selbstverständnis, aber auch in einem ständigen Erneuerungsprozess einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Zur Entwicklung eines erneuerten Selbstbewusstseins ist Ex­perimentierraum an der Basis nötig. Neue Formen von Ge­meinde geben die Möglichkeit zu anderen Kirchenerfahrun­gen, die Mut machen, sich auch weiterhin der Kirche zu widmen. Das größte Problem der Kirche scheint ja die um sich greifende Resignation zu sein. »Eigentlich hat ja die Kir­che einen Auftrag, aber sie erweist sich nach Auffassung vieler weithin als unfähig, ihn in unsere Zeit umzusetzen.« Ein Unmut erregender Pro­blemstau scheint in der Kirche zu wachsen. Das führt zu lautlosem Auszug aus der Kirche. Dem gilt es zu wehren durch das Bewusstsein, dass das Volk Gottes die Kirche ist und deshalb seine Sache in die eigenen Hände nehmen muss.

Dazu bedarf es erneuerter Verbände. Sie haben die Mög­lichkeit, eine Form von Kirche zu sein, in der Laien durch Wahl ihre Leitung bestimmen. Hier kann Demokratie in der Kirche beispielhaft geübt werden. Die Verbände haben eine reiche Erfahrung in Selbstbestimmung. Sie sollten diese ziel­strebig ausbauen und noch intensiver als bisher in die Ge­samtkirche einbringen. Sie sind ja selbst ein demokratisch organisierter Teil von Kirche.

Auch die Orden mit ihrer uralten demokratischen Tradi­tion in der Kirche sollten diese Tradition deutlich leben und damit einen Beitrag zur Erneuerung der Kirche leisten.

Es geht um eine Erneuerung der Gemeinde. Sie braucht viele sich selbst organisierende Gruppen, in denen unmittel­bar die Erfahrung der Geschwisterlichkeit möglich ist. Ge­meinde beinhaltet ja vom Begriff her das Recht auf Selbstor­ganisation. Gemeinde muss Gemeinschaft von Gemeinschaf­ten werden. Hier und in den Gremien wird der neue Geist der Kirche erlebt und erfahrbar gemacht. Ohne die Christgläu­bigen geht in den Gemeinden nichts mehr. Dies muss auch zu Wegen der erweiterten Mit- und Selbstbestimmung führen. Es muss Freude machen, in der Gemeinde und ihren Grup­pen mitzuarbeiten, weil man sich dort als Christ und Mensch rundherum ernst genommen weiß. Über ein Verständnis der Pfarrei als ein Netzwerk von Aktivitäten ist eine neue Basisnähe und Eigenverantwortung zu finden.

Der von der Kirche nicht gelöste, wenn nicht nahezu ver­ordnete Priestermangel kann auch zu einem neuen Selbstbewusstsein der Christgläubigen, Männern wie Frauen, beitra­gen. In der Theorie leitet das Amt. Leitung konkret wird bei wach­sendem Priestermangel in der Praxis mehr und mehr von nichtgeweihten Männern und Frauen wahrgenommen. Hier sind Modelle zu weiterer Demokratisierung möglich, denn dann kann ja nicht theologisch mit einer Grenze durch das Amt argumentiert werden. Dass mit solchen Gedanken nicht der Willkür das Wort geredet werden soll, müsste klar sein. Die Basis des Evangeliums, die Erwartung der Wiederkunft Christi und die Gemeinschaft mit der Gesamtkirche sind un­abdingbar.

Gemeinde von morgen wird von den Christgläubigen selbst getragen werden und lässt sich nicht mehr vom Amt her definieren, so sehr das Amt notwendig ist. Es ist aber als ein Dienst in der Gemeinde aufzufassen. Hier hat auch das Subsidiaritätsprinzip seine Gültigkeit. Von der jeweils höhe­ren Ebene muss alles getan werden, damit die darunter liegende Ebene - wenn dieses Bild überhaupt noch erlaubt ist, denn eigentlich ist die so genannte höhere eine Dienstlei­stungsebene - ihre Aufgaben erfüllen kann. So sehr ein über­greifender Konsens notwendig ist, so sehr müssen auch Plu­ralität und Kreativität an der Basis gestützt werden. Der beste Weg dazu ist die Demokratisierung, weil sie Freiheit ernst nimmt und Verantwortung fördert.


9. Statt eines Schlusswortes: Machen wir uns auf den Weg

Dieses Buch kann kein Schlusswort haben. Es will ja zu einem Weg der Demokratisierung der Kirche ermutigen. Das ist ein langwieriger und auch schwieriger Weg. Er muss aber gegan­gen werden, damit die Kirche im nächsten Jahrhundert, das auch zugleich der Beginn eines neuen Jahrtausends ist, ihre volle Wirkkraft entfalten kann.

Eingeladen sind alle auf diesen Weg. Keiner soll ausge­schlossen werden. Es ist ja ein gemeinsamer Weg, den das Volk Gottes, Christgläubige und christgläubige Amtsträger, gehen.

Am Anfang steht eine Änderung des Bewusstseins. Die ei­gentliche Würde der Christgläubigen ist durch Taufe und Firmung gegeben. Der Kern dieser Würde ist die von Gott gegebene Freiheit. Sie befähigt zur Selbst- und Mitbestimmung. Dies muss Konsequenzen für die gesellschaftliche Verfasstheit der Kirche haben. Es müssen Formen gefunden wer­den, in denen Mitbestimmung ernsthaft realisiert werden kann.

