Herbert Leuninger ARCHIV ASYL
1988
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az andere zeitung
GASTKOMMENTAR

DER PAPPKAMERAD 1988

"O Gott, gib uns neue mächtige Feinde, nachdem Strauß uns das böse Russenfeindbild zertrümmerte", läßt Gerhard Zwerenz den frommen CSU-Wähler beten. Und der SPD-Bundestagsabgeordnete Albrecht Müller wartet mit großer Spannung auf die Ersatzlösung bei den Wahlkämpfen von CDU/CSU. Sie zeichnet sich ab: "Der Flüchtling".

Zum Jahresbeginn holt Trendsetter Zimmermann den "Wirtschaftsasylanten" aus dem unverstaubten Magazin seines Hauses und baut ihn vor der Öffentlichkeit auf. Es seien zwar in 1987 40.000 Asylbewerber weniger gekommen als im Jahr zuvor. Aber das wären immer noch zuviele. Schließlich würden nur 10% vom Bundesamt in Zirndorf als asylberechtigt anerkannt. Daraus zieht der Bundesinnenminister den Schluß: 90% kommen aus wirtschaftlichen Gründen. Für sie hat die Bundesrepublik keinen Platz. Sie sollten verstärkt abgeschoben werden.

Daß die Anerkennungsquote künstlich gesenkt wird, ist für den normalen Informationsverkäufer und Medienkonsumenten schwer durchschaubar. So werden alle Asylbewerber, die ihren Antrag zurückgezogen haben oder in ein anderes Land weitergereist sind - es handelt sich immerhin um ca. 30% aller Antragsteller - in die Anerkennungsquote hineingerechnet. Nur e i n Beispiel!

Auch der Ruf nach Abschiebung hat Showcharakter. Im internen Diskurs gilt die Einschätzung: Wir müssen möglichst verhindern, daß Flüchtlinge in die Bundesrepublik gelangen. Denn, wenn sie einmal hier sind, bekommen wir sie nicht mehr hinaus. Letzteres stimmt und ist vor allem der Erfolg unzähliger Solidarisierungen.

Der "Wirtschaftsflüchtling", der abgeschoben werden soll, wird zum Pappkameraden 1988 gemacht. Zimmermann schätzt ihn wohl als wehrlosen Wahlhelfer in der rechten Ecke.