Herbert Leuninger ARCHIV ASYL

Presserklärungen 1991

1988 - 1989 - 1990 - 1991 - 1992 - 1993 - 1994 - 1995

20.12.1991
Asylpolitik
EISZEIT FÜR FLÜCHTLINGE
Abschiebung in Krisengebiete

13.12.1991
Gemeinsame Pressekonferenz des DGB Landesbezirks Hessen und PRO ASYL
Asylpolitik in der Steinzeit

11.12.1991
Betr.: Heutige Entscheidung des Bundeskabinetts zum Schengener Übereinkommen
Sitzen im Bundesinnenministerium Verfassungsfeinde?
Änderung des Grundgesetzes auf kaltem Wege

23.11.1991
Kroatische Flüchtlinge in Asylverfahren gedrängt
Ausländerbeauftragte nicht für Flüchtlinge zuständig

10.10.1991
Kohlrunde
Parteitaktischer Waffenstillstand auf Kosten der Flüchtlinge

3.10.1991
4. Oktober Tag des Flüchtlings
ENDE DER ASYLDEBATTE
KANN RECHTSEXTREMISMUS BREMSEN

28.September 1991
Pro Asyl: „Wer Sammelunterkünfte fordert, ist ein potentieller Brandstifter"
Verteidigung des Grundgesetzes – verdammte Pflicht der Demokraten
Skepsis gegenüber Verfahrensbeschleunigung und Länderlisten

20.9.1991
Asyldiskussion mit Schuld am Tod des Ghanesen in Saarlouis

9.9.1991
ASYLPOLITIK:
MILITARISIERUNG BEFÜRCHTET

23.8.1991
ASYLDISKUSSION DIE TOTALE KONFUSION
Was wäre aus den Sowjet-Flüchtlingen geworden?

13 .8. 1991
Statistik 1989/90
Nur jeder 7. Zuzug ein Asylbewerber
Flüchtlinge nicht schuld am Wohnungsmangel

12.8.1991
ASYLBEWERBER MARSCHIEREN NACH WIESBADEN
FLÜCHTLINGSTRECK MITTEN IN DEUTSC4AND

1.8.1991
AUFGEHEIZTE ASYLDISKUSSION
FLUCHT AUS DEUTSCHLAND NACH DEUTSCHLAND
Sozialer Friede in Gefahr

2.8.1991
SPD-Vorschläge zum Asylverfahren
Selektion im Schweinsgalopp
Gefahrenstufe 1 für Flüchtlinge

28.7.1991
40 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention
Jubiläum mit Trauerflor
Flüchtlingsbegriff zu eng geworden

17.7.1991
Ausweisung von Asylbewerbern
FRISTENLÖSUNG SOLL ABSCHIEBESCHUTZ ERSETZEN
Bund und Länder wollen neues Schutzdatum festlegen

10.7.1991
Asylbewerber dürfen arbeiten
ARBEITSVERBOT AUFGEHOBEN
Abschreckungsmaßnahme haltlos

11.6.1991
Zur Forderung des nordrhein-westfälischen Sozialminister Heinemann:
Gesetzliche Grundlage für allgemeine erkennungsdienstliche Behandlung von Asylbewerbern schaffen
PRO ASYL: VERSUCH DER KRIMINALISIERUNG VON FLÜCHTLINGEN

4.6.1991
FLÜCHTLINGSAPPELL DES KREISES AACHEN:
GEGEN GEIST DES BUNDESSOZIALHILFEGESETZES
Verheerend wie Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern

2. 5.1991
ARMUTSFLÜCHTLINGE PER GESETZ?
Vorstoß gegen Bundessozialhilfegesetz

8.4.1991
EG-Gipfel in Luxemburg
500.000 KURDEN in die EG AUFNEHMEN

4.4.1991
VÖLKERMORD AN DEN KURDEN VERHINDERN

27.2.1991
ZUWANDERUNG UND ZUFLUCHT NACH WESTEUROPA

23.1,1991
BONN DECKT ABSCHIEBUNG IM ERZGEBIRGE
PRO ASYL verlangt Prüfung durch Bundestag

2.1.1991
Telefax an Schäuble
FLÜCHTLINGSDRAMA IM ERZGEBIRGE
Asylersuchen durch BGS vereitelt


20.12.1991

Asylpolitik
EISZEIT FÜR FLÜCHTLINGE
Abschiebung in Krisengebiete

"Das politische Klima für Flüchtlinge in der Bundesrepublik wird immer eisiger". Dies beweisen nach PRO ASYL die neuen Vorschläge- von Bundesinnenminister Seiters, Flüchtlinge aus Sri Lanka und Afghanistan mit Beginn des neuen Jahres verstärkt abzuschieben. "Das ist der Sieg von Hoyerswerda und Hünxe!", so Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL.

PRO ASYL fordert im Sinne von Verfassung und Gesetz einen generellen Abschiebestopp für Flüchtlinge, die aus Kriegs- und Krisengebieten kommen. "Wo Leib und Leben von Flüchtlingen gefährdet sind und die Einhaltung der Menschenrechte nicht gewährleistet ist, dorthin darf es keine Abschiebung geben!", erklärte Leuninger.

PRO ASYL ruft alle Menschen, die in den vergangenen Monaten, Asylbewerber gegen Steine und Brandsätze zu schützen versucht haben, auf, Flüchtlinge auch gegen die Bedrohung aus Bonn zu verteidigen.


13.12.1991

Gemeinsame Pressekonferenz des DGB Landesbezirks Hessen und PRO ASYL
Asylpolitik in der Steinzeit

Im Jahre 1991 nach Christi Geburt und 200 Jahre nach Mozarts Tod ist die Bundesrepublik in eine Art Steinzeit zurückgefallen, oder genauer gesagt in eine zweite Jungsteinzeit (wissenschaftlich: NeoNeolithikum). Jugendliche Horden greifen mit Steinen und Brandsätzen die Behausungen fremder Menschen an, die sie als Eindringlinge in ihr Revier betrachten.

Sie konnten sich hierzu nur durch eine Asylpolitik legitimiert sehen, die ausschließlich auf Abwehr und Abschiebung eingestellt war und deren Maßnahmen sich nach Hoyerswerda und Hünxen auf Großlager und Schnellverfahren für Flüchtlinge konzentrierten. Diese unterschwellige, von den Politikern zwar nicht gewollte, aber in kauf genommene Verbindung erklärt dann vielleicht auch den völlig unzulänglichen Einsatz der Ordnungskräfte zum Schutz der Wohnheime von Asylbewerbern in Ost und West.

Angesichts des großen Schocks und des politischen Versagens ist es in dieser Republik zu einem Aufbruch der Solidarität mit Flüchtlingen und Fremden gekommen. An die Spitze dieser von unzähligen Menschen, Gruppen, Initiativen gebildeten Bürgerbewegung hat sich der DGB mit seinem Aufruf zum unmittelbaren und direkten Schutz der Asylbewerber und aller Fremden gestellt, die Opfer von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu werden drohten. Der Gewerkschaftsbund und einzelne Gewerkschaften haben damit eine große gesellschaftliche Verantwortung übernommen, deren Ziel es sein muß, den persönliche Unversehrtheit und menschenwürdige Behandlung Gerade von Asylbewerbern zu sichern.

Dies muß geschehen trotz und gerade wegen des Rechtsrucks, der sich bei Wahlen von Bremen über Bern bis Brescia, von Wien bis zum Vlaamse Blok abzeichnet. Eine solche Entwicklung hat der CLUB OF ROME in seiner kürzlich veröffentlichten Studie "Die globale Revolution" vorausgesehen und zwar gerade im Zusammenhang mit verstärkten Flucht- und Wanderungsentwicklungen, die angesichts des wachsenden Bevölkerungsdrucks, fehlender Chancengleichheit sowie Tyrannei und Unterdrückung in Richtung Norden und Westen ausgelöst würden.

Der Zusammenschluß von 100 Wissenschaftlern aus 53 Ländern befürchtet ein deutliches Anwachsen des defensiven Rassismus in den Zielländern, ja sogar die Gefahr, Wahlen könnten rechtsgerichteten Diktatoren zur Macht verhelfen.

Zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Bürgerrechtsbewegung im kommenden Jahr werden gehören, sich nicht nur einer Veränderung unserer Verfassung zu widersetzen und einen effektiven Schutz von Wohnheimen von Asylbewerbern zu verlangen, sondern sich selbst und die Öffentlichkeit auf das weitere Kommen von Flüchtlingen einzustellen. Weder sogenannte Sammellager noch rechtsstaatlich bedenkliche Schnellverfahren, ja nicht einmal ein Eingriff in die Verfassung werden daran etwas ändern, weil sie nicht an den Ursachen ansetzen. Wohl wird es notwendig sein, in größerem Umfang menschengerechte Aufnahmekapazitäten zu schaffen und ab 1992 die Entwicklungshilfe von derzeit 0,4% des Bruttosozialproduktes zu vervielfachen, um sie als Beitrag zur Beseitigung von Fluchtursachen einzusetzen. Das wird kurzfristig keine Auswirkung auf die Asylbewerberstatistik haben. Wenn Erfolge auch frühestens in 10 - 20 Jahren zu erwarten wären, bliebe dies die einzig realistische und humane Form 'Fluchtbewegungen mit ihrem unendlichen Leid, aus dem sie hervorgehen und zu dem sie führen, zu begegnen.


11.12.1991

Betr.: Heutige Entscheidung des Bundeskabinetts zum Schengener Übereinkommen
Sitzen im Bundesinnenministerium Verfassungsfeinde?
Änderung des Grundgesetzes auf kaltem Wege

Das Asylrecht des Grundgesetzes ist einmal „eines der besten Erbteile unserer Geschichte" genannt worden. Augenscheinlich sieht die Bundesregierung nunmehr die Möglichkeit, sich dieser „Erblast" zu entledigen.

Versteckt im Ratifizierungsgesetz zum „Schengener Übereinkommen" schlägt der Bundesinnenminister vor, die Bundesrepublik soll alle Flüchtlinge zurückschicken können, die auch nur einen Fuß auf das Territorium eines anderen Schengener Vertragsstaates gesetzt haben (z.B. Zwischenlandung in Brüssel).

PRO ASYL stellt fest:

Dieser Plan ist verfassungswidrig. Das Grundgesetz schränkt das Recht auf Zugang zum Territorium der Bundesrepublik für Flüchtlinge nicht ein;

Gerade dies aber will der Bundesinnenminister mit seinem als „vertraulich" eingestuften Gesetzesvorschlag.

In der Präambel der französischen Verfassung wird das Recht auf Asyl für solche Personen garantiert, die verfolgt würden, weil sie sich für die Freiheit eingesetzt haben. Dies hat den französischen Verfassungsrat veranlasst, anlässlich der Empfehlung zur Ratifizierung des Schengener Übereinkommens am 25. Juli 1991 ausdrücklich auf folgendes hinzuweisen: Selbst wenn wegen „Schengen" die Zuständigkeit zur Behandlung eines Asylgesuchs bei einem anderen Staat liege, soll die Französische Republik ein solches Asylrecht gleichwohl (erneut) überprüfen.

Dies ist auch nur folgerichtig. Solange es keine einheitlichen Kriterien für die Flüchtlingsanerkennung und keinen einheitlichen Rechtsschutz in Europa gibt, kann und darf es einem Flüchtling nicht verwehrt werden, die Chance der Anerkennung in einem anderen Staat zu suchen.

In der Bundesrepublik wird offiziell immer wieder behauptet, Art. 16 des Grundgesetzes sei einzigartig in der Welt, weil es Flüchtlingen Zugang zum Territorium und zum Asylverfahren gewähre.

Wenn Herr Seiters für seinen neuerlichen Vorschlag parlamentarische Mehrheiten fände, wird die Bundesrepublik bald das großzügigste Asylrecht der Welt ohne Flüchtlinge haben.

PRO ASYL fordert vom liberalen Koalitionspartner FDP, dass dieser ein weiteres Mal der CDU in die Arme fällt.

PRO ASYL fordert die SPD auf, einem solchen Gesetzesentwurf die Zustimmung zu verweigern, sollte die Regierung ihn im Bundestag vorlegen. Es gilt die Stimme zu erheben gegen geplanten Verfassungsbruch.

Flüchtlinge sind schutzbedürftig, auch in der Euphorie von Maastricht und Weihnachten.

Rainer M. Hofmann
stellv. Sprecher


30.11.1991

VERLEIHUNG DER WILHLEM-LEUSCHNER MEDAILLE
an Herbert Leuninger am 30. November 1991 im Schloß Biebrich, Wiesbaden

D a n k r e d e

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Eichel!
Sehr verehrte, liebe Frau Funcke !
Sehr geehrter Herr Schwinghammer!
Meine Damen und Herren!

Ich danke Ihnen, Herr Ministerpräsident und der Hessischen Landesregierung für die Verleihung der Wilhelm-Leuschner Medaille. (auch im Namen von Herrn Schwinghammer). Es ist, wie Sie es auch in Ihrer Rede zum Ausdruck gebracht haben, ein bedeutsames Signal pro Asyl. Mit dem politischen Kapital, das Sie hiermit um mich herum aufgehäuft haben, werde ich als Sprecher von PRO ASYL im Sinne des Grundgesetzes und der Hessischen Verfassung nach Kräften wuchern. Ich gehe davon aus, daß die Landesregierung gewußt hat, was sie damit tat und was das ggfs. für sie bedeuten könnte!

Ich nehme diese hohe Ehrung an, weil ich damit alle Flüchtlinge und alle Menschen, die in den letzten Monaten der Pogromstimmung in Deutschland geworden sind, in unveräußerlichen Würde geehrt sehe.

Ich nehme sie an für die kurdische Familie, deren kleine Küche im Wohnheim von einer mit schwarzer Farbe gefüllten Flasche, die in der Nacht zum Buß- und Bettag durch das Fenster geschleudert wurde, verwüstet wurde. Innerlich vor Wut und Trauer bebend stehe ich an diesem Feiertag unter den bedrohten Menschen.

Ich nehme die Ehrung an für die mit mir befreundete afghanische Familie im Appartement nebenan, die 1987 im Asylverfahren abgelehnt, von da an als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft erst 1991 nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurde. Der Mann, der diesen zermürbenden Zustand nicht verkraftet hat, ist erst seit ein paar Tagen nach einer gerade überstandenen Herzoperation wieder in seiner Wohnung.

Geehrt sehe ich die iranische Mutter mit ihren zwei Kindern, die links von der kurdischen Familie seit Wochen in Angst und Schrecken lebt, genauso wie auf der gleichen ungeschützten Wohnebene die Familie aus Eritrea, wo der Vater von mir unterstützt, seit drei Jahren für seine Familie mit drei kleinen Kindern um eine eigene Wohnung kämpft Mitgeehrt sind aber auch alle anderen Flüchtlinge in dem Wohnheim, die ich in herzlicher Freundschaft liebe.

Ich möchte aber auch die Flüchtlinge geehrt wissen, die sich mit einem Hungerstreik in der Hessischen Gemeinschaftsunterkunft Schwalbach gegen eine Verlegung nach Sachsen-Anhalt wehren. Todbleiche Gesichter haben mich am Donnerstag Abend nach elf Tagen ohne Nahrung angeblickt. Der Schrecken ist mir in die Glieder gefahren, die Kantine, in der wir in der Anwesenheit von Ministerpräsident Eichel und Frau Staatssekretärin Sellach vor zwei Wochen einen ökumenischen Gottesdienst gefeiert haben, könnte für sie zur Sterbebaracke werden. Die Rettung dieser Flüchtlinge verlangt, wenn es trotz Intervention der Kirchen in Magdeburg nicht zu einem Einlenken von Sachsen-Anhalt kommen sollte, notfalls ein Staatshandeln jenseits von Gesetzen, die seit mehr als zehn Jahren nur der Abwehr und Abschreckung von Flüchtlingen dienen.