Die Amtsträger sind eingeladen zu einer Erneuerung ihres Selbstverständnisses vom Konzil her. Amt ist keine neue Würde, die zur Würde des Christgläubigen hinzukäme. Amt ist Dienst, besondere und komplementäre Befähigung zum Dienst in der Kirche. Der Amtsträger steht in erster Linie als Christgläubiger in der Gemeinschaft des Volkes Gottes. Er hat erst in zweiter Linie durch die Weihe das unverwechselbare und für die Kirche unverzichtbare Charisma des Am­tes. Hier wird die Kirche neue Wege überlegen müssen, um der Kirche die zur Gemeindebildung vor allem in der Eucharistie notwendigen Dienste zur Verfügung zu stellen. Von einem erneuerten Selbstverständnis her kann gemeinsam auch ein neues Miteinander in dialogischen For­men gefunden werden. Ein solcher Bewusstseinswandel, der dann auch einen Strukturwandel nach sich zieht, braucht seine Zeit. Im Prozess der Veränderung muss immer wieder Standortbestimmung vorgenommen werden, um zu prüfen, ob die Ausgangsdaten noch stimmen oder sich geändert ha­ben und andere Schlussfolgerungen möglich geworden sind. Bei diesen Änderungen spielen auch gesellschaftliche Ent­wicklungen eine Rolle. Dies betrifft auch eine Weiterentwick­lung des Demokratieverständnisses.

Inzwischen kann aber schon viel getan werden. Synodale Strukturen können gelebt und ausgebaut werden. In Grup­pen, Verbänden und Gemeinden sind geschwisterliche Um­gangsformen einzuüben. Schrittweise kann das Amt in der Kirche Mitsprachestrukturen fördern. Die Christgläubigen dürfen sich nicht entmutigen lassen, sondern müssen die vor­handenen Möglichkeiten ausschöpfen und neue stetig, aber deutlich, einfordern.

Es geht dabei nicht um einen zeitgemäßen Außenanstrich der Kirche. Es geht darum, dass die Kirche ihrem gestifteten Wesen gemäß die beste gesellschaftliche Form findet, in un­serer Zeit zu wirken. Es hat wohl noch nie in den vergange­nen 2000 Jahren eine Herrschaftsform gegeben, die von ih­rem Grundverständnis her mit den biblischen Ansätzen des Kirchenverständnisses so weit konvergierte wie die Demo­kratie.

Die Würde des Menschen und des Christen verschafft dem Christgläubigen einen aufrechten Gang. Den muss er ohne Bevormundungen auch in der Kirche gehen können. Das Amt hat ihm dabei Hilfe zu leisten.

Es wird davon gesprochen, dass nach einer Epoche der Kirche als Weltgewissen mit ausgeprägten zentralen Amts­strukturen eine mystische Kirche im Entstehen sei, eine Kir­che im Herzen der Menschen, die aus dem Bewusstsein leben, dass Christus in ihnen lebt und sie die Kirche sind. Dies muss aber nicht im Widerspruch zur Aufgabe des Amtes gesehen werden, sondern bedarf der Stützung und Förderung durch dieses. Für dieses neue Zusammen von Christgläubigen und Amt braucht es neue Formen, die auch die grundsätzliche Dienstfunktion des Amtes zum Ausdruck bringen müssen.

Jesus Christus ist das Haupt der Kirche. Von ihm geht alle Gewalt aus. Er ist in seinem Volk gegenwärtig. Das Volk ist damit sichtbare Trägerin der Gewalt, die von seinen Organen ausgeübt wird. Dessen muss sich das ganze Volk bewusst sein. Es muss bemüht sein, Christus immer mehr zu entsprechen. Alle Christen sind ins Vollalter Jesu Christi berufen, sie sind keine unmündigen Kinder mehr, sondern erwachsene Voll­bürger, die mitzureden haben. Dieses Sein muss Bewusstsein werden. Das Bürgerrecht der Christen ist in seiner Konkre­tisierung im Leben der Kirche einzufordern. Das verlangt einen Prozess der Demokratisierung der Kirche.

In unserer Zeit sind viele staatliche Formen und politische Systeme dabei zu zerbrechen, oder sie sind schon untergegangen. Viele Menschen leben nach wie vor in Abhängigkei­ten und Unrechtssystemen. Die Demokratie ist zurzeit die beste Staatsform, die Würde des Menschen umfassend zu gewährleisten. Da sie auf der Menschenwürde beruht, ist sie keine Theorie mit begrenzter Reichweite, sondern überall, in allen Bereichen und, wenn auch in eigener Form, wie weiter oben dargestellt, grundsätzlich in der Kirche gültig. Deshalb kann und muss Kirche weltweit einen Beitrag durch ihr Bei­spiel leisten, wie demokratisch miteinander umgegangen werden kann. Dies Beispiel schuldet sie den Menschen als Zeichen der Hoffnung unter den Völkern.

Kirche wird sicher nicht durch demokratischere Formen allein überzeugen können. Aber diese sind ein guter Weg, Menschen für eine Mitarbeit zu motivieren. Motivierte Chri­sten in vielen Lebensbereichen dieser Welt braucht die Kirche. Autoritäre Führungsstrukturen werden nicht mehr an­genommen, sie leiden zunehmend an Legitimationsverlust. Autorität bedarf der umfassenden Einbettung in das Volk. Dies motiviert auch zum Mitgehen.

Motivation zur Mitarbeit am Auftrag der Kirche durch wachsende Teilhabe an der Gestaltung der Kirche in Gemeinschaft heißt das Programm der Demokratisierung der Kirche.

