Herbert Leuninger

ARCHIV MIGRATION
1976

Initiativausschuß
"Ausländische Mitbürger
in Hessen"

Geschäftsstelle
6238 Hofheim (Taunus)
Teutonenstraße 13
Telefon 06192/6513
(Leuninger)
November 1976

 

A r g u m e n t a t i o n s p a p i e r
Fortentwicklung der Politik der AUSLÄNDERBESCHÄFTIGUNG
Stellungnahme zum Protokoll der 1. Sitzung der Bund-Länder-Kommission am 4. 8. 1976

INHALT

  1. DIE NOTWENDIGKEIT EINER STELLUNGNAHME
  2. DER AUFENTHALT SOLL UNSICHERER WERDEN
  3. DER FAMILIENNACHZUG WIRD EINGESCHRÄNKT
  4. BERUFLICHE BILDUNG NUR FÜR WENIGE
  5. ZUSAMMENFASSENDE BEURTEILUNG
  6. FORDERUNGEN AN EINE KÜNFTIGE AUSLÄNDERPOLITIK

1. DIE NOTWENDIGKEIT EINER STELLUNGNAHME

1.1
Der Initiativausschuß "Ausländische Mitbürger in Hessen" hat Kenntnis von einem Papier des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 11.8.1976 unter dem Aktenzeichen II c 1 - 24200/22 erhalten. (1)

1.2
Dieses Papier ist das Ergebnis einer Sitzung der Bund-Länder Kommission vom 4.August 1976. Es enthält Anregungen zu dem Zweck, "eine zwischen Bund, Ländern und Sozialpartnern abgestimmte umfassende Konzeption für Ausländerbeschäftigung, insbesondere zu den Fragen des Familiennachzugs, Aufenthaltsrechts, einer künftigen Anwerbepolitik, der sozialen Integration sowie der Rückwanderung fortzuentwickeln."

1.3
Die in dem Papier niedergelegten Vorstellungen zeigen mit kaum zu überbietender Deutlichkeit, daß Bund und Länder das von ihnen lange Zeit - zumindest verbal - vertretene Konzept der Integration der ausländischen Arbeiter in die bundesrepublikanische Gesellschaft preisgeben.

1.4
Grundelemente einer Integrationspolitik wären die Sicherung des Aufenthaltes und des Familiennachzuges für die ausländischen Arbeiter. Erst wenn den ausländischen Arbeitern, die für eine Arbeit in der Bundesrepublik angeworben worden sind, das Recht zugestanden würde, zusammen mit ihren Familien auf Dauer in der Bundesrepublik zu bleiben, wären die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß sie gleichberechtigt in dieser Gesellschaft leben.

1.5
Gerade diese beiden Hauptpfeiler einer Integrationspolitik (Ausbau des Aufenthaltsrechtes und Gewährleistung des Familiennachzuges) aber werden durch die von der Bund-Länder-Kommission am 4.8.1976 erarbeiteten Anregungen ins Wanken gebracht:

  • DER AUFENTHALT DER AUSLÄNDISCHEN ARBEITER IN DER BUNDESREPUBLIK SOLL NICHT SICHERER SONDERN UNSICHERER GEMACHT WERDEN.
  • DER FAMILIENNACHZUG FÜR DIE AUSLÄNDISCHEN ARBEITER SOLL NICHT GEFÖRDERT, SONDERN GANZ IM GEGENTEIL ENTSCHEIDEND ERSCHWERT BZW. GANZ UNMÖGLICH GEMACHT WERDEN.

2. DER AUFENTHALT SOLL UNSICHERER WERDEN

2.1
Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis soll in Zukunft von der Erfüllung bestimmter im Vergleich zur bisherigen Regelung neuartiger Auflagen abhängig gemacht werden können.

Solche Auflagen sind:

2.1.1
Der Nachweis von Sprachkenntnissen, möglicherweise in Gestalt eines bundeseinheitlichen Zertifikats.

Diese Auflage muß insofern als eindeutig restriktiv angesehen werden, als mit keinem Wort erwähnt wird, auf welchem Wege sich die Ausländer, die in unserer Gesellschaft oft in größter Isolierung zu leben gezwungen sind, die nötigen Sprachkenntnisse erwerben können.

