EINLADUNG
Die Ausländerpolitik beschäftigt die Bevölkerung der Bundesrepublik
Deutschland auf verschiedenen Ebenen in unterschiedlichen Graden und mit sehr
differierenden Auffassungen. Auch die Kirche versucht, ihre Stimme im Konzert
der Meinungen zur Geltung zu bringen.
Immer noch heißt es dabei, die Bundesrepublik, ohnedies auf begrenzten Raum
verwiesen und mit eigenen Sorgen belastet, sei kein Einwanderungsland. Mit
dieser politischen Aussage sollen eine Rückkehrpolitik für die inzwischen
eingewanderte ausländische Arbeiterbevölkerung begründet und neue
Einwanderungsströme verhindert werden. Ist dies eine weitsichtige Politik?
Oder müßte sich die Bundesrepublik Deutschland nicht längst als ein
Einwanderungsland verstehen, nicht zuletzt angesichts einer
„Bevölkerungsimplosion"? Können nicht die verschiedenen Interessen, langfristig
besehen, auch einmal in die gleiche Richtung gehen?
Wir laden Sie freundlich ein, zugleich mit der Bitte, im interessierten
Freundes- und Bekanntenkreis auf unsere Veranstaltung aufmerksam zu machen.
Dr. G. Gebhardt Pfarrer H. Leuninger
BERICHT
DER SONNTAG
Kirchenzeitung für das Bistum Limburg vom 1. Mai 1977
Derzeitige Ausländerpolitik ist kurzsichtig
Geburtenrückgang und künftige Ausländerpolitik - Seminar der Rabanus-Maurus-Akademie
Limburg/Königstein. Als kurzsichtig muß die derzeitige Ausländerpolitik angesehen werden, die die Rückkehr der inzwischen eingewanderten ausländischen Arbeiterbevölkerung betreiben will und die Bundesrepublik als Nicht-Einwanderungsland bezeichnet.
Das ergab eine Studientagung der Rabanus-Maurus-Akademie, die am Wochenende in Königstein/Ts.
stattfand, und sich mit den Folgen des rapiden Geburtenrückgangs bei der deutschen Bevölkerung
befaßte. Gerd-Rüdiger Rückert vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung
in Wiesbaden verwies darauf, daß derzeit mehr als 35 Prozent der Geburten fehlten, die für eine
dauernde Erhaltung des Bestands der Bevölkerung in der Bundesrepublik notwendig wären. Würde in
den nächsten Jahren der Ausländerbestand drastisch verringert, so würde sich der bedenkliche Überalterungsprozeß
der deutschen Bevölkerung mit all seinen negativen Folgen beschleunigen. Von 1,5 Millionen - fehlenden
Geburten sprach Gabriele Erpenbeck vom Kommissariat der deutschen
Bischöfe in Bonn. Das dadurch entstandene Bevölkerungsdefizit sei kaum anders als durch eine gezielte
Einwanderungsstrategie aufzufüllen. Ohnehin habe es die Bundesrepublik im Rahmen der EG-Freizügigkeit
nicht mehr in der Hand, sich als Nicht-Einwanderungsland zu erklären.
Im Hinblick auf die nach 1990 drohende Arbeitskräfteknappheit empfahl schließlich
Wolfgang Klauder, Wissenschaftler im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der
Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, zunächst die heute in der Bundesrepublik anwesenden Ausländer,
vor allem die deutschsprachigen Ausländerkinder, dauerhaft zu integrieren. Auch er warnte vor
einer radikalen Reduzierung der Ausländerbeschäftigung zur Lösung der gegenwärtigen Beschäftigungsprobleme.
Bereits zu Beginn der Tagung hatte der Ausländerreferent des Bistums Limburg, Herbert
Leuninger, der Mitveranstalter war, erklärt: „Wir liegen mit dieser Tagung völlig quer
zu dem, was augenblicklich in Sachen Ausländer politisch verhandelt wird. Am kommenden Montag
will die Konferenz der Arbeits- und Sozialminister ein neues Ausländerkonzept verabschieden, gegen
das von den verschiedensten Seiten her Sturm gelaufen wird. Grundposition eins soll lauten: Die
Bundesrepublik Deutschland ist kein Einwanderungsland. Sie versteht sich als ein Aufenthaltsland
für Ausländer, die in der Regel nach einem mehr oder weniger langen Aufenthalt aus eigenem Entschluß
in ihre Heimat zurückkehren.
Dies ist eine politische Aussage, die unrealistisch ist. Nach zwei Jahrzehnten Ausländerbeschäftigung
ist ein großer Teil der nichtdeutschen Arbeiterbevölkerung hier ansässig geworden. Diese Basisaussage
ist aber unter Umständen eine große bevölkerungspolitische Torheit mit unabsehbaren schädlichen
Folgen."
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