Anhang

Abkürzungen

AA Apostolicam actuositatem,Das Dekret über das Laienapostolat, Zweites Vatikanisches Konzil

AaO Am angegebenen Ort

AAS Acta Apostolicae Sedis, Amtsblatt des HI.Stuhles

Abl Amtsblatt

BVerfGE Bundesverfassungsgericht

CA Centesimus annus, Johannes Paul II., Enzyklika 1991

CLChristifideles laici, Johannes Paul II., Enzyklika 1988

Concilium Concilium Internationale Zeitschrift für Theologie

DH Dignitatis humanae, Die Erklärung über die Religionsfreiheit, Zweites Vatikanisches Konzil

EKHN Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

GS Gaudium et spes, Die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, Zweites Vatikanisches Konzil

GSV Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland

LG Lumen gentium, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Zweites Vatikanisches Konzil

LThK Lexikon für Theologie und Kirche

PL Migne, Patres Latinae

SL Die sozialen Rundschreiben der Päpste, Köln 71989

Quellen und Literatur

(Abkürzungen wie im Lexikon für Theologie und Kirche Freiburg 2001 = LThK)

Alberigo, G., Geschichte der Konzilien, Düsseldorf 1993

Amtsblatt Limburg 1.6.1973 und 1.7. 1973

Apostolicam actuositatem, das Zweite Vatikanische Konzil, Dokumente und Kommentare, LTHK Ergänzungsbände I-III, Freiburg 1966

BAADTE, G./RAUSCHER, A., (Hrsg.), Christen und Demokratie, Graz 1991

BARAUNA, G., De ecclesia Bd. 2. Frankfurt 1966

Bensberger Kreis (Hrsg.), Demokratisierung der Kirche in der Bundesrepublik Deutsch­land. Ein Memorandum deutscher Katholiken, Mainz 1970.

Bistum Limburg, Sammlung Verordnungen und Richtlinien-Synodalordnung, in Kraft gesetzt 1977

Bistum Limburg, Synodalordnung, Gesetze über die Verwaltung des Kirchenvermögens, Wahlordnungen u. a., Limburg 1978.

BLOCH, E., Naturrecht und Menschenwürde, Frankfurt am Main 1977.

BÖCKENFÖRDE, E.-W., Religionsfreiheit, Freiburg 1990

BÖHRET, C.,/ JANN, W., /KRONEWETT, E., Innenpolitik und politische Theorie, Opladen 1979

Breve »Quod aliquantum« nach Concilium 5 (1979)

Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 2,12f.) im Verbotsurteil gegen die SPR 1952, zitiert nach: SUTOR B., (Hrsg.), Politik. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, Paderborn 1979, S, 55

Centesimus annus, in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles 101, Bonn, 1991

Christifideles laici in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles 87, Bonn 1994

COURTH, F. Gemeinschaft im Heiligen Geist, in: PROBST, M.,/ SCHUCHART, A., Kirche auf dem Weg zur Communio, Limburg 1990, S. 83-98

COURTH, F., Weiser, A., Mitverantwortung aller in der Kirche, Limburg 1985

Die Deutschen Bischöfe, Wort zur Stellung der Verbände in der Kirche, Bonn 1990

Dignitatis humanae,&xnbsp; Das Zweite Vatikanische Konzil, Dokumente und Kommentare, LTHK Ergänzungsbände I-III, Freiburg 1966

DORDETT, A., Kirche zwischen Hierarchie und Demokratie, Wien 1974, S. 142. nach Roos, L., Demokratie als Lebensform, München 1969, S 331.

ECKART, J., Ermöglichungspastoral. Ein neues Paradigma in der Seelsorge, Norderstedt 2004,

Eisenkopf, P., Vom Lehramt des Gottesvolkes, in Weiser, A., Leuninger, E., Dialog in der Kirche, Limburg 1992, S. 35-45,

ELIAS, N., Die Gesellschaft der Individuen, Frankfurt ³ 1988

Enzyklika »Libertas praestantissimum« vom 20.Juni 1888

FRANK, K.S., Lehrbuch der Geschichte der Alten Kirche, Paderborn³ 2002

FRAENKEL, E., Deutschland und die westlichen Demokratien, Frankfurt am Main 1991

FRIES, H., Leiden an der Kirche, Freiburg 1989

Gaudium et spes, Das Zweite Vatikanische Konzil, Dokumente und Kommentare, LTHK Ergänzungsbände I-III, Freiburg&xnbsp; 1966

Gesamtsatzung der KAB (Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung) Diözesanverband Limburg 2001

GNILKA, J., Der Epheserbrief Freiburg 1982 3

Grundsatzprogramm der KAB (Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung) von 1996 in Bad Honnef

H. ROTTER, H.,/VIERT, G. Neues Lexikon der christlichen Moral, Innsbruck 1990.

HAAG, H., (Hrsg.), Bibel-Lexikon, Zürich 1989

HEINEN, K., Die Last gemeinsam tragen, in: Courth, F./Weiser, A. Mitverantwortung aller in der Kirche, Limburg 1985, S, 106-117

HEITZER, H., Der Volksverein für das katholische Deutschland im Kaiserreich 1890-1918 Mainz 1979.

HENRIX, H. H., Unter dem Bogen des Bundes, Aachen 1981.