Die Bundesregierung hat vor einigen Tagen noch einmal eine abschreckende Akt für diese Abschreckungspolitik gesetzt, als sie die Asylbewerber ausdrücklich aus dem politischen Auftrag für die Nachfolgerin von Frau Funcke herausgenommen hat. Welches Menschen- und Politikverständnis steht dahinter, wenn in einer Situation, in der große gesellschaftliche Anstrengungen gemacht werden, Flüchtlinge vor Terror-Schwadronen zu schützen, 300.000 bedrohte Menschen aus dem Schutzauftrag der Ausländerbeauftragten ausgesondert werden?

Zum Abschreckungskonzept gehört auch der neueste Asylkompromiß von Bonn. Auf ihrem Sonderparteitag haben sich die Hessischen Sozialdemokraten in wichtigen Punkten von dem Bonner Asylkompromiß mit seinen Sammellagern (englisch: concentration camps), Schnellverfahren und Blitz-Deportation abgesetzt. Danach soll es keine Sammellager sondern "sozialverträgliche Gemeinschaftsunterkünfte" geben, die allgemeine erkennungsdienstliche Behandlung von Asylbewerbern wird abgelehnt, auch soll nach einer Entscheidung durch einen Einzelrichter eine Zulassungsrevision möglich bleiben.

Niedersachsen hat mit einer Groß-Annonce in der heutigen Tagespresse für eine humane Asylpolitik votiert und den unseligen Asylkompromiß in wichtigen Punkten verworfen. So soll es in Niedersachsen keine Sammellager mit vorgezogener Abschiebehaft geben. Das Land will bis zu 30 weitere Flüchtlingswohnheime mit kleinerer Kapazität schaffen. Flüchtlinge bräuchten keine Schnellgerichte, sondern gerechte und zügige Entscheidungen. Daher will Niedersachsen 32 neue Verwaltungsrichterinnen und -richter einstellen.

Die SPD und die Grünen in den Ländern sind gut beraten, wenn sie sich möglichst deutlich von dem Kompromiß absetzen. Der zwischen CDU/CSU/FDP und der SPD erzielte Kompromiß ist ohnehin rechtsstaatlich und faktisch mit seiner sechs-Wochen-Frist nicht durchsetzbar.

Der Versuch, angesichts der weitergehenden und sich sicher noch verstärkenden Zuflucht nach Deutschland und eines deutlichen Rechtsrucks in Westeuropa als Partei auf dem Boden des Grundgesetzes zu bleiben, wird immer schwieriger. Parteien, die sich dieser Schwierigkeiten noch bewußt sind, bekommen eine deutliche Unterstützung durch eine verstärkte Bürger-, Friedens- und Menschenrechtsbewegung. Für sie war der 9. November 1991 ein bedeutsamer Tag, an dem vielleicht erstmals die Erinnerung an die Reichspogromnacht zur Bewältigung einer aktuellen historischen Krise beigetragen hat. Die Agenturen sind aufgrund der Meldungen, aus den großen Städten auf 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Demonstrationen gekommen. Meiner Einschätzung nach muß man, auf alle Städte und Gemeinden bezogen, von wenigstens 500.000 Menschen ausgehen, die sich deutlich auf die Seite der Flüchtlinge gestellt haben. Vielleicht waren es aber auch 800.000. Das wären 1% der Bevölkerung des großen Deutschland. Vielleicht ist das noch nicht genug, wenn die neue Bewegung nicht die Unterstützung von Großorganisationen wie den Kirchen und Gewerkschaften erhält.

Die Gewerkschaften haben deutlicher noch als die Kirchen ihre neue Solidaritätsaufgabe angenommen. Es war für PRO ASYL vielleicht der größte politische Erfolg, daß der Aufruf des DGB zum Schutz der Flüchtlinge in Abstimmung mit uns erfolg1e. Wir sehen darin, daß ein führender Funktionär des DGB-Bundesvorstandes jetzt persönliches Mitglied von PRO ASYL geworden ist, eine bedeutsame Form der Kooperation, wie wir sie bereits seit Jahren mit der IG Metall haben. Die wichtigsten Termine, zu denen PRO ASYL in den letzten Wochen eingeladen wurde, waren Funktionärs- und Vertreterkonferenzen der Gewerkschaften auf Bundes- und Länderebene. Der DGB hat ausdrücklich zur Zusammenarbeit mit der Solidaritätsbewegung für Flüchtlinge aufgerufen. Im neuesten Positionspapieren zum Asylrecht und zur Einwanderungspolitik begreif1 sich die IG Metall auch als Bürger-, Freiheits- und Menschenrechtsbewegung.

Daß die Ehrung am Verfassungstag des Landes Hessen dem Gedächtnis und Vermächtnis eines Gewerkschafters verpflichtet ist, bewegt mich aus den Erfahrungen der letzten Monate, aber auch aus meinem familiären gewerkschaftlichen Hintergrund heraus zutiefst.

Ich danke Ihnen, Herr Ministerpräsident Eichel für die Überreichung der Wilhelm-Leuschner Medaille und Ihnen, meine Damen und Herren für die Ehre Ihrer Anwesenheit!


23.11.1991

Kroatische Flüchtlinge in Asylverfahren gedrängt
Ausländerbeauftragte nicht für Flüchtlinge zuständig

SAARBRÜECKEN (ap). Flüchtlinge aus dem kriegsgeschüttelten Kroatien haben nach Darstellung der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl keine Chance, in der Bundesrepublik als Asylberechtigte anerkannt zu werden. Dennoch würden die kroatischen Flüchtlinge, „von den Behörden ins Asylverfahren gedrängt, weil dann nicht die Kommunen, sondern das Land für Sozialhilfe und Unterbringung aufkommen muß'', kritisierte der Sprecher der Organisation, Pfarrer Herbert Leuninger, am Samstag im Saarländischen Rundfunk.

Für die Betroffenen bedeute diese Praxis ein durchschnittlich zehn Monate dauerndes Asylverfahren mit allen rechtlichen Nachteilen wie Einschränkung der Freizügigkeit und Gemeinschaftsverpflegung. „Dies ist ein behördlicher Mißbrauch des Asylrechts'', sagte Leuninger. Die Öffentlichkeit müsse endlich darüber aufgeklärt werden, wie die Behörden das Asylrecht gegen die Intention des Grundgesetzes missbrauchen.

Bestürzt zeigte sich Leuninger über den geringen Kompetenzzuwachs der Ausländerbeauftragten Cornelia Schmalz-Jacobsen. Vom Auftrag der Ausländerbeauftragten seien ausdrücklich die Asylbewerber ausgenommen, also ausgerechnet diejenigen, die am meisten unter Ausländerfeindlichkeit zu leiden hätten. Der Pfarrer wertete dies als einen „Akt politischer Perversion der Bundesregierung."


10.10.1991

Kohlrunde
Parteitaktischer Waffenstillstand auf Kosten der Flüchtlinge

„Das ist nicht mehr wert als ein jugoslawischer Waffenstillstand", so beurteilt Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL den zwischen den Parteien ausgehandelten Asylkompromiß.

Überdies sei die Absprache über die Einrichtung großer Sammellager für Flüchtlinge und eine rechtsstaatlich bedenkliche Verkürzung des Verfahrens angesichts der pogromartigen Ausschreitungen gegenüber Flüchtlingen ein historisches Versagen. „Jetzt Sammellager zu fordern ist Beihilfe zur Brandstiftung", sagte Herbert Leuninger.


3.10.1991

4. Oktober Tag des Flüchtlings
ENDE DER ASYLDEBATTE KANN RECHTSEXTREMISMUS BREMSEN

Ein sofortiges Ende der Asyldebatte und Stimmungsmache gegen Asylsuchende, fordern die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL und die Hilfsorganisation terre des hommes zum Tag des Flüchtlings 1991. "Dies ist die derzeit wichtigste Möglichkeit, rechtsextremen Übergriffen auf Flüchtlinge die gesuchte Rechtfertigung zu entziehen", erklärte Leuninger für beide Organisationen.

Es sei ein Widerspruch die Menschenwürde und Unverletztheit von Asylbewerbern zu verteidigen und gleichzeitig immer härtere Abwehr- und Abschreckungsmaßnahmen gegen Flüchtlinge vorzusehen.