Im Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Ausländerbe-schäftigung vom 6. Juni 1973 ist immerhin noch davon die Rede, daß die Überschüsse aus der Vermittlungsgebühr und die mögliche Einführung einer Wirtschaftsabgabe zur Finanzierung von Eingliederungshilfen, wie z.B. zu sprachlichen Bildungsmaßnahmen verwendet werden sollen. Von solchen Hilfen findet sich in Papier der Bund-Länder-Kommission kein Wort.

Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß mit der Auflage, Sprachkenntnisse nachzuweisen, bei den Ausländern nie die Erlernung der deutschen Sprache gefördert, sondern vielmehr den Behörden ein Mittel an die Hand gegeben werden soll,_ durch das sie den Ausländern die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagen können.

Es stellt eine unerträgliche Zumutung für die Ausländer dar, wenn sie zusätzlich zu ihrer Angst um den für ihr Verbleiben in der Bundesrepublik existenznotwendigen Arbeitsplatz nun auch noch in eine Art Schulangst getrieben werden.

2.1.2
Der für jede Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu erbringende Nachweis angemessenen Wohnraums.

Angesichts der Tatsache, daß die Ausländer wegen der stark Vorurteile vieler deutscher Wohnungsvermieter ihnen gegenüber größte Schwierigkeiten haben, angemessenen Wohnraum zu finden, muß auch diese Maßnahme als ein Instrument angesehen werden, mit dem den Ausländern die Erlangung einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erschwert werden soll.

Eine von Jahr zu Jahr neu vorgenommene aufenthaltsbedrohende Überprüfung des Wohnraumes bringt für die Ausländer eine weitere Steigerung ihrer Existenzangst mit sich.

Ausländerfreundliche Erwägungen, wie durch Förderungsprogramme die Wohnsituation der Ausländer verbessert werden könnte, finden sich in dem Papier nicht. Alle Aussagen des Papiers zum Wohnungsbereich betreffen nie die Fragen der Hilfen zur Beschaffung von Wohnraum für Ausländer, sondern ausschließlich Fragen der Wohnungsaufsicht und -überwachung.

2.2
Von einer arbeitsrechtlichen Neuregelung, die schwerwiegende Konsequenzen für den Bereich des Aufenthaltsrechtes hat, sind diejenigen jugendlichen Ausländer betroffen, die mit ihren Familien hier leben und die gezwungen sind, außerhalb der Bundesrepublik ihren Wehrdienst abzuleisten.

Bisher konnten sie nach Beendigung ihrer Militärzeit bei Nachweis einer Arbeitsstelle bei der Firma, bei der sie vor Antritt ihres Militärdienstes gearbeitet hatten, wieder eine Arbeitserlaubnis und damit auch eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Jetzt soll ihnen bei der Rückkehr die Arbeitserlaubnis versagt werden. Dies führt dazu, daß die Familie über einen Notariatsvertrag die Kosten der Lebenshaltung (und eventuell anfallende Krankenhauskosten) in einer unzumutbaren Höhe übernehmen muß. Kann sie dies nicht, so erhält der Betroffene von der Ausländerbehörde keine Aufenthaltserlaubnis.

Auch diese Maßnahme macht deutlich, daß Bund und Länder nicht mehr gewillt sind, die Integration ausländischer Arbeiter in die westdeutsche Gesellschaft zu fördern. Im Gegenteil, die Integration wird mit allen nur möglichen Mitteln behindert und bei dem Personenkreis der Wehrpflichtigen, die ohne eigenes Verschulden zu einer Unterbrechung ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik gezwungen sind, unmöglich gemacht.

3. DER FAMILIENNACHZUG WIRD EINGESCHRÄNKT

Der Familiennachzug, einer der tragenden Pfeiler jeglicher Integrationspolitik, soll durch folgende Maßnahmen behindert werden:

3.1
In dem Papier der Bund-Länder-Kommission wird erwogen, den Familiennachzug nur solchen Ausländern zu gewähren, die eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben.

Die Verwirklichung dieses Gedankens würde bedeuten, daß dem größten Teil der ausländischen Arbeiter der Familiennachzug verwehrt würde.

Bereits bei der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis prüft die Ausländerbehörde, ob durch die weitere Anwesenheit des Ausländers, die nicht näher definierten "Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden".