HOEFNAGELS, H., Demokratisierung der kirchlichen Autorität, Wien 1969

HORSTMANN, J., Katholizismus und moderne Welt, München 1976, S.38 f.

http://www.ikvu.de (8.8.05)

http://www.wir-sind-kirche.de (8.8.05)

Internationale Theologenkommission, Mysterium des Gottesvolkes, Geleitwort von Joseph Kardinal Ratzinger, Einsiedeln 1987

JEDIN, H., Handbuch der Kirchengeschichte, Freiburg 1963-1971

JOHANNES PAUL II., Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 1991.

JOHANNES PAUL II., Centesimus annus, (1991), in der Ausgabe des Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz, Nr.46

JOHANNES PAUL II., Sollicitudo rei socialis (1987), Texte zur katholischen Soziallehre, Kevelaer8 1992, S 619-688

JOHANNES XXIII., Pacem in terris, (1963) Texte zur katholischen Soziallehre, Kevelaer8 1992 S 281-334,

KARRER, L., Aufbruch der Christen. Das Ende der klerikalen Kirche, München 1989

Karrer, L., Wir sind wirklich das Volk Gottes, Freiburg/Schweiz 1994

Katholischer Erwachsenenkatechismus, Kevelaer 1985²

KERSTIENS, E., Modelle emanzipatorischer Erziehung, Bad Heilbrunn 1975

Keupp H.,/ Röhrle, B., Soziale Netzwerke, Frankfurt a. M. 1987

KITTEL, G., Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Nachdruck 1957 Stuttgart

KLINGER, E./ZERFASS, R., Die Kirche der Laien, Würzburg 1987

Kongregation für die Glaubenslehre, Libertatis conscientiae (1986) Ausgabe des Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz, Nr.70

KÜNG, H., Die Hoffnung bewahren, Zürich² 1990.

KÜNG, H., Die Kirche, Freiburg 1963

Leuninger, E., Die Entwicklung der Gemeindeleitung, St. Ottilien 1996

LEUNINGER, E., Die missionarische Pfarrei und ihre Lei­tung. Pastoralgeschichtliche und pastoraltheologische Reflexionen (Diss ), Limburg 1980

LEUNINGER, E./ZINGEL, H., Menschenrechte und christliche Soziallehre - ein Problemaufriß, in:
STAUDT, A., Christliche Soziallehre auf dem Prüfstand, Limburg 1982

Lexikon für Theologie und Kirche (LThK) , Freiburg ³ 2001

Liebmann, M., Demokratie und Kirche . Erfahrungen aus der Geschichte Graz 1997

LOHFINK, N., Unsere großen Wörter, Freiburg 1977

Lutz, R, in: Keupp H.,/ Röhrle, B., Soziale Netzwerke, Frankfurt a.M. 1987 ???

MAIER, H., Staat und Kirche in Deutschland - historische und soziale Grundlagen, in: HANS F. ZACHER, Kirche und Politik, Düsseldorf 1982, S. 13-30

MAOONE'T, J., »Volk Gottes« im jüdischen Verständnis, in: HENRIX, H. H., Unter dem Bogen des Bundes, Aachen 1981.

MARX, S., Das Kirchenvermögens- und Stiftungsrecht im Bereich der katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland und in Westberlin ... (Dissertation), München 1974.

MOELLER, CH., Die Entstehung der Konstitution, ideengeschichtlich betrachtet, in: BARAUNA, AaO. Bd. 1 S. 78-105.

MOLINARI, P., Der endzeitliche Charakter der pilgernden Kirche und ihre Einheit mit der himmlischen Kirche, in: G. BARAUNA, De eclesia Bd. 2. Frankfurt 1966, S. 435-456.

NELL-BREUNING, O. v., Einführung, in: Texte zur katholischen Soziallehre, Kevelaer 1988, (SL)

Neuberth, R., Demokratie im Volk Gottes? Untersuchungen zur Apostelgeschichte, Stuttgart 2001

NEUNER-ROOS, Der Glaube der Kirche, Regensburg 12 1971

NOELLE-NEUMANN, E./KÖCHER, R., Die verletzte Nation. Über den Versuch der Deutschen., ihren Charakter zu ändern, Stuttgart 1987

Offizielle Gesamtausgabe der Gemeinsamen Synode der Bistü­mer in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg 1976,.

Pfarrstellengesetz der EKHN vom 12. November 1981, Abl. 1981, S. 182.

Pius XII., Weihnachtrundfunkbotschaft über Demokratie und Weltfrieden, in: Texte zur katholischen
Soziallehre. Die sozialen Rundschreiben der Päpste und andere kirchlichen Doku­mente, Kevelaer 1989, S. 177-191.

PLOETZ, Deutsche Geschichte, Würzburg,1988

POPEREN, J., Robespierre, Textes Choissis, Paris 1957

PÖTTER, W., Einleitung zum Beschluß »Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche«, in: Offizielle Gesamtausgabe der Gemeinsamen Synode der Bistü­mer in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg 1976, 5-637-658

POTTMEYER, J., Die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils, Düsseldorf 1986

PROBST, M.,/SCHUCHART, A., Kirche auf dem Weg zur Communio, Limburg 1990

RAHNER, K., Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance, Freiburg 1989

Ratzinger, J., Demokratie-Pluralismus-Christentum, Leutesdorf 1984

Ratzinger, J./Maier, H., Demokratie in der Kirche, Möglichkeiten und Grenzen, Kevelaer² 2003

ROOS, L., Demokratie als Lebensform, München 1969

Roos, L., Demokratie in der Kirche, in: BAADTE, G./RAUSCHER, A., (Hrsg.), Christen und Demokratie, Graz 1991, S. 125-148

SAIER, O.,&xnbsp; »Communio« in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils, München 1973

Satzung, Geschäftsordnung und…, des Verbandes der Diözesen Deutschlands, Bonn 1986.

