1. |
Zur Einwanderung
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1.1 |
Die Beschäftigung nichtdeutscher
Arbeitnehmer in der Größenordnung
von Millionen war als Provisorium
gedacht und ist Laufe von drei Jahrzehnten
eine Strukturkonstante unserer Wirtschaft
und Gesellschaft geworden.
Damit wurde ein voraussehbarer und
unumkehrbarer Einwanderungsprozeß
ausgelöst, in den hunderttausende
Familien einbezogen sind.
Auf diese Realität verweisen
die Kirchen seit vielen Jahren und
fordern eine entsprechende Integrationspolitik.
Diese wurde bisher durch eine gigantische
Lernhemmung und Verdrängung
von Wirklichkeit verhindert.
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1.2 |
Die Europäische Gemeinschaft
hat die Freizügigkeit des Arbeitnehmers
als ein Grundrecht geschaffen, das
auch für die Familien gilt und
ein Recht auf Daueraufenthalt einräumt.
Damit ist der Standard eines Einwanderungslandes
neuen Stils geschaffen, der tendenziell
auch auf die Beschäftigten aus
Drittländern angewendet werden
soll.
Die EG-Regelungen stellen eine wesentliche
Relativierung der nur nationalstaatlich
konzipierten Ausländerpolitik
dar.
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2. |
Zur Integration
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2.1 |
Integration ist die Herstellung
von Chancengleichheit im Sinne einer
gleichberechtigten Teilhabe am wirtschaftlichen,
kulturellen, politischen und sozialen
Leben. und damit die Schaffung von
Zukunftschancen.
Integration ist eine grundlegende,
gesellschaftspolitische Zielsetzung,
die sich nicht nur auf die Bevölkerung
nichtdeutscher Herkunft, sondern
auch auf junge, ältere, kranke
und behinderte Menschen und auf weitere
sogenannte soziale Randgruppen bezieht.
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2.2 |
Integration setzt nicht die Aufgabe
der individuellen und Gruppenidentität
voraus und ist daher nicht erst nach
einer totalen Assimilierung erreicht. |
2.3. |
Die Integration der Bevölkerung
nichtdeutscher, auch türkischer
Herkunft dürfte kaum schwieriger
sein, als die Integration weiter Teile
der deutschen jungen Generation. |
3. |
Zur Kultur
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3.1 |
Die Bundesrepublik ist eine multikulturelle
Gesellschaft. |
3.2 |
Eine Mehrheitskultur koexistiert
in vielfältiger Form mit Minderheitskulturen,
zu denen u.a. die der Bevölkerung
anderer ethnischer Herkunft gehören.
Die Minderheitskulturen stehen zur
Mehrheitskultur entweder
- in gegenseitiger Kommunikation
und Beeinflussung (offene Kulturen)
oder
- nahezu beziehungslos und abgeschlossen
(Ghetto-Kulturen) oder
- in bewußtem Gegensatz (alternative
Kulturen).
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3.3 |
Die
Mehrheitskultur in der Bundesrepublik
unterliegt selbst in einem dynamischen
Prozess einer kontinuierlichen Veränderung.
Maßgeblicher als alle Minderheitskulturen
sind hierfür die politische, wirtschaftliche,
wissenschaftliche, militärische
unf kulturelle Verflechtung der Bundesrepublik
mit der Europäischen Gemeinschaft,
mit Europa, mit der NATO und vor allem
auch den USA. |
3.4 |
Die eigentliche Gefahr für unsere
Kultur ist vielleicht eher die kulturelle
Homogenisierung auf Weltebene, verbunden
mit einem kulturellen Verfall auf regionaler
Ebene (Club of Rome, 1979). |
4. |
Zur Fremdenangst
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|
Die
wohl in allen Gesellschaften latent
vorhandene und aus der menschlichen
Entwicklungsgeschichte herrührende
Angst vor allem Fremden äußert
sich verstärkt in direkter und
indirekter Fremdenfeindlichkeit |
4.1 |
Als Ursachen hierfür sind
zu nennen:
- Die verschlechterte ökonomische
Situation mit sich ausdehnender
Arbeitslosigkeit;
- der sich verschärfende
Ost/West- und Nord/Süd-Konflikt
mit entsprechender politischer
Instabilität;
- das politische und religiöse
Erstarken des Islam;
- die signifikante Anwesenheit
nichtdeutscher Kinder und Jugendlicher
in den Bildungseinrichtungen und
Wohngebieten;
- die in den Jahren 1977 bis
1980 stark angewachsene Zahl von
Asylbewerbern.