Dazu zähle auch der mit dem 1. Oktober ausgelaufene und vom Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nicht verlängerte Abschiebestopp für Kurden aus der Türkei.

„Selbst das bedeutsame Signal, das Bundespräsident Richard v. Weizsäcker mit dem Besuch eines Flüchtlingswohnheims setzt, droht die Leuchtkraft eine Hindenburglichtes zu erhalten, wenn das gegen Flüchtlinge gerichtete Hickhack der Politiker nicht aufhört und verstärkt Abschiebungen in die Türkei drohen", befürchtet Leuninger. Hunderte kurdische Familien würden hierdurch nicht minder in Angst und Schrecken versetzt als durch Leuchtraketen und Molotowcocktails.

„Die Bundesrepublik wird in Zukunft mit noch mehr Flüchtlingen rechnen müssen", so PRO ASYL. Daran änderten auch weitere Rechtsverschlechterungen nichts, (Rest unleserlich)


28.9. 1991

Pro Asyl: „Wer Sammelunterkünfte fordert, ist ein potentieller Brandstifter"
Verteidigung des Grundgesetzes – verdammte Pflicht der Demokraten
Skepsis gegenüber Verfahrensbeschleunigung und Länderlisten

(Saarländischer Rundfunk - Pressemeldung an alle Agenturen )

Saarbrücken. Mit scharfer Kritik hat die Flüchtlingsorganisation PRO ASYL den Vorschlag der SPD zurückgewiesen, Asylbewerber in den ersten 6 Wochen in Sammelunterkünften unterzubringen. PRO ASYL Sprecher Herbert Leuninger sagte am Samstag im Saarländischen Rundfunk: „Wer nach Hoyerswerda noch Sammelunterkünfte fordert, ist ein potentieller Brandstifter." Gerade Sammelunterkünfte seien die Angriffsziele, die Rechtsextreme sich wünschten.

Das Ergebnis des Asyl-Spitzengesprächs, keine Grundgesetzänderung vorzunehmen, bezeichnete Leuninger als verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit". Es sei „die verdammte Pflicht von Demokraten, das Grundgesetz zu verteidigen, vor allem dann, wenn es von den amtlichen Verfassungsschützern wie Schäuble und Stoiber immer wieder angegriffen wird."

Skeptisch äußerte sich Leuninger zu den Bemühungen, die Asylverfahren zu beschleunigen. Bemühungen dieser Art in den vergangenen 10 Jahren hätten nur die Gefahr gebracht, dass echte Flüchtlinge vorzeitig abgewiesen worden seien.

Die Aufstellung von Listen verfolgungsfreier Länder nannte der PRO ASYL - Sprecher „höchst problematisch". Jedes Land, das nicht auf dieser Liste erscheine, werde auf diplomatischem Wege alles versuchen, um unter den verfolgungsfreien Ländern aufgeführt zu werden. Als Beispiel nannte Leuninger die Türkei.

Leuninger forderte alle Beteiligten auf, die "hochgepeitschte Asyldebatte" zu beenden. Sie trage „ein gerüttelt Maß Schuld" an den rechtsextremen Ausschreitungen in Ost- und Westdeutschland. Er erneuerte in diesem Zusammenhang seine Forderung nach einem Aufklärungs- und Bildungsprogramm. Hier sei die Politik „hinter dem Mond". Sie muß die Bevölkerung über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten eines Zusammenlebens mit Menschen aus verschiedenen Religionen und Kulturen aufklären.


20.9.1991

Asyldiskussion mit Schuld am Tod des Ghanesen in Saarlouis

/Telefonische Stellungnahme für den Saarländischen Rundfunk)

Es gibt sicher ein Ost-West-Gefälle der offenen Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. Aber auch im Westteil der Bundesrepublik häufen sich nach Informationen von PRO ASYL die aggressiven Handlungen gegenüber Flüchtlingen.

Wir trauern bestürzt um den zu Tode gekommenen Flüchtling aus Ghana und geben der unseligen Asyldiskussion der letzten Monate eine Mitschuld an seiner Ermordung. Sie ist ausschließlich von einem Abwehrdenken geprägt und scheut auch vor einer regelrechten Militarisierung der Maßnahmen nicht zurück. Rechtsextrem eingestellte Menschen müssen dies geradezu als politische Rechtfertigung für ihre Untaten gegenüber Asylbewerbern betrachten.

Wir fordern, ähnlich wie dies in vorbildlicher Weise für die Aussiedler geschehen ist, eine Aufklärungskampagne der Bundesregierung in der Öffentlichkeit mit großen Annoncen, die vor allem auch einen Gegensatz bilden zu dem, was derzeit die Bild-Zeitung auf regionaler Ebene in ihrer Serie, die über „Asylanten" informieren will, anrichtet.


9.9.1991

ASYLPOLITIK:
MILITARISIERUNG BEFÜRCHTET

"Nach Bari und der rigorosen Abschiebung der Albaner in Italien ist auch in der Bundesrepublik eine Militarisierung der Asylpolitik festzustellen". Dies sagte Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL auf einer Tagung der evangelischen Akademie Bad Boll.

Leuninger verwies auf die massive Verstärkung der Bundesgrenzschutzes an der Grenze zu Polen und der CSFR, dessen Aufgabe unter Einsatz von Spähhubschraubern in der Abwehr von Flüchtlingen bestehe. Die jüngste Forderung von liberaler Seite eine Sondertruppe nach Vorbild der GSG 9 zur Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu bilden, gehöre ebenso zu dieser Militarisierung wie die hochgeschwappte Asyldiskussion. Sie habe längst den Charakter einer psychologischen Kriegsführung bekommen , sagte Herbert Leuninger vor den ca. 90 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung aus Baden-Württemberg.

Wichtiges Ziel dieser breiten Kampagne sei es u.a., von dem Wohnraummangel als der sozialen Not Nr. 1 in der Bundesrepublik abzulenken, bzw. die Flüchtlinge als Sündenböcke hierfür verantwortlich zu machen. Wenn aber derzeit 2,5 Mio normale Wohnungen fehlten, andererseits in den letzten beiden Jahren nur jeder 7. Zuzug in die alte Bundesrepublik ein Asylbewerber war, sei dies eine Täuschung der Öffentlichkeit, sagte der PRO ASYL -Sprecher.


23.8.1991

ASYLDISKUSSION
DIE TOTALE KONFUSION
Was wäre aus den Sowjet-Flüchtlingen geworden?

"Der Putschversuch in der Sowjetunion hat schlagartig deutlich gemacht, dass die Asyldiskussion mit täglich neuen Abwehr-Vorschlägen an der Realität vorbeigeht", sagte Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL.

"Wäre der Putsch gelungen, hätte die Bundesrepublik und der Westen wie seinerzeit in Ungarn und in der Tschechoslowakei mit zehntausenden Flüchtlingen rechnen müssen." Niemand hätte angesichts der großen Betroffenheit und der umfassenden Berichterstattung gewagt, diese Menschen als BürgerkriegsfIüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen, wie es für viele andere vergleichbare Länder gefordert wird, erklärte Leuninger.

Die Mehrheit der Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik gelangten, kämen aus Unterdrückung, Diktatur und Krieg. Sie hätten einen rechtlichen und menschlichen Anspruch darauf von uns geschützt zu werden, so der PRO ASYL-Sprecher.


13 .8. 1991

Statistik 1989/90
Nur jeder 7. Zuzug ein Asylbewerber
Flüchtlinge nicht schuld am Wohnungsmangel

"Nur jeder 7. Zuzug in die alten Bundesländer war in den letzten beiden Jahren ein Asylbewerber", darauf machte Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL aufmerksam. Während nach amtlichen

Unterlagen 1989 und 1990 insgesamt fast 1,5 Mio. Aussiedler aus Osteuropa, Übersiedler aus der ehemaligen DDR und später Menschen aus den neuen Bundesländern nach Westdeutschland gekommen seien, habe sich die Zahl der Flüchtlinge nur um 250.000 erhöht. In diesem Zeitraum seien zwar über 300.000 neue Asylbewerber registriert worden, gleichzeitig aber hätten wenigstens 50.000 abgelehnte Asylbewerber freiwillig oder gezwungen die Bundesrepublik verlassen. Daher gebe es auch nicht das von allen Seiten beschworene Abschiebedefizit, so Leuninger.