SCHATZ, K., Der päpstliche Primat -. Seine Geschichte von den Ursprüngen bis zur Gegenwart, Würzburg 1990.

SCHATZ, K., Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983

SCHATZ, K., Zwischen Säkularisation und Zweitem Vatikanum, Frankfurt am Main 1986

Schlussdokument der Außerordentlichen Bischofssynode 1985 und Botschaft an die Christen in der Welt, in: Verlautbarungen d. Apostol. Stuhles 68, Bonn 1985

SCHMIDTCHEN, G., Was den Deutschen heilig ist, München 1979

SCHNACKENBURG, R., Das Johannesevangelium II. Teil, Freiburg 1980

SPEIGL, J. Laie und Amt, in: E. KLINGER/R. ZERFASS, Die Kirche der Laien, Würzburg 1987, S.37-53.

STAUDT, A., Christliche Soziallehre auf dem Prüftand, Limburg 1982 &xnbsp;&xnbsp;

Stellungnahme zu den Lineamenta, in: Herder-Korrespondenz 1986, S.375.

SUTOR,&xnbsp; B., (Hrsg.), Politik. Ein Lehr-und Arbeitsbuch, Paderborn 1979

Tebartz-van Elst, P.-J., Gemeinden werden sich verändert, Würzburg 2001

Tebartz-van Elst, P.-J., Gemeinde in mobiler Gesellschaft, Würzburg 1999

WALZER, M., Exodus und Revolution, Berlin 1988, und J. MAOONE'T, »Volk Gottes« im jüdischen Verständnis, in: HENRIX, H. H., Unter dem Bogen des Bundes, Aachen 1981. S 157-178.

Weiser, A., Kommunikation in der Urkirche. Orientierung für heute, in: WEISER, A.,/Leuninger, E.; Dialog in der Kirche, Limburg 1992 S 7-34, S 28.

WEISER, A., Studien zu Christsein und Kirche, Stuttgart 1990

WEISER, A.,/Leuninger, E.; Dialog in der Kirche, Limburg 1992

Wir sind Kirche, Das Kirchenvolksbegehren in der Diskussion, Freiburg 1995.

WITTSTADT, K., Perspektiven zum »Laien-Bild« im 19. Jahrhundert, in: KLINGER, E.,

ZACHER, HANS-F., Kirche und Politik, Düsseldorf 1982

Zulehner, P-M., Denn du kommst unserem Tun mit deiner Gnade zuvor. Zur Theologie der Seelsorge heute, Paul-M. Zulehner im Gespräch mit Karl Rahner, Stuttgart Neuauflage 2003.

Anmerkungen

Anmerkungen zum Vorwort

[1] Näheres dazu bei Liebmann, M. Demokratie und Kirche . Erfahrungen aus der Geschichte Graz 1997.

[2] Bistum Limburg, Sammlung Verordnungen und Richtlinien-Synodalordnung, in Kraft gesetzt 1977

[3] Schatz, K., Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 319.

Anmerkungen zu 1

 

[4] H. MAIER, Staat und Kirche in Deutschland - historische und soziale Grundlagen, in: HANS F. ZACHER, Kirche und Politik, Düsseldorf 1982, S. 13-30, S. 18.

[5] PLOETZ, Deutsche Geschichte, Würzburg >,1988, S.250.

[6] H. MAIER, aa0. S. 17.

[7] 0. v. NELL-BREUNING, Einführung, in: Texte zur katholischen Soziallehre, Köln (1988, S.9f.

[8] LThK 10, »Zentrum«

[9] K. SCHATZ, Zwischen Säkularisation und Zweitem Vatikanum, Frankfurt am Main 1986, S. 1349

[10] H.HEITZER, Der Volksverein für das katholische Deutschland im Kaiserreich 1890-1918 Mainz 1979.

[11] Gaudium et spes 36.

[12] E. NOELLE-NEUMANN/R. KÖCHER, Die verletzte Nation. Über den Versuch der Deutschen., ihren Charakter zu ändern, Stuttgart 1987

[13] G. SCHMIDTCHEN, Was den Deutschen heilig ist, München 1979.

 

Anmerkungen zu 2

 

[14] E. LEUNINGER/H. ZINGEL, Menschenrechte und christliche Soziallehre - ein Problemaufriß, in:
A. STAUDT, Christliche Soziallehre auf dem Prüftand, Limburg 1982 S.48f.

[15] Breve »Quod aliguantum« nach Concilium 5 (1979), S.219

[16] Enzyklika »Libertas praestantissimum« vom 2o.Juni 1888

[17] Pius XII., Weihnachtrundfunkbotschaft über Demokratie und Weltfrieden, in: Texte zur katholischen
Soziallehre. Die sozialen Rundschreiben der Päpste und andere kirchlichen Doku­mente, Köln 1989, zit: SL, S. 177-191.

[18] AaO. SL, S. 185

[19] JOHANNES XXIII., Pacem, in terris (1963), SL, S 281-334, S.295 Nr. 59f.

[20] AaO. SL, S.326 Nr. 16o.

[21] Gaudium et spes, S.409 Nr. 76.

[22] JOHANNES PAUL II., Sollicitudo rei socialis (1987), SL, S.67, Nr. 15.

[23] AaO. 5L, S. 713 Nr. 44.

[24]J. Ratzinger,&xnbsp; Demokratie-Pluralismus-Christentum, Leutesdorf 1984, SS 51f.