Die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis kommt im allgemeinen nur in Betracht für Ausländer, bei denen besondere schutzwürdige Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet bestehen. Ein längerer rechtmäßiger Aufenthalt und einwandfreies Verhalten des Ausländers reichen für sich allein nicht aus, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.

Die Gewährung des Familiennachzugs an die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Arbeiters binden, bedeutet für viele Ausländer ein Verbot des Familiennachzugs.

3.2
Dem Nachzug ausländischer Jugendlicher zu ihren in der Bundesrepublik lebenden Eltern sollen schwere Riegel vorgeschoben werden.

Geradezu zynisch ist die Aussage, daß 16-18jährige Familienangehörige nur nachreisen dürfen, wenn sie einen Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz nachweisen können.

Dies heißt, daß überhaupt kein Jugendlicher dieser Altersgruppe zu seinen Eltern nachkommen darf, da laut Erlaß der Bundesanstalt für Arbeit vom 13.11.1974 ausländische Jugendliche, die nach dem 1.12.1974 in die Bundesrepublik einreisen, grundsätzlich keine Arbeitserlaubnis erhalten.

Selbst wenn diese Erlaßbestimmung aufgegeben werden sollte, worauf der Abschnitt II 4 des Papiers hinzudeuten scheint, werden die wenigsten Jugendlichen dieser Altersgruppe bei ihren Eltern in der Bundesrepublik wohnen können, da es angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt und dem Berufsausbildungssektor für ausländische Jugendliche äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich sein wird, einen für die Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz nachzuweisen.

3.3
Selbst 10-14jährige ausländische Kinder sollen nicht zu ihren Eltern in die Bundesrepublik nachkommen dürfen; denn etwa auf dieser Altersstufe befinden sich - je nach den heimatlichen Schulgesetzen - diejenigen Jugendlichen, denen die Einreise in die Bundesrepublik verwehrt werden soll, weil sie im Heimatland zwei Jahre und weniger vor dem Schulabschluß stehen.

3.4
Der Familiennachzug in sogenannte überlastete Siedlungsgebiete soll gedrosselt werden, d.h. einem großen Teil der ausländischen Arbeiter, die in solcherart deklarierten Regionen leben, soll es verboten werden, mit ihren Familien zusammenzuleben.

3.5
Schließlich soll vor Genehmigung des Familiennachzuges eine obligatorische Beratung stattfinden.

Im Hinblick auf alle Einschränkungen, denen der Familiennachzug unterworfen werden soll, läßt sich vorstellen, wie eine solche Beratung gedacht ist. Es soll im Grunde von einem Familiennachzug abgeraten werden.

3.6
Über die in den verschiedenen ausländerrechtlichen Bestimmungen bereits enthaltenen grundgesetzlichen Einschränkungen hinaus, ist offenkundig, daß der Artikel 6 des Grundgesetzes für die Ausländer außer Kraft gesetzt werden soll.

Dieser Artikel besagt:

" (1) Ehe und Familie stehen unter dem Schutz der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen des Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft."

Bund und Länder wollen offensichtlich den Ausländern den grundgesetzlich garantierten Schutz von Ehe und Familie vorenthalten. Deutlicher kann die Diskriminierung der Ausländer kaum zum Ausdruck kommen. Was für Deutsche selbstverständlich ist: das Zusammenleben mit Frau und Kindern, will man Ausländern versagen.

Dies alles ist so unglaublich, daß die Feder sich sträubt, es niederzuschreiben.

4. BERUFLICHE BILDUNG NUR FÜR WENIGE

4.1
Die in dem Papier der Bund-Länder-Kommission niedergelegten Anregungen markieren einen gewissen Höhepunkt in dem seit Herbst 1973 zu beobachtenden Trend der bundesrepublikanischen Ausländerpolitik, der als deutliche Abkehr vom Konzept der Integration zu kennzeichnen ist.

Zwar finden sich in dem Papier Aussagen über soziale Integration z.B. durch Förderung der beruflichen Ausbildung, Weiterbildung und Umschulung nach dem AFG.

Aber diese hier proklamierten Maßnahmen kämen - gemäß den Vorstellungen des Papiers - nur einem verschwindend kleinen Teil der ausländischen Arbeiter zugute. Aber selbst bei ihnen soll ihre berufliche Bildung nicht so sehr ihrer Integration in unsere Gesellschaft dienen, sondern sie sollte nach Abschnitt II 8. "so ausgerichtet werden, daß dadurch die Rückkehrbereitschaft der Ausländer gefördert wird".