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4.2 |
Sie äußert sich:
- in aggressiven Stellungnahmen
des Alltags;
- in Abwehrformeln der Politiker;
- in publizistischen Beiträgen;
- im abweisenden Verhalten
von Behördenvertretern;
- in terroristischen Aktivitäten
des Rechtsextremismus.
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4.3 |
Sie legitimiert sich:
- Durch Betonung der nationalen
und kulturellen Identität;
- durch das Herausstellen von
Kultur
- und Religionsunterschieden;
- durch Verweise auf den Vorrang
des Einheimischen vor dem Zugewanderten;
- durch die Nährung von
Illusionen über eine effiziente
Regionalpolitik und mögliche
Maßnahmen der Re-Integration;
- durch das Festhalten überholter
politischer Positionen vom Nicht-
Einwanderungsland;
- durch scheinhumanitäre
Appelle, die Ausländer nicht
von ihrer Heimat zu entfremden
etc.
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4.4 |
Sie ist zu überwinden:
Die Überwindung der Fremdenfeindlichkeit
und die kulturelle Überformung
der Fremdenangst (Xenophobie) sind
möglich, wenn
- das Faktum der Einwanderung
und das Phänomen der Multikulturalität
als irreversible Realität
erkannt und vermittelt werden,
- die Menschen anderer ethnischer
Herkunft in ihren legitimen, durch
Menschen- und Grundrechte garantierten
Ansprüche anerkannt werden,
- neue Formen des individuellen
und kollektiven Zusammenlebens
vom Kindergarten an erlernt werden.
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5.
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Zur Einstellung
von Deutschen gegenüber Nichtdeutschen |
5.1
|
Eine
vom. Berliner Senat in Auftrag gegebene
Repräsentativ-Umfrage (1980) kommt
zu dem Ergebnis, daß bei etwa
der Hälfte der Deutsche eine im
Prinzip positive Grundhaltung zu den
in ihrer Stadt lebenden Mitbürgern
anderer nationaler Herkunft vorliegt,
ein Drittel ist eher negativ zu ihnen
eingestellt, der Rest gilt als gleichgültig
oder schwankend in seiner Einstellung. |
5.2 |
Die in die politische Diskussion
gekommene Sinus-Studie,, die das
Bundeskanzleramt in Auftrag gegeben
hatte, stellt fest, daß 13
% der wahlberechtigten Bundesbürger
"ein ideologisch geschlossenes rechtsextremes
Weltbild" haben. Als typische rechtsextreme
Einstellungen ermittelten die Sozialforscher:
Haß gegenüber Menschen
die "anders" sind, wozu Jugendliche
Ausländer, sexuelle Minderheiten
und "Asoziale" zählen; Angst
vor einer Überfremdung der Deutschen
durch Ausländer, was als Bedrohung
der deutschen Rasse empfunden wird.
37 % der Befragten weisen nach dieser
Studie in ihren Aussagen eine dem
rechtsextremen Denken verwandte "autoritäre
Einstellungsskala" auf.
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6. |
Zur
demographischen Situation |
6.1 |
Die
Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik
hat von 62,1 Mio in 1973 auf 61,3 Mio
in 1979 abgenommen. Damit ist die Bevölkerungsdichte
von 249,8 Einwohnern pro km2
auf 246,6 km2 zurückgegangen. |
6.2 |
Nach neuesten Berechnungen
des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW) wird die
Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik
bis zum Jahre 2000 auf 60,5 Mio abnehmen.
Damit würde sich die Bevölkerungsdichte
auf 243 (EW/km2) verringern.
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