[25] G. Alberigo, Geschichte der Konzilien, Düsseldorf 1993 S. 24.

[26] Traditio apostolica 2

[27] LThK Stichwörter Ambrosius, Augustinus, Martin

[28] Ep 4 LThK Stichwort Bischofswahl

[29] Migne PL 54/1203

[30] H. JEDIN, AaO., III,1 S.414f

[31] LThK, S.501-503. Bensberger Kreis, AaO., S.52 f. Küng, Die Hoffnung bewahren, Zürich² 1990.

[32]E. Leuninger, Die Entwicklung der Gemeindeleitung, St. Ottilien 1996, SS 17-84.

[33] LThK ² 9, Artikel Synode, S. 1187.

[34] Umfassend informiert über dieses Thema: K. SCHATZ, Der päpstliche Primat -. Seine Geschichte von den Ursprüngen bis zur Gegenwart, Würzburg 1990. Auf dieses Buch wird im Folgenden immer wieder Bezug genommen.

[35] H. JEDIN, Handbuch der Kirchengeschichte I, S.399f.

[36] SCHATZ, S.8o.

[37] Quellen und Literatur dazu: E. LEUNINGER, Die missionarische Pfarrei und ihre Lei­tung. Pastoralgeschichtliche und pastoraltheologische Reflexionen (Diss ), Limburg 1980.

[38] Handbuch der Kirchengeschichte VI, I, S.128.

[39] NEUNER-ROOS, Der Glaube der Kirche, S.448.

[40] NEUNRR-ROOS, S.454.

[41] H.FRIES, Leiden an der Kirche, Freiburg 1989, S.73 f.

 

Anmerkungen zu 3

 

[42] JOHANNES PAUL II., Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 1919, S 9.

[43] H. HAAG (Hrsg.), Bibel-Lexikon, Zürich 331989, Stichwort »Freiheit«, S.492f.

[44] E. KERSTIENS, Modelle emanzipatorischer Erziehung, Bad Heilbrunn 1975, S. 10.

[45] N. LOHFINK, Unsere großen Wörter, Freiburg 1977, S.93. 5 LOHFINK, aa0.

[46] LOHFINK, AaO.

[47] LOHFINK, AaO., S.110.

[48] HAAG, AaO., S.493.

[49] R. SCHNACKENBURG, Das Johannesevangelium II. Teil, Freiburg 1980, S. 258 ff.

[50] KITTEL, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament Bd 2, S.484.

[51] KITTEL, aa0., S.491f.

[52] LThK 4, S.332 f.

[53] H. JEDIN, Handbuch der Kirchengeschichte II, 1, S. I6o.

[54] Nach: E.-W. BÖCKENFÖRDE, Religionsfreiheit, Freiburg 1990, S.34.

[55] BÖCKENFÖRDE, aa0., S. 43.

[56] E. BLOCH, Naturrecht und Menschenwürde, Frankfurt am Main 1977.

[57] Handbuch der Kirchengeschichte IX, S.822.

[58] Nähere Ausführungen zur Balance siehe: N. ELIAS, Die Gesellschaft der Individuen, Frankfurt3 1988, S.2o7f.

[59] Kongregation für die Glaubenslehre, Libertatis conscientiae (1986).

[60] Lumen gentium 37.

[61] Ebd.

[62] H. ROTTER/G. VIERT, Neues Lexikon der christlichen Moral, Stichwort "Freiheim", Innsbruck 1990.

[63] Bd. Konzil III, S.328.

[64] Gaudium et spes 16

[65] AaO. 17.

[66] AaO., Kommentar S.33, f.

[67] Dignitatis humane I. zit: DH.

[68] E.-W. BÖCKENFÖRDE, Religionsfreiheit, Freiburg 1990, S.62. 28 DH 2.

[69] DH 2.

[70] DH 4.

[71] DH 1.

[72] JOHANNES PAUL II , Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 1991, S.5 u. a.

 

Anmerkungen zu 4

 

[73] Internationale Theologenkommission, Mysterium des Gottesvolkes, Johannesverlag 1987.S 24.

[74] P. MOLINARI, Der endzeitliche Charakter der pilgernden Kirche und ihre Einheit mit der himmlischen Kirche, in: G. BARAUNA, De ecclesia Bd. 2. Frankfurt 1966, S. 435-456.

[75] CH. MOELLER, Die Entstehung der Konstitution, ideengeschichtlich betrachtet, in: BARAUNA, AaO. Bd. 1 S. 78-105.

[76] Lexikon für Theologie und Kirche, Das Zweite Vatikanische Konzil, Bd. 1, Anmerkung S. 189.

[77] H. HAAG, Bibellexikon, Stichwort »Gottesvolk«, Zürich 1982, S.685 f.

[78] H. STRATHMANN/R. MEYER, Das Volk Gottes, in: ThW IV, S.29-57.

[79] H. KÜNG, Die Kirche, Freiburg 1963, &xnbsp;S.131-159.

[80] LG (Lumen gentium.) 13.

[81] LG 30.

[82] LG 30.

[83] LG 31.

[84] LG 32, nach Augustinus, Serm. 340, 1 PL 38, 1483.

[85] LG 33.

[86] LG 27.

[87] AA (Apostolicam actuositatem) 3.

[88] G5 (Gaudium et spes) 53

[89] G5 3.

[90] AA 171ff.

[91] Ep. 14,4 PL 4, 240, siehe auch Kommentar in der Herderausgabe.

[92] AA 26.