4.2
Wo die Aussagen über die berufliche Bildung auf die Situation in der Bundesrepublik orientiert sind, sind sie von der überaus diskriminierenden Anregung gekennzeichnet, daß ausländischen Jugendlichen die Möglichkeit eröffnet werden sollte, eine berufliche Bildung in jenen Wirtschaftsbereichen aufzunehmen, die in besonderem Maße auf die Beschäftigung von Ausländern angewiesen sind. Diejenigen Ausländer also, denen eine Chance für eine Integration in unsere Gesellschaft gegeben werden soll, sollen auf jene wirtschaftlichen und sozialen Bereiche fixiert bleiben, aus denen sich die Deutschen herauslösen. Eine Gesellschaft mit apartheidhaften Zügen kommt hier ins Blickfeld.

5. ZUSAMMENFASSENDE BEURTEILUNG

Die Fortentwicklung der Ausländerbeschäftigungspolitik - mit diesem Titel ist das Papier der Bund-Länder-Kommission überschrieben - kann also gekennzeichnet werden durch Fortentwicklung des Abbaus der Rechte der ausländischen Arbeiter in der Bundesrepublik, wie er seit dem Herbst 1973 (dem Beginn der Rezession) erkennbar ist. In unverhüllt brutaler Weise werden die ausländischen Arbeiter als bloße Arbeitskräfte und nicht als Menschen behandelt.

Dagegen sind folgende Forderungen zu erheben:

6. FORDERUNGEN AN EINE KÜNFTIGE AUSLÄNDERPOLITIK

6.1 Grundsätzliches

6.1.1
Folgende Fakten sind anzuerkennen:

Seit mehr als zwanzig Jahren sind in der Bundesrepublik Deutschland ausländische Arbeiter beschäftigt.

Mehr als eine Million Kinder und Jugendliche dieser Arbeiter sind hier geboren worden bzw. aufgewachsen.

Damit ist die Bundesrepublik entgegen ursprünglicher Vorstellungen faktisch zu einem Einwanderungsland geworden.

6.1.2
Daher gibt es keine vernünftige Alternative zum Angebot einer vollen gesellschaftlichen (nicht nur arbeits- und sozialrechtlichen) Eingliederung und Gleichstellung der ausländischen Bevölkerung. (2)

6.1.3
Die nichtdeutsche Wohnbevölkerung ist als gleichberechtigter Teil der gesamten Bevölkerung und die nichtdeutschen Arbeitnehmer als gleichberechtigter Teil der Arbeiterschaft anzusehen.

6.1.4
Die Integrationswilligkeit und die Integrationsfähigkeit sind zu fördern. (2)

6.1.5
"Maßnahmen, die die Rückkehrbereitschaft der ausländischen Wohnbevölkerung aufrechterhalten sollen", beeinträchtigen auf schädliche Weise den Integrationsprozeß.

6.1.6
Erfolg bei Integrationsmaßnahmen, vor allem im schulischen Bereich und auf dem Wohnungssektor, ist unmittelbar abhängig von der Absicherung des aufenthaltsrechtlichen Status der ausländischen Wohnbevölkerung.

6.1.7
Die Bundesregierung soll Teil II der "Konvention über Mißbräuche bei Wanderungen und die Förderung der Chancengleichheit und Gleichbehandlung der Wanderarbeitnehmer" der Internationalen Arbeitskonferenz, Genf ratifizieren. Darin heißt es:

"Jedes Mitglied, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist, verpflichtet sich, eine innerstaatliche Politik festzulegen und zu verfolgen, die darauf gerichtet ist, mit den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten entsprechende Methoden die Chancengleichheit und Gleichbehandlung in Bezug auf Beschäftigung und Beruf, soziale Sicherheit, gewerkschaftliche und kulturelle Rechte sowie individueller und kollektiver Freiheiten für Personen, die sich rechtmäßig als Wanderarbeitnehmer oder als deren Familienangehörige in seinem Hoheitsgebiet aufhalten, zu fördern und zu garantieren."

6.2 Rechtsstatus

6,2.1
Das Ausländergesetz ist so zu fassen, daß es den ausländischen Arbeitern die Möglichkeit bietet, über die Dauer ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik selbst zu entscheiden.

