Familie Leuninger

 

20.07.2004
20. Juli 1944: Franz Leuninger und der Widerstand gegen Hitler
Das Schicksal in die Hände des Herrgotts gelegt.
Ein entschiedener Gegner des Nationalssozialismus



Limburg-Weilburg. Franz Leuninger gehört zu den Menschen, die im Zusammenhang mit dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 hingerichtet wurden. Der in Mengerskirchen geborene und aufgewachsene Leuninger, der mit seiner Frau in Breslau wohnte während seine drei Söhne als Soldaten im Krieg waren, wurde rund zwei Monate nach dem Attentat verhaftet. Am 26. Februar 1945 verurteilte ihn der Volksgerichtshof zum Tode, das Urteil wurde am 1. März vollstreckt. Wie aus dem Haftbefehl hervorgeht, hat sich Leuninger in den Widerstandskreisen zur Mitarbeit an einer neuen Regierung durch Überwachung der wirtschaftlichen Organisation bereit erklärt.

Nach Einschätzung von Ernst Leuninger gehörte sein Onkel dem inneren Kreis des Widerstands gegen Hitler an. Für Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, ist Leuninger ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus gewesen, der von den Verschwörern für das Amt eines möglichen Oberpräsidenten der Provinz Schlesien gewonnen wurde. Leuninger gehörte damit zu den Beteiligten am Umsturzversuch, die an der Neuordnung nach der NS-Diktatur aktiv mitmachen wollten.

Der am 28. Dezember 1898 geborene Franz Leuninger war, so sein Sohn Walter, Gewerkschafter durch und durch. Und er war Katholik. Frömmigkeit gehörte für ihn unverzichtbar zum Leben. Kindheit und Jugend waren hart. Der junge Franz galt zwar als begabt, aber die Eltern – der Vater war Nagelschmied – hatten kein Geld für den Besuch einer höheren Schule. Leuninger arbeitete nach der Schule im Feldwegebau und wechselte, noch keine 14 Jahre alt, auf den Bau. In Remscheid war er Hilfsarbeiter für 20 Pfennig die Stunde. Schon früh trat er, entsprechend der Tradition der Heimat und der Familie, den Christlichen Gewerkschaften bei.

Nach dem Ersten Weltkrieg, den er als Soldat mitmachte, wurde Leuninger Vertrauensmann des Christlichen Bauarbeiterverbandes, 1922 hauptamtlicher Lokalsekretär in Aachen, anschließend in Euskirchen. 1927 kam er als Bezirkssekretär nach Breslau, wo er für den gesamten schlesischen Bereich wirkte. Leuninger galt als tüchtig, einsatzbereit und redegewandt. Zugleich war er humorvoll und hilfsbereit.

Nach der Machtübernahme Hitlers war es zu Ende mit der Demokratie und den Gewerkschaften. Leuninger wechselte deshalb zu einer Tochtergesellschaft der «Schlesischen Heimstätte», einem vorwiegend aus dem christlich-sozialen Bereich getragenen Unternehmen. Er übernahm dort nun hauptamtlich die Funktion des Geschäftsführers, die er zuvor ehrenamtlich innehatte. Leuninger soll in seiner Funktion zahlreichen Menschen Arbeit angeboten und verschafft haben, die dem Nazi-Regime kritisch gegenüber standen.

Fritz Voigt, ehemaliger sozialdemokratischer Polizeipräsident von Breslau, wurde zum Beispiel mit Grundstücksgeschäften beauftragt. Zu dem Kreis in Breslau gehörte auch der Gewerkschafter Oswald Wiersich. Leuninger soll häufiger Gespräche mit Jakob Kaiser (ehemaliger Reichstagsabgeordneter des Zentrums, Gewerkschafter und von 1949 bis 1957 Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen) geführt haben und ist auch mit den Widerstandsgruppen um Carl Goerdeler und Ludwig Beck zusammen getroffen. Nach Einschätzung von Tuchel war es Leuninger durch seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Siedlungsgesellschaft möglich, Verbindungen zu Verfolgten und Gegnern des NS-Regimes aufrecht zu erhalten.

Franz Leuningers ablehnende Haltung gegen das Regime ist offensichtlich durch seine Teilnahme am Polenfeldzug noch verstärkt worden. In einem Brief an seine Brüder schreibt er, nachdem er Not und Elend der Menschen erlebt hatte, die in das Kriegsgeschehen einbezogen waren: «Es gibt nichts, was einen Krieg rechtfertigt, und es ist jedes Mittel erlaubt, das einen Krieg verhindert.» Wenige Tage vor dem 20. Juli, so schreibt es sein Bruder Alois, habe Franz Leuninger im engsten Familienkreis noch über die Konzentrationslager und die Gewaltherrschaft gesprochen: «Die Verbrechen sind so furchtbar, dass sie nur mit dem Blut der Besten gesühnt werden können.»

Die Nachricht über das missglückte Attentat erfuhr Leuninger aus dem Radio. Bereits zwei Tage später erhielt er die Nachricht, dass sein Mitstreiter Fritz Voigt von der Gestapo verhaftet worden war. Er selbst wurde deutlich später, am 26. September, festgenommen. Erst im Januar 1945 kam Leuninger in das Gefängnis nach Berlin-Moabit. Das Urteil verzögerte sich, da das Gebäude des Volksgerichtshofes zerstört wurde und der Präsident des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, unter den Trümmern starb. Doch der damit verbundene Aufschub reichte für Franz Leuninger nicht. Am 26. Februar 1945 wurde er zum Tode verurteilt, am 1. März wurde das Urteil vollstreckt. In einem seiner letzten Briefe aus dem Gefängnis schreibt Leuninger: «Ich habe mein Schicksal in die Hände des Herrgotts gelegt. Wie er es macht, so wird es schon richtig sein.»