[93] Stellungnahme zu den Lineamenta, in: Herder-Korrespondenz 1986, S.375.

[94] A. Weiser, Laien«-Christen in Kirche Bad Gesellschaft, in: A. WEISER, Studien zu Christsein und Kirche, Stuttgart 1990, S.353-368, S.354 f.

[95] A. WEISER, AaO., S.356.

[96] CL (Christifideles laici) 49-52.

[97] HAAG, AaO., Stichwort »Volk«, S, .85.f.

[98] A. WEISER, AaO., S.326 f.

[99] L. KARRER, Aufbruch der Christen. Das Ende der klerikalen Kirche, Stuttgart 1989.

[100] Handbuch der Kirchengeschichte 111, 2, S. 123-131.

[101] Aa0, S. 132-143.

[102] E. LEUNINGER, Die missionarische Pfarrei (Dissertation), Limburg 1980, S.41-47.

[103] J. SPEIGL, Laie und Amt, in: E. KLINGER/R. ZERFASS, Die Kirche der Laien, Würzburg 1987, S.37-53.

[104] . K. WITTSTADT, Perspektiven zum »Laien-Bild« im 19. Jahrhundert, in: E KLINGER,

a.0., S. 54-63, S. 55f.

[105] J. HORSTMANN, Katholizismus und moderne Welt, München 1976, S.38 f.

[106] 34 AaO, S.38.

[107] J.SPEIGEL, aa0., S.48.

[108] L. KARRER, AaO., S.61.

[109] LG 10.

[110] Siehe dazu: J. POTTMEYER, Von einer neuen Phase der Rezeption des Vatikanum II, in: J. POTTMEYER u. a., Die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils, Düsseldorf 1986, S. 47-65, S.58. Pottmeyer nennt diese Verfahren »Juxtaposition«.

[111] BARAUNA, AaO. Bd.2, S.603.

[112] Schlussdokument der Außerordentlichen Bischofssynode 1985 und Botschaft an die Christen in der Welt, in: Verlautbarungen d. Apostol. Stuhles 68, Bonn 1985, S. 13. 41.

[113] Internationale Theologenkommission, aa0., S.53.

[114] Katholischer Erwachsenenkatechismus, Kevelaer u. a. 1985², S 307.

[115] 0. SAIER, »Communio« in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils, München 1973, S.6 u. a.

[116] CI. 19

[117] CI 25.

[118] A. WEISER, AaO., S.345.

[119] Neuberth, R., Demokratie im Volk Gottes? Untersuchungen zur Apostelgeschichte, Stuttgart 2001, S. 203 f., 346-348, 349, 373, 392

[120] F. COURTH, Gemeinschaft im Heiligen Geist, in: M. PROBST/A. SCHUCHART, Kirche auf dem Weg zur Communio, Limburg 199O, Reihe: Glaube - Wissen - Wirken 14, S. 83-98, S.93f.

 

Anmerkungen zu 5

 

[121] BVerfGE 2,12f. im Verbotsurteil gegen die SPR 1952, zitiert nach: B.SUTOR (Hrsg.), Politik. Ein Lehr-und Arbeitsbuch, Paderborn 1979, S, 55.

[122] In: J. POPEREN, Robespierre, Textes Choissis, Paris 1957, zitiert nach: E. FRAENKEL, Deutschland und die westlichen Demokratien, Frankfurt am Main 1991, S.83.

[123] E. FRAENKEL, Deutschland und die westlichen Demokratien, aa0., S. 159.165.

[124] E. LEUNINGER/H. ZINGEL, Menschenrechte und christliche Soziallehre, ein Problemaufriß, in: A.STAUDT (Hrsg,). Soziallehre auf dem Prüfstand, Limburg 1882, S.44-63, S. 48f.

[125] Die folgenden Ausführungen orientieren sich an: C. BÖHRET/W.JANN/E.
KRONEWETT, Innenpolitik und politische Theorie, Opladen 1979, S 221-245.

[126] Siehe: E. FRAENKEL, aa0.

[127] : E. FRAENKEL, aa0. S. 65

[128] Dieser Abschnitt bezieht sich des Öfteren auf B. Sutor, AaO.

[129] L. ROOS, Demokratie als Lebensform, München 1969, S. 163.

[130] BVerfGE 33, 303 1972.

[131] JOHANNES PAUL II., Centesimus annus, 1. Mai 1991, in der Ausgabe des Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz, Nr.46.

 

Anmerkungen zu 6

 

[132] Zum Abschnitt siehe: M. WALZER, Exodus und Revolution, Berlin 1988, und J. MAOONE'T, »Volk Gottes« im jüdischen Verständnis, in: H. H. HENRIX, Unter dem Bogen des Bundes, Aachen 1981, S. 157-178.

[133] . K. HEINEN, Die Last gemeinsam tragen, in: F. Courth/A. Weiser, aa0., S, 106-117.

[134] AAS XXXVIII (1946), S.141-151.

[135] CL 49.

[136] CL: An verschiedensten Stellen kommt immer wieder das Wort »Teilhabe« vor.

[137] CL 22.

[138] SCR 44.

[139] CL 30.

[140] P. Eisenkopf, Vom Lehramt des Gottesvolkes, in A. Weiser, E. Leuninger, Dialog in der Kirche, Limburg 1992, S. 35-45, diese Abschnitte beziehen sich auf diesen Artikel.

[141] Eisenkopf AaO: S. 39

[142] Lumen gentium Nr. 35

[143] B. SUTOR, aa0., S.48.