6.2.2
Nach fünfjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet soll Ausländern das Recht auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bzw. eine Aufenthaltsberechtigung gewährt werden.

6.2.3
Die politische Mitwirkung der Ausländer nach fünfjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik ist im ersten Schritt durch ein Kommunalwahlrecht zu ermöglichen.

6.3 Arbeit

6.3.1
Die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer ist alsj wesentlicher Bestandteil einer internationalen Strukturpolitik zu werten, die darauf ausgerichtet sein muß, die Ungerechtigkeiten und Nachteile zu überwinden, die sich aus dem wirtschaftlichen Gefälle ergeben.

6.3.2
Die staatlichen Bemühungen, Arbeit für alle zu ermöglichen müssen verstärkt werden unter Einbeziehung der nichtdeutschen Arbeiter. (2)

6.3.3
Gemäß der KSZE-Schlußakte von Helsinki "sollen die Wanderarbeiter die gleichen Möglichkeiten wie die Bürger der Gastländer haben, im Falle der Arbeitslosigkeit anderweitig passende Beschäftigung zu finden."

6.3.4
Es sind die gesetzlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß nach fünfjährigem Aufenthalt ein ausländischer Arbeitnehmer, und nach erfolgter Familienzusammenführung auch seine Familienangehörigen (diese unabhängig von der 5-Jahresfrist), unter den gleichen Bedingungen in Arbeit vermittelt werden wie Deutsche.

6.3.5
In bestehende Arbeitsverhältnisse wird administrativ nicht mehr eingegriffen.

6.3.6
Den nichtdeutschen Arbeitern wird nach Auslaufen des Bezugs von Arbeitslosengeld unbefristet Arbeitslosenhilfe gewährt.

6.3.7
Die nichtdeutschen Arbeiter und vor allem auch die Jugendlichen werden in die allgemeinen Programme zur Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen und zur Arbeitsplatzsicherung einbezogen.

6.4 Schule, Ausbildung

6.4.1
Gemäß KSZE ist "sicherzustellen, daß die im Aufnahmeland lebenden Kinder von Wanderarbeitern unter den gleichen Bedingungen wie die Kinder dieses Landes Zugang zum dort üblichen Unterricht haben und zu gestatten, daß sie darüber hinaus in ihrer eigenen Sprache, Kultur, Geschichte und Geographie unterrichtet werden."

6.4.2
Gegen Trends zur "Nationalschule" bzw. zu nationalen Übergangsklassen soll die Integration der Kinder ausländischer Arbeitnehmer in die deutsche Schule gefördert werden. (2)

6.4.3
Jugendliche Ausländer werden in alle Ausbildungsförderungsmaßnahmen wirkungsvoll einbezogen.

6.4.4
Ausländischen Arbeitnehmern sind gleichermaßen Chancen zu eröffnen, die ihnen die Teilnahme an allgemeinen und beruflichen Bildungsmaßnahmen ermöglichen. (2)

6,,4.5
Nach KSZE soll "Wanderarbeitern eine berufliche Bildung, und soweit möglich, kostenloser Unterricht in der Sprache des Gastlandes im Rahmen ihrer Beschäftigung zuteil werden."

6.5 Familienzusammenführung

6.5.1
Gemäß KSZE soll "soweit wie möglich die Vereinigung der Wanderarbeiter mit ihren Familien gefördert werden."

6.5.2
Der Schutz der Familie, den das Grundgesetz garantiert, verbietet es, einen Familiennachzug, auch in sogenannte überlastete Siedlungsgebiete, zu verhindern.

6.6 Zuzugsbeschränkung

6.6
Die für Ausländer geltende Zuzugsbeschränkung in sogenannte überlastete Siedlungsgebiete wird im Rahmen eines allgemeinen Konzepts zur Verhinderung der Abwanderung aus den Großstädten aufgehoben.

Anmerkungen:

(1) Materialdienst Nr. 76/129 Initiativausschuß "Ausländische Mitbürger in Hessen"

(2) vgl. Entschließung des Hessischen Landesausschusses beim Sozialministerium zur sozialen Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen vom 15.9.1976, Materialdienst Nr. 76/73

Dieses Argumentationspapier kann ganz oder auszugsweise, mit oder ohne Quellenangabe übernommen und ausgewertet werden.