Das wirklich dramatische Defizit, das von den Politikern den Wählern tunlichst verheimlicht werde, sei der zusammengebrochene und völlig überteuerte Wohnungsmarkt. So fehlten wenigstens 2,5 Mio. Wohnungen für alle Bevölkerungskreise, wobei Flüchtlinge im Unterschied zu Aus- und Übersiedlern nicht nur übergangsweise sondern langjährig in Wohnheimen, leerstehenden Kasernen und heruntergekommenen Pensionen oder Hotels untergebracht würden. "Sie sind keine wirklichen Konkurrenten auf dem normalen Wohnungsmarkt", sagte Leuninger.

"Wenn Bundesinnenminister Schäuble die wahre politische Handlungsfähigkeit zurückgewinnen will, soll er nicht das Grundgesetz ändern, sondern für einen verstärkten Wohnungsbau sorgen", forderte PRO ASYL - Sprecher Herbert Leuninger.,


12.8.1991

ASYLBEWERBER MARSCHIEREN NACH WIESBADEN
FLÜCHTLINGSTRECK MITTEN IN DEUTSC4AND

"Ein Flüchtlingstreck mitten in der Bundesrepublik! Auch das ist ein Ergebnis der Vereinigung Deutschlands!" So kommentierte Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL den Fußmarsch von ca. 80 Asylbewerbern vom Flüchtlingslager Schwalbach zur Landeshauptstadt Wiesbaden.

Leuninger, der sich am Stadtrand von Wiesbaden mit den Flüchtlingen und dem Frankfurter Flüchtlings-Solidaritätskomitee traf, unterstützte die Forderungen der Asylbewerber auf ein Bleiberecht in Hessen.

Er forderte darüber hinaus eine Art Abschiebestopp für Flüchtlinge in Gemeinden und Städte Ostdeutschlands, in denen keine Sicherheit für Leib und Leben und auch kein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet werden kann."

Wenn die Aggression gegen Flüchtlinge in den neuen Bundesländern in der letzten Zeit noch wachse, sei dies u.a. eine Folge der Zukunftsängste in der jungen Generation. Eine indirekte Ursache für die Übergriffe sei aber auch die in der Bundesrepublik von hohen und höchsten Politikern mit falschen Zahlen und Argumenten geführte Asyldiskussion, sagte Leuninger. Viele Jugendliche müßten dies so verstehen, als seien Flüchtlinge nicht nur zur verbalen Aggression freigegeben.

PRO ASYL-Sprecher Leuninger


1.8.1991

AUFGEHEIZTE ASYLDISKUSSION
FLUCHT AUS DEUTSCHLAND NACH DEUTSCHLAND
Sozialer Friede in Gefahr

"Die Hälfte der Bundesrepublik könnte sich zu einer Region entwickeln, aus der Menschen in den anderen Teil Deutschlands fliehen, wo ihnen noch einigermaßen Asylschutz gewährt wird." Dies befürchtet Herbert Leuninger, Sprecher von PRO ASYL angesichts der unerträglich aufgeheizten Asyldiskussion. "Während Bayern sich weigert, den zwischen Bund und Ländern ausgehandelten Kompromiss über die sogenannten Altfallregelungen und Abschiebestopps zu akzeptieren, und Bremen rechtswidrig Asylbewerber aus dem eigenen Stadtgebiet zurückweist, fühlten sich die den neuen Bundesländern zugewiesenen Asylbewerber durch wachsende Fremdenfeindlichkeit und Übergriffe in ihrer persönlichen Sicherheit gefährdet.

In diesem Klima, das noch durch eine drohende große Koalition zwischen CSU/CDU und SPD zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl bestimmt wird, wuchern dumpfer Rassismus und Nationalismus. Insgesamt droht eine Störung des sozialen Friedens, die von einem gewissen Moment an politisch nicht mehr steuerbar, Flüchtlinge zu einer höchst bedrohten Minderheit in Deutschland werden lässt .

PRO ASYL appelliert an Bund und Länder, zu einer grundgesetzgemäßen, humanen Aufnahme und Behandlung von Asylbewerbern zurückzukehren und sich mit allem Nachdruck darauf einzustellen, dass die Zuflucht nach Deutschland trotz aller Abschreckungsmaßnahmen nicht nachlassen wird.


2.8.1991

SPD-Vorschläge zum Asylverfahren
Selektion im Schweinsgalopp
Gefahrenstufe 1 für Flüchtlinge

Als höchst gefährlich für Flüchtlinge betrachtet die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL das neueste Modell der SPD, durch einen Vorprüfungsausschuss Asylsuchende möglichst schnell in drei Kategorien als Flüchtlinge nach Art. 16, als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder als bloße Zuwanderer, die ausgewiesen werden müssten, einzustufen.

So würde die Zurückweisung von Flüchtlingen aus Rumänien und der Sowjetunion z.B. nicht nur mögliche Konventionsflüchtlinge, sondern nach der Anerkennungspraxis von Zirndorf auch Flüchtlinge nach Artikel 16 Grundgesetz treffen und diesen somit aushebeln, sagte PRO ASYL -Sprecher Herbert Leuninger in einer ersten Stellungnahme.

„Es ist von der Zeit her unmöglich", so Herbert Leuninger, „dass die vorgeschlagenen Ausschüsse alle anderen Abschiebungshindernisse im Schweinsgalopp klären können, wie etwa die Wahrung der Menschenwürde nach Artikel 1 Grundgesetz, die durch Artikel 2 des Grundgesetzes geschützte freie Entfaltung der Persönlichkeit, den Abschiebungsschutz bei drohender Folter oder Todesstrafe


28.7.1991

40 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention
Jubiläum mit Trauerflor
Flüchtlingsbegriff zu eng geworden

Als „Jubiläum mit Trauerflor" bezeichnete Herbert Leuninger von der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL den 40. Jahrestag der

Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention. „Das Übereinkommen, dem Millionen Flüchtlinge in den vergangenen Jahrzehnten das Überleben verdanken, gewährt der Mehrheit heutiger Flüchtlinge keinen Schutz mehr", sagte der Sprecher von PRO ASYL in Frankfurt.

Nicht nur unmittelbar politisch Verfolgte bedürften aber des Schutzes der Asylkonvention, sondern auch Menschen, die vor Krieg, Bürgerkrieg, ethnischen Konflikten, vor einer schweren Verletzung der Menschenrechte, vor Folter und geschlechtsspezifischer Verfolgung fliehen. „Der Flüchtlingsbegriff muß unbedingt erweitert werden", fordert Pro Asyl – Sprecher Leuninger.

Der verbliebene Schutz werde in der Europäischen Gemeinschaft durch das „Schengener Abkommen" sogar noch systematisch ausgehöhlt. Dieser Vertrag versuche u.a. durch eine koordinierte Visa-Politik, durch die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze und durch die Bestrafung von Fluggesellschaften, die Flüchtlingen ohne ausreichende Reisedokumente befördern, Menschen an der Zuflucht nach Europa zu hindern. „Dies ist der erste internationale Vertrag, der gegen Flüchtlinge gerichtet ist und ein Vorstoß gegen den Geist der Genfer Flüchtlingskonvention", kritisiert PRO ASYL.


17.7.1991

Ausweisung von Asylbewerbern
FRISTENLÖSUNG SOLL ABSCHIEBESCHUTZ ERSETZEN
Bund und Länder wollen neues Schutzdatum festlegen

„Nicht ein Einreisedatum sondern drohende Gefahr in der Heimat müssen das Kriterium für den Abschiebeschutz von Flüchtlingen bleiben", stellt Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL zu den neuesten Plänen von Bund und Ländern fest. Daher reiche eine erweiterte Fristenlösung, nach der jetzt auch abgelehnte Asylbewerber aus dem Iran und dem Libanon, die bis zum 31.12.1988 in die Bundesrepublik eingereist sind, nicht mehr abgeschoben werden, keinesfalls aus. Denn für alle Asylbewerber, die nach diesem Termin aus diesen Ländern in die Bundesrepublik geflüchtet sind und abgelehnt wurden, oder mit einer Ablehnung rechnen müssen, droht nach wie vor das Schicksal einer Abschiebung in ihre krisengeschüttelte Heimat.

Letzteres gelte für alle abgelehnten Asylbewerber, die aus anderen Krisengebieten – es seien nur Jugoslawien und Somalia genannt – nicht unter die Stichtagsregelungen fielen.

PRO ASYL fordert nach wie vor einen generellen Abschiebestopp für alle Flüchtlinge aus Krisen- Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten und nicht nur für Afghanistan, Sri Lanka und den Irak. Bayern – so Leuninger - solle unbedingt davon absehen, Kurden in die Türkei abzuschieben. Hier habe man sich im Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister bereits zu einem früheren Zeitpunkt auf einen Abschiebestopp bis Oktober geeinigt.

PRO ASYL begrüßt es, dass die Bundestagspräsidentin Frau Rita Süßmuth sowohl die Änderung des Grundrechts auf Asyl wie Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete ablehnt und hofft, dass sich der von ihr gesetzte ethische Maßstab auf Dauer in der Bundesrepublik durchsetzt.


10.7.1991

Asylbewerber dürfen arbeiten
ARBEITSVERBOT AUFGEHOBEN
Abschreckungsmaßnahme haltlos

„Sang- und klanglos im Sommerloch versenkt hat der Deutsche Bundestag das unselige Arbeitsverbot für Asylbewerber!" Darauf verwies Herbert Leuninger, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL in einer Stellungnahme zu einer erst jetzt bekannt gewordenen Gesetzesänderung.

Das im Bundesgesetzblatt veröffentlichte „Gesetz zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften" vom 21. Juni 1991 streiche die entsprechenden Absätze 1a bis 1c im §19 Arbeitsförderungsgesetz ersatzlos (Bundesgesetzblatt, 1991, Teil I, Seite 1306).

Danach könnten, so Leuninger, Asylbewerber ohne Wartezeiten eine Arbeitserlaubnis erhalten, würden aber als Ausländer nur nachrangig zu deutschen und diesen gleichgestellten ausländischen Arbeitssuchenden vermittelt. Nachdem nun eine entscheidende Hürde zur Arbeitsaufnahme weggefallen sei, müssten Flüchtlinge auch in Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung einbezogen werden, forderte Leuninger.

Das Arbeitsverbot, das vor 10 Jahren eingeführt worden war, um Menschen vor der Flucht in die Bundesrepublik abzuschrecken, habe sein bedenkliches Ziel, wie von allen Experten seinerzeit vorausgesagt, verfehlt, stellte PRO ASYL – Sprecher Leuninger fest. „Dafür hat es dem Steuerzahler Milliarden-Beträge für die Zahlung von Sozialhilfe aus der Tasche gezogen und die Asylbewerber zur Untätigkeit verdammt.

Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, um auch die anderen inhumanen Abschreckungsmaßnahmen wie die Unterbringung in Lagern, die Beschränkung der Freizügigkeit, Gemeinschaftsverpflegung, die Vergabe von Gutscheinen oder sogar die Kürzung der Sozialhilfe abzuschaffen, fordert PRO ASYL. „All diese Maßnahmen ändern nichts an den Fluchtursachen und sind eine schiere Demütigung von Menschen, die Zuflucht in Deutschland gesucht haben", urteilt Herbert Leuninger.


11.6.1991

Zur Forderung des nordrhein-westfälischen Sozialminister Heinemann:
Gesetzliche Grundlage für allgemeine erkennungsdienstliche Behandlung von Asylbewerbern schaffen
PRO ASYL: VERSUCH DER KRIMINALISIERUNG VON FLÜCHTLINGEN

Die Forderung von Sozialminister Heinemann nach Schaffung der gesetzlichen Grundlage für die generelle erkennungsdienstliche Behandlung von Asylbewerbern wird von der Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL als Versuch die Flüchtlinge zu kriminalisieren scharf zurückgewiesen.

"Die erkennungsdienstliche Behandlung ist eine Maßnahme aus der Strafprozessordnung", so PRO ASYL - Sprecher Herbert Leuninger in einer ersten Stellungnahme. Ihre wahllose Übertragung auf Flüchtlinge wäre ein aggressiver Akt der Fremdenfeindlichkeit. Er läge kaum über dem Niveau des Rechtsradikalismus, wie wir ihn derzeit in den fünf neuen Bundesländern beklagen.


4.6.1991

FLÜCHTLINGSAPPELL DES KREISES AACHEN:
GEGEN GEIST DES BUNDESSOZIALHILFEGESETZES
Verheerend wie Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern

Als schweren Verstoß gegen Geist und Buchstaben des Bundessozialhilfegesetzes bezeichnet Herbert Leuninger, Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL den vom Oberkreisdirektor des Kreises Aachen für den 4.6.1991 anberaumten Zählappell für Asylbewerber.

Nach § 1 des BSHG sei es Aufgabe der Sozialhilfe. "dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht." "Die vorgesehene Maßnahme ist", so Herbert Leuninger, "in Jeder Hinsicht entwürdigend, zumal sie die Asylbewerber in ihrer Gesamtheit dem Vorurteil des Asylschnorrers aussetzt."

Die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung offensichtlich mitgetragene Aktion sei in ihrer verheerenden Auswirkung auf die betroffenen Menschen und die Öffentlichkeit nicht minder bedenklich wie die aggressiven Aktionen der Fremdenfeindlichkeit in den neue Bundesländern, die von allen Seiten bedauert werden," so PRO ASYL- Sprecher Herbert Leuninger.


2. 5.1991

ARMUTSFLÜCHTLINGE PER GESETZ?
Vorstoß gegen Bundessozialhilfegesetz

"Noch tiefer unter die Armutsgrenze drücken will Bayern die Asylbewerber und De-facto-Flüchtlinge", kommentiert Herbert Leuninger, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL den Vorstoß der Bayerischen Landesregierung zur Kürzung der Sozialhilfe für Flüchtlinge.

Schließlich lebten alle Sozialhilfeempfänger aufgrund zu niedriger Regelsätze bereits unter der Schwelle der Armut. Gerade bei den im letzten Jahr durch die Ministerpräsidenten beschlossenen bescheidenen Anhebungen der Sätze für die Hilfe zum Lebensunterhalt sei zugegeben worden, daß die Sätze weiter angehoben werden müßten, um dem gesetzlichen Anspruch der Bedarfsdeckung zu entsprechen.

"Wenn Bayern weitere Kürzungen für Flüchtlinge will, greift es in die Substanz des Bundessozialhilfegesetzes(BSHG) ein, dessen Ziel es ausdrücklich war und ist, Menschen vor Armut zu schützen und ihnen ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht", so Herbert Leuninger in einer ersten Stellungnahme.

„Es geht an der Wirklichkeit vorbei, Flüchtlingen einen geringeren Kommunikationsbedarf zu unterstellen". Allein die notwendigen Kontakte zu Rechtsanwälten, Behörden und sozialen Einrichtungen, die Beschaffung notwendiger Dokumente für das Asylverfahren, die Verbindungen zur Heimat und zu Angehörigen ergäben einen erhöhten Bedarf an Mitteln für Telefon, Fahrkarten und Porto.


8.4.1991

EG-Gipfel in Luxemburg
500.000 KURDEN in die EG AUFNEHMEN

Bonn/Frankfurt

„Neben umfassender Hilfeleistung für die kurdischen Flüchtlinge im Irak, Iran und in der Türkei soll der EG-Gipfel in Luxemburg die möglichst schnelle Aufnahme von 500.000 kurdischen Familien mit Kindern und älteren Menschen beschließen." Dies forderte der asylpolitische Sprecher der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament Detlef Samland und Herbert Leuninger von der Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL in einer gemeinsamen Erklärung.

Hierzu müssten Luftbrücken zwischen den einzelnen EG-Ländern und der Krisenregion eingerichtet werden, die auf ihren Rückflügen die aufzunehmenden Flüchtlinge transportieren. In den Ländern der EG müssten auf konventionelle Weise möglichst schnell Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden und alle staatlichen und nichtstaatlichen Hilfsorganisationen eingesetzt werden.

„Die Verteilung der Flüchtlinge könnte", so Samland und Leuninger, „nach einem Quotensystem erfolgen, das sich an der Einwohnerzahl und dem Bruttosozialprodukt orientiert". Nur an der Wirtschaftskraft gemessen, entfielen auf die Bundesrepublik etwa ein Viertel, also ungefähr 130.000 aufzunehmende Flüchtlinge, auf Frankreich ca. 20%, also 100.000, auf Großbritannien und Italien je 15%, d.h. ca. 75.000.

Auf die übrigen Länder entfielen dann nicht mehr als 120.000.


4.4.1991

VÖLKERMORD AN DEN KURDEN VERHINDERN

In einem dramatischen Appell haben sich die

  • Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen
  • medico international, Frankfurt
  • terre des hommes, Osnabrück und
  • PRO ASYL, Frankfurt

an die Bundesregierung gewandt, alle diplomatischen Mittel gegenüber dem Irak einzusetzen um den Völkermord an den Kurden zu verhindern.

Gleichzeitig fordern sie die Bundesregierung auf, „mit höchster Dringlichkeit auf die türkische und iranische Regierung einzuwirken, die Grenzen für die kurdischen Flüchtlinge aus dem Irak zu öffnen."

Dabei solle die Bundesregierung gegenüber beiden Regierungen, den Vereinten Nationen und dem UNHCR in Genf ihre Bereitschaft bekunden, mit der EG zusammen die Versorgung der Flüchtlinge zu garantieren.

Hierfür müssten nach Ansicht der genannten Organisationen sofort „finanzielle Mittel in einer Größenordnung bereit gehalten werden, die sich an den Ausgaben für den Golfkrieg orientieren".


27.2.1991

ZUWANDERUNG UND ZUFLUCHT NACH WESTEUROPA

(Pressekonferenz in Bonn)

Die EG versucht durch Schengen und Trevi eine Festungsmauer um ihr Territorium zu errichten, mit dem die Zuflucht von Menschen aus der südlichen Hemisphäre aufgehalten werden soll. In dem Konzept der Abschottung sind der Eiserne Vorhang und die Berliner Mauer integraler Bestandteil. Dieser Teil der Festung ist aber inzwischen zusammengebrochen und macht das ganze Abschottungskalkül fragwürdiger denn je.

* OSTEUROPA

Die Zuwanderung und Zuflucht aus dem Osten in einem nicht berechenbaren Ausmaß wird die Folge nicht nur des wirtschaftlichen Desasters, sondern eher des Druckes auf nationale Minderheiten sein, die in den äußerst harten Verteilungskämpfen mit ihren knappen Ressourcen und der ansteigenden Umweltbelastung wachsendem Rassismus und Nationalismus zum Opfer zu fallen drohen. Hunderttausende Aussiedler und Juden aus Russland sind die deutlichsten Anzeichen einer ungelösten Minderheiten- und Verteilungsproblematik im Osten des eurasischen Subkontinents. Darüber hinaus dürften die ökologischen Katastrophen und das kaum noch gewährleistete Überleben mittelfristig den Abwanderungsdruck weiter eskalieren lassen. Sollte es in der Sowjet-Union nach dem Scheitern von Perestroika zu einer Militär-Diktatur kommen, sind Bürgerkriege zwischen den Sowjet-Republiken und innerhalb von ihnen mit entsprechenden Fluchtbewegungen äußerst wahrscheinlich.

Ähnliches gilt für den im Zerfall begriffenen Nationalitätenstaat Jugoslawien. Hier sind die Roma und die Albaner aus dem Kosovo Vorboten der ungelösten Minderheitenfragen.

* GOLFREGION

Nach dem Golfkrieg stehen in der gesamten Region, einschließlich der Türkei, alle Minderheitenfragen wie die der Palästinenser und der Kurden neu und verschärft auf der weltpolitischen Tagesordnung. Die Türkei muß unter diesem Aspekt als vorrangiges Krisen- und damit Fluchtgebiet eingestuft werden. Hinzu kommen Zwangswanderungen großer Bevölkerungsteile aus den ökologisch und infrastrukturell zerstörten Ansiedlungsgebieten des Irak. Diese und alle räumlich weit entfernten Migrations- und Wanderungsbewegungen erreichen Westeuropa, allerdings nur zu einem geringen Teil.

* AFRIKA

Afrika ist derzeit der Kontinent mit den meisten Flüchtlingen. Die dort durch Überschuldung, wachsende Bevölkerungen

und Autonomie- und Freiheitsbestrebungen vorhandene politische Instabilität wird zunehmen und Flucht bis nach Europa anwachsen lassen. Neben den wirtschaftlichen Bedingungen werden Klimakatastrophen, Epidemien und ökologische Verwüstung Fluchtbewegungen, die zahlenmäßig bisher heruntergespielt wurden, von der Quantität und Qualität her aber neue Dimensionen annehmen.

* KRIEGSBEREITSCHAFT

Der Golfkrieg stellt eine entscheidende Schwächung der friedensfördernden Funktion der UNO dar. Kriegerischen Auseinandersetzungen gegenüber hat sie viel moralische Legitimation verloren. Mit dem am Golf geführten totalen Krieg wächst unter den Staaten die Bereitschaft bei Konflikten Krieg zu führen.

Die breite Zustimmung in den Westlichen Gesellschaften zum Golfkrieg mindert die kollektive Toleranz in künftigen Spannungssituationen. Dies dürfte vor allem Auswirkungen auf die erforderliche Bereitschaft zu einer neuen Verteilungsgerechtigkeit in der Weit haben. Die Bevölkerung der privilegierten Staaten wird, wenn es an die Substanz des eigenen Wohlstands geht, wieder schneller eine militärische Verteidigung fordern. Dies dürfte sich auch auf die Abwehr von größeren Flüchtlingskontingenten auswirken. Aggressive Formen der Fremdenfeindlichkeit und der Ruf nach paramilitärischen Einsätzen an den Grenzen könnten die Folge sein.

PRO ASYL stellt fest:

Zur Zeit wird in Europa nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge als asylberechtigt anerkannt. Grundlagen sind die Genfer Flüchtlingskonvention und nationales Asylrecht.

Von den abgelehnten Asylbewerbern reist etwa ein Viertel freiwillig aus oder wird zwangsweise abgeschoben.

Die übergroße Mehrheit der abgelehnten Asylbewerber verbleibt mit einem Ersatzstatus, der von einem humanitären Aufenthaltsrecht bis zur Aussetzung der Abschiebung reicht. Diese de-facto-Flüchtlinge werden von den Aufnahmegesellschaften abgelehnt. Ihre soziale und rechtliche Lage ist völlig unbefriedigend. Um sie geht es bei der asylpolitischen Auseinandersetzung.

Dabei zeigt sich, daß nur ein Teil der Flüchtlinge wegen direkt gegen sie gerichteter Verfolgung das Land verlässt. Die meisten fliehen als Teil einer Massenbewegung, bei denen sich wegen der Verteilungskämpfe um Ressourcen und Einfluss politische und wirtschaftliche Gründe vermischen.

PRO ASYL kritisiert:

Statt nach 40 Jahren GENFER FLÜCHTLINGSKONVENTION diese zum verbesserten Schutz der Flüchtling einer zeitgemäßen Revision zu unterziehen, wird mit Schengen der erste internationale Vertrag geschlossen, der gegen Flüchtlinge gerichtet ist.

In diesem Vertrag und weiteren geht es in erster Linie darum,

* in koordinierter Form durch Visapflicht, Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze und Bestrafung von Fluggesellschaften, die Flüchtlinge ohne ausreichende Reisedokumente befördern, Asylbewerber an der Einreise nach Europa zu hindern,

* und möglichst viele der abgelehnten Asylbewerber wieder aus dem Bereich der EG auszuweisen.

PRO ASYL fordert:

Bundesrepublik:

* Artikel 16 Grundgesetzes darf nicht nach unten "harmonisiert" werden. Vielmehr muß er mit seiner Rechtsweggarantie Maßstab für eine europäische Harmonisierung sein.

Europäische Gemeinschaft

* Eine Asylpolitik auf der Grundlage der Entschließung des Europäischen Parlamentes vom 13.3. 1987.

dabei insbesondere

* Die Erweiterung des Flüchtlingsbegriffs der Genfer Flüchtlingskonvention. Danach müssen als Anerkennungsgründe auch gelten:

- Krieg,

- Bürgerkrieg,

- ethnische Konflikte

- Verletzung der Menschenrechte

- Folter

- geschlechtsspezifische Verfolgung

* Ein humanitäres Bleiberecht ist allen Menschen zu gewähren, deren Existenz und Gesundheit durch ökologische Katastrophen oder durch Entzug der Lebensgrundlagen bedroht sind.


23.1,1991

BONN DECKT ABSCHIEBUNG IM ERZGEBIRGE
PRO ASYL verlangt Prüfung durch Bundestag

(Wortlaut des heutigen Schreibens an den Innenausschuß des Deutschen Bundestages)

Wir hatten uns mit einem Schreiben vom 2.1.1991 (s. Anlage) an den Herrn Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gewandt und auf eine unseres Erachtens gesetzeswidrige Zurückweisung von 52 Flüchtlingen an der Grenze zur CSFR hingewiesen,,

In seiner Antwort vom 16.1.1991 (s. Anlage) rechtfertigt der Minister das Vorgehen des Bundesgrenzschutzes folgendermaßen:

"Bei der grenzpolizeilichen Vernehmung hat keiner der 52 Ausländer ein Asylbegehren - entweder ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten - vorgebracht. Eine Person der Gruppe erklärte vielmehr in gebrochener deutscher Sprache, dass man viel Geld bezahlt habe, um nach Deutschland zu kommen. Man wolle hier nur arbeiten und leben?"

Da erwiesenermaßen keine Dolmetscher hinzugezogen wurden, hatten die Menschen unterschiedlicher Nationalität keine Chance, ein evt. Asylbegehren vorzutragen bzw. sich zu den Gründen ihres Einreisebegehrens angemessen zu äußern. Dies wird durch einen der beteiligten Grenzschutzbeamten des Polizeiobermeisters Albrecht, bestätigt, der gesagt hat: "Eine Verständigung mit ihnen war nicht möglich.''

Weiter heißt es in dem Schreiben des Bundesinnenministers:

"Die Übergabe erfolgte am Grenzübergang Zinnwald. Die Tschechoslowakei hat folgendes veranlasst:

- Erteilung eines Ausnahmesichtvermerkes für 2 Tage unter mündlicher Aufforderung, während dieser Zeit die CSFR zu verlassen."

Dies steht im Widerspruch zu der Stellungnahme der Bundesgrenzschutzstelle in Pirna, die die Zurückweisung damit begründet hatte, dass die Flüchtlinge in der CSFR ja offensichtlich sicher vor politischer Verfolgung gewesen seien. In Wirklichkeit ist die Zurückschiebung also in voller Kenntnis der Tatsache geschehen, daß die CSFR den Flüchtlingen keinen Aufenthalt gewährt. Damit hat der Bundesgrenzschutz in Kauf genommen, dass Flüchtlinge entgegen der Genfer Flüchtlingskonvention und des Ausländergesetzes in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen Gefahr für Freiheit und Leben droht. Dies ist angesichts des wachsenden Flüchtlingselends in der Golfregion, aber auch in der Türkei, in Osteuropa und in Afrika ein besonders makabrer Fall bundesdeutscher Abschottung.

Wir bitten Sie diese Angelegenheit, die für uns exemplarischen Charakter hat, zu untersuchen und die Änderung einer Praxis zu verlangen, die unzählige Flüchtlinge gefährdet.

Mit freundlichen Grüßen
(H. Leuninger) Sprecher


2.1.1991

Telefax an Schäuble
FLÜCHTLINGSDRAMA IM ERZGEBIRGE
Asylersuchen durch BGS vereitelt

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Schäuble!

Als Sprecher von PRO ASYL appelliere ich an Sie, zu gewährleisten, dass Flüchtlinge an der Ostgrenze der Bundesrepublik um Asyl nachsuchen können und nicht in das Nachbarland, über das sie eingereist sind, zurückgeschoben werden.

Wie die Ausländerbeauftragte der Stadt Dresden, Frau Marita Schieferdecker-Adolph PRO ASYL an Sylvester fernmündlich mitteilte, sind Zeitungsmeldungen zutreffend, dass am 2. Weihnachtsfeiertag 52 Flüchtlinge, die über die CSFR in die Bundesrepublik gelangt sind, zwangsweise über die Grenze zurückgeschoben wurden, ohne dass sie die Möglichkeit gehabt hätten, um Asyl nachzusuchen.

Nach dem Bericht, den Frau Schieferdecker-Adolph inzwischen überprüft hat, wurde Herr Michael Ebert (21), diensthabender Leiter der Altenberger Bergwacht (Erzgebirge), am 26 Dezember um 4.30 Uhr geweckt. Der Bundesgrenzschutz hatte 52 halb erfrorene Flüchtlinge, darunter 10 Kinder zwischen 6 Monaten und 9 Jahren und eine hochschwangere Frau aufgegriffen. Draußen herrschten zur fraglichen Zeit 10 Grad Frost, es lagen ca. 50 cm Schnee. Die Gruppe war bei eisigem Wind fünf Stunden über den Erzgebirgskamm geirrt, bis sie der Bundesgrenzschutz in Rehefeld-Zaunhaus entdeckt hatte. Keiner der Flüchtlinge verfügte über Papiere, so dass eine Identifizierung im Augenblick nicht möglich war.

Polizeiobermeister Albrecht vom Bundesgrenzschutz in Zinnwald-Georgenfeld, einer Grenzstation an der Grenze zur CSFR, erklärte: „Das ist seit Monaten die größte Gruppe von Grenzgängern." Aus Erfahrung wisse er, dass es sich um Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Libanon, dem Irak oder dem Iran handele. "Eine Verständigung mit ihnen war nicht möglich." Sie seien über Prag eingereist und „mit Schleppern zur Grenze gebracht worden." 49 der Flüchtlinge wurden am späten Nachmittag, ohne um Asyl nachsuchen zu können, in die CSFR zurückgeschoben. Inzwischen geschah das Gleiche mit der schwangeren Frau, einer weiteren Mutter mit ihrem sechsmonatigen Kind, die im Krankenhaus Dippoldiswalde ambulant behandelt worden waren.

Nach Frau Schieferdecker-Adolph hat die Bundesgrenzschutzstelle in Pirna den Vorfall bestätigt; die auch den Beamten in Zinnwald-Georgenfeld die Order zur Zurückschiebung gegeben habe. Pirna begründete der Dresdener Ausländerbeauftragten gegenüber die Zurückweisung mit der falschen Gesetzesauslegung, dass die Flüchtlinge in der CSFR ja offensichtlich sicher vor politischer Verfolgung gewesen seien.

Dass es sich im vorliegenden Fall um einen an der Ostgrenze wohl üblichen Vorfall handelt, ergibt sich u.a. daraus, dass der Bundesgrenzschutz in Zinnwald-Georgenfeld am Samstag, den 1.12.1990 den Versuch einer afghanischen Familie mit fünf Töchtern und zwei Enkelkindern um Asyl nachzusuchen, vereitelt und auch diese Familie in die CSFR zurückgeschoben hat.

Sehr geehrter Herr Bundesminister Schäuble, ich hoffe als Sprecher von PRO ASYL, dass diese gesetzeswidrige Praxis von Ihnen nicht geduldet wird, die verantwortlichen Beamten durch gesetzeskundige ersetzt werden und unverzüglich ein funktionierender Dolmetscherdienst an der Grenze zur CSFR eingerichtet wird.

Herbert Leuninger, Sprecher


1990

Presseerklärungen

1992