[144] A. Weiser, Kommunikation in der Urkirche. Orientierung für heute, in A. Weiser, E. Leuninger, Dialog in der Kirche, Limburg 1992 S 7-34, S 28.

[145] A. DORDETT, Kirche zwischen Hierarchie und Demokratie, Wien 1974, S. 142. n L. Roos, Demokratie als Lebensform, München 1969, S 331.

[146] L. Roos, Demokratie als Lebensform, München 1969, S 331.

[147] L. Roos, Demokratie in der Kirche, in: G. BAADTE/A. RAUSCHER (Hrsg.), Christen und Demokratie, Graz 1991, S. 125-148.

[148] Bensberger Kreis (Hrsg.), Demokratisierung der Kirche in der Bundesrepublik Deutsch­land. Ein Memorandum deutscher Katholiken, Mainz 1970.

[149] AaO., S.78f.

[150] AaO., S.84f.

[151] http://www.wir-sind-kirche.de (8.8.05)

[152] Kanon 212 CIC vor allem § 3.

[153] Einzelheiten dazu in: Wir sind Kirche, Das Kirchenvolksbegehren in der Diskussion, Freiburg 1995.

[154] http://www.ikvu.de (8.8.05)

[155] Lumen gentium 9.

[156] Lumen gentium 18.

[157] H. HOEFNAGELS, Demokratisierung der kirchlichen Autorität, Wien 1969, S.87.

[158] L. KARRER, Aufbruch der Christen. Das Ende der klerikalen Kirche, München 1988, hier insbesondere die Seiten 109-148

[159] E. Leuninger, Gemeindeleitung, AaO. S. 38-47

[160] AaO., S 143.

[161] S. MARX, Das Kirchenvermögens- und Stiftungsrecht im Bereich der katholischen Kirche, in der Bundesrepublik Deutschland und in Westberlin ... (Dissertation), München 1974.

[162] Bistum Limburg, Synodalordnung, Gesetze über die Verwaltung des Kirchenvermögens, Wahlordnungen u. a., Limburg 1978.

[163] W. PÖTTER, Einleitung zum Beschluß »Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche«, in: Offizielle Gesamtausgabe der Gemeinsamen Synode der Bistü­mer in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg 1976, 5-637-658. Zitiert wird aus diesem Band bei Beschlüssen mit GS und der Nummer, bei den Einleitungen wird »Einleitung« zugefügt.

[164] GS Räte und Verbände I 1.

[165] J.GNILKA, Der Epheserbrief Freiburg 1982 3, S 220.

[166] GS Räte und Verbände I 2.

[167] GS Räte und Verbände III 1.16.8.

[168] GS Räte und Verbände III 3.3.6.

[169] GS Räte und Verbände III 3.3.10.2.

[170] GS Räte und Verbände IV 4.

[171] GS Statut.

[172] K. SCHATZ, Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S.331-344.

[173] GS Verwaltungsgerichtsordnung.

[174] Ratzinger, J./Maier, H., Demokratie in der Kirche, Möglichkeiten und Grenzen, Kevelaer² 2003 S. 41 f.

[175] Abl. Limburg 1.6.1973.

[176] Abl. Limburg 1.7. 1973.

[177] Siehe 2.2.1. Die alte Synodalverfassung und die Mitwirkung des Volkes bei Wahlen.

[178] LThK, S.501-5o3. Bensberger Kreis, AaO., S.52 f. Küng, Die Hofjung bewahren, Zürich² 1990.

[179] L. KARRER, AaO., S. 127.

 

Anmerkungen zu 7

 

[180] K. RAHNER, Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance, Freiburg 1989, S. 132.

[181] L. Karrer, Wir sind wirklich das Volk Gottes, Freiburg/Schweiz 1994, S. 94.

[182] P. M. Zulehner, Denn du kommst unserem Tun mit deiner Gnade zuvor. Zur Theologie der Seelsorge heute, Paul M. Zulehner im Gespräch mit Karl Rahner, Stuttgart Neuauflage 2003.

[183] Näheres dazu bei: Eckart, J, Ermöglichungspastoral. Ein neues Paradigma in der Seelsorge, Norderstedt 2004,

[184] F.- B. Tebartz-van Elst, Gemeinde in mobiler Gesellschaft, Würzburg 1999, S. 687 ff.

[185] Tebartz-van Elst, P.-J., Gemeinden werden sich verändert, Würzburg 2001 S44

[186] Lutz, R, in: H. Keupp/B. Röhrle, Soziale Netzwerke, Frankfurt a.M. 1987, S 19

[187] Apostolicam actuositatem 24

[188] Die Deutschen Bischöfe, Wort zur Stellung der Verbände in der Kirche, Bonn 1990 S. 3.

[189] Grundsatzprogramm der KAB von 1996 in Bad Honnef § 20 und 26.

[190] Gesamtsatzung der KAB Diözesanverband Limburg 2001

Anmerkungen zu Kapitel 8

 

[191] Centesimus annus, in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 101, 1. Mai 1991, N, 59.

[192] Das Wort soll hier im analogen Sinne zu Repräsentanten oder Mandatsträgern im Staat verwandt werden.

[193] Pfarrstellengesetz der EKHN vom 12. November 1981, Abl. 1981, S. 182.

[194] Siehe dazu Ratzinger, Demokratie AaO, S. 41 f.

[195] Satzung, Geschäftsordnung und…, des Verbandes der Diözesen Deutschlands, Bonn 1986.

[196] Neuberth, aaO S. 351

[197] CL 25.

[198] CL 58ff