Hessischer Rundfunk:
Der Initiativausschuß "Ausländische Mitbürger in Hessen" tritt,
um es global zu sagen, für die Rechte der ausländischen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik
ein. Herr Pfarrer Lüderwaldt, Sie gehören zu diesem Initiativausschuß, wer gehört
außer Ihnen, außer dem Diakonischen Werk, diesem Ausschuß noch an?
Lüderwaldt:
Dem Initiativausschuß gehören ausländische und deutsche Organisationen an:
- von ausländischer Seite die Spanische Elternvereinigung, die Neue Griechische Gemeinde,
das Türkische Volkshaus, die italienische Organisation Unione Inquilini; und - von deutscher Seite die Wohlfahrtsverbände, Caritasverbände der Diözesen Fulda,
Limburg, Mainz, die Diakonischen Werke in Hessen und Nassau und in Kurhessen-Waldeck, die Arbeiterwohlfahrt,
Bezirke Hessen-Nord und -Süd, das Amt für Industrie- und Sozialarbeit der Evangelischen
Kirche in Hessen und Nassau und das Jugendsozialwerk Hessen.
Hessischer Rundfunk:
Aber wie war es denn möglich, Herr Leuninger - sie gehören der katholischen
Kirche an - wie war es denn möglich, so verschiedene und viele Gruppen und Organisationen
unter einen Hut zu bringen?
Leuninger:
Das ist nur dadurch möglich, daß es in diesen Einrichtungen sehr aufgeschlossene Menschen
gibt, die wissen, daß nur das Zusammenrücken aller etwas erreichen kann.
Hessischer Rundfunk:
Können Sie etwas genauer darauf eingehen, wie Sie Ihr Ziel, wie Sie Ihre
Arbeit formulieren würden?
Leuninger:
- Als erstes betrachtet sich der Initiativausschuß als eine Einrichtung, die zum Ausdruck
bringt, daß sich die deutsche Seite, oder viele Einrichtungen der deutschen Seite, mit den
ausländischen Arbeitern solidarisieren wollen.
- Zweitens versucht dieser Ausschuß, die von den Ausländern selbst formulierten Anliegen
und Probleme und Forderungen zu übernehmen und sie damit verstärkt an die deutsche Öffentlichkeit
zu geben.
- Drittens versucht der Ausschuß, und da funktioniert er auch vorzüglich, möglichst
viele und manchmal auch sehr schwer erreichbare Informationen zu sammeln, um sie dann entsprechend
der Öffentlichkeit bekannt zu machen, und dieser den Hintergrund zu verdeutlichen, auf den
sich die Ausländerproblematik hier in der Bundesrepublik abspielt.
Hessischer Rundfunk:
Aber, Herr Pfarrer Lüderwaldt, wie arbeitet ein solcher Ausschuß
mit so vielen unterschiedlichen Organisationen zusammen - treffen sie sich immer oder gibt es
eine Führungsspitze des Ausschusses?
Lüderwaldt:
Der Ausschuß setzt sich aus Mitgliedern zusammen, die in den verschiedensten hessischen Städten
leben und arbeiten. Wir treffen uns in der Regel alle sechs bis acht Wochen zu einer Sitzung.
Auf dieser Sitzung werden Aktionen und Erklärungen vorbereitet, die dann in der Folgezeit
durchgeführt bzw. abgegeben werden. Bei besonders aktuellen Anlässen trifft sich der
Ausschuß zu Sondersitzungen, um einer bestimmten Situation schnell begegnen zu können.
Hessischer Rundfunk:
Herr Leuninger, ist der Initiativausschuß eine kämpferische Organisation
oder mehr eine Organisation, die sich darauf beschränkt, papierene Erklärungen herauszugeben?
Leuninger:
Letzteres ist auch eine wichtige Funktion, die der Initiativausschuß sehr gern und in breitem
Umfange wahrnimmt, aber die Mitglieder sind sich klar darüber, daß das einfach nicht
genügt, sondern daß die Zeichen der Solidarität auch aktiv gesetzt werden müssen,
etwa in der Beteiligung bei einer Demonstration, bei Protesten gegenüber bestimmten Maßnahmen
irgendwelcher Behörden, schließlich auch in weiteren Initiativen zugunsten der ausländischen
Arbeitnehmer.
Hessischer Rundfunk:
Gibt es dabei Schwierigkeiten mit den Organisationen, denen Sie angehören,
z.B. mit dem Diakonischen Werk, z.B. mit der Caritas oder der Arbeiterwohlfahrt? Denn ich könnte
mir vorstellen, daß die Organisationen als solche, also die Hauptorganisationen, nicht immer
die Initiativen und die Aktionen des Initiativausschusses mittragen möchten.
Leuninger:
An sich hat sich die Arbeit des Initiativausschusses so eingespielt, daß er normalerweise
einen breiten Spielraum hat, und daß auch die Vertreter in diesem Ausschuß das Vertrauen
ihrer vorgesetzten Behörden haben; aber es dürfte an sich nicht verwunderlich sein,
besonders in der jetzigen kritischen Situation, daß es über die politische Relevanz
und über die Akzentsetzung bestimmter Initiativen unterschiedliche Auffassungen geben kann.
Darüber müßte dann allerdings in aller Offenheit diskutiert werden, und ich glaube,
daß die derzeitigen Mitglieder des Initiativausschusses auch dazu bereit wären.
Hessischer Rundfunk:
Wo liegen die Grenzen Ihrer Arbeit?
Leuninger:
Die Grenzen unserer Arbeit liegen darin, daß wir im Grunde keine politische Macht haben.
Unsere Macht ist eine indirekte, sie ist für die Ausländer selbst vielleicht eine kleine
Verstärkung ihrer eigenen Initiativen, die sie entwickeln können; es ist einfach so
eine Art moralischer Impuls gegenüber der deutschen Öffentlichkeit.
Hessischer Rundfunk:
Herr Pfarrer Lüderwaldt, welche konkreten Aufgaben haben Sie sich in Moment
gesetzt?
Lüderwaldt:
Im Augenblick haben wir uns zur besonderen Aufgabe gestellt, gegen Tendenzen zu wirken, die darauf
hinauslaufen, daß Ausländer in Zuge der jetzigen wirtschaftlichen Krise zu einer Rückkehr
in ihre Heimat veranlaßt werden sollen. Wir kritisieren hier in diesem- Zusammenhang
sehr stark Anweisungen, die von der Bundesanstalt für Arbeit an die Arbeitsämter ergangen
sind. Diese Anweisungen bieten den Arbeitsämtern ein Instrumentarium, durch des sie den ausländischen
Arbeitnehmern sehr leicht die Arbeitserlaubnisse versagen können.
Von hier aus haben wir in Moment besonderes Interesse daran, eine gewisse Gegen-Öffentlichkeit
gegen diese Tendenzen zu entwickeln und wir nehmen jeden Anlaß, der sich uns bietet, wahr,
um darauf hinzuweisen, daß die ausländischen Arbeitnehmer auf ausdrücklichen Wunsch
der westdeutschen Industrie in das Land gerufen worden sind, daß sie anerkanntermaßen
einen enormen Beitrag zur Schaffung unseres Lebensstandards geleistet haben, und dass wir infolgedessen
der Auffassung sind, daß eine Krise nicht zu ihren Lasten, sondern in Solidarität mit
ihnen bewältigt werden